Steuerzahler zahlten dem Bund 13,1 Milliarden Euro für Impfdosen in der Corona-Krise
Eines der bis dato weiter streng gehüteten Geheimnisse der kooperativen Zusammenarbeit von Politik und Pharmaindustrie sind die Details der Verträge zwischen der EU-Kommission und verschiedenen Pharmakonzernen zu Beginn der weltweiten Corona-Krise im Jahre 2020. Im Speziellen die Inhalte vermuteter Knebelverträge ausgehend von unbekannten Forderungen des US-Pharmagiganten Pfizer, Partner des deutschen Unternehmens BioNTech, an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Im Rahmen einer "detaillierten Bestellübersicht der Bundesregierung für die einzelnen Impfstoffe" berichten nun in einer gemeinsamen Recherche der NDR, der WDR und die Süddeutsche Zeitung (SZ) über genauere Angaben zu Preisen, Mengen und Bestelldaten von diesbezüglichen Bestellungen. Dazu heißt es in einem Beitrag der Tagesschau:
"Das Gesundheitsministerium teilte erstmals auf Anfrage mit, dass bisher Impfstoff-Dosen im Wert von 13,1 Milliarden Euro bestellt wurden."
So hätten die bestellten 56 Millionen Dosen des Anbieters AstraZeneca im August 2020 einen Preis von rund 2,30 Euro pro Impfdosis gekostet. Die bedingte Zulassung in der EU erfolgte Ende Januar 2021. Ab Dezember 2021 kam dann Vaxzevria® von AstraZeneca in Deutschland aufgrund dokumentierter Nebenwirkungen speziell bei jüngeren Bürgern laut dem BMG "nicht mehr zum Einsatz". Der Impfstoff des Herstellers Johnson & Johnson kostete demnach rund sieben Euro, bei Nuvaxovid® von Novavax lag der Preis für eine Dosis bei rund 18,20 Euro.
Der Rechercheverbund bemerkt, dass die Preissteigerungen der Firmen Pfizer/BioNTech und Moderna mitten im Zeitraum der Pandemie "auffällig" seien. Dazu heißt es:
"So hat Deutschland im Dezember 2020 knapp 39 Millionen Impfdosen bei BioNTech zum Preis von rund 15,50 Euro pro Dosis bestellt. Neun Monate später, als die Regierung weitere 168 Millionen Impfdosen bestellte, kostete die Einzeldosis im Schnitt bereits rund 23,20 Euro – ein Anstieg um rund 50 Prozent."
Bezüglich des US-Herstellers Moderna hatte der Bund im Dezember 2020 rund 15 Millionen Impfdosen zum Preis von 19,50 Euro pro Dosis erworben. Drei Monate später lagen auch hier die Kosten "im Schnitt bereits bei rund 29,70 Euro pro Dosis – ebenfalls eine Preiserhöhung um rund 50 Prozent", so der Artikel. Moderna wollte eine diesbezügliche Frage nicht beantworten. BioNTech ließ dem Rechercheverbund über die Presseabteilung eher kryptisch mitteilen:
"Verlassen Sie sich nicht auf Informationen, die nicht nachgeprüft werden können (die Preisangaben können wir nicht nachvollziehen)."
Im Februar 2021 berichtete die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel über die Korrespondenz zu möglichen Preisregulierungen zwischen BioNTech/Pfizer und der EU. So habe bereits im Jahr 2020 eine Erklärung zur möglichen Preisgestaltung im Rahmen eines der EU unterbreiteten Angebots ("Expression of Interest") gelautet:
"Würde man die Abermilliarden, die die Pandemie an Schäden verursache, in ein 'traditionelles Kosten-Wirksamkeits-Modell' übertragen, komme man auf einen Preis für eine Dosis Impfstoff, der 'unangemessen wäre während einer globalen Pandemie'. Nach dieser Vorrede unterbreitete Pfizer/BioNTech deshalb ein vermeintlich großzügiges Angebot: In Fettschrift boten die beiden Firmen der EU ihren Impfstoff zum Preis von 54,08 Euro pro Dosis an, bei einer Abnahme von 500 Millionen Dosen."
In einem Interview vom 14. Juni 2020 hatte der BioNTech-Geschäftsführer Uğur Şahin auf die Frage, wie teuer ein möglicher Corona-Impfstoff werden könnte, demgegenüber geantwortet:
"Das wissen wir nicht. Es wird ein Preis sein, der sich so gut wie möglich an den Preisen für einen neuen Impfstoff orientiert. Kein Unternehmen wird sich damit eine goldene Nase verdienen."
Zu den unbekannten Vertragsmodalitäten und Preisdynamiken zeigt der Tagesschau-Beitrag Wahrnehmungen aus "der Pharmabranche" auf:
"Die Preissteigerungen lägen auch daran, dass Deutschland und die EU in den Verträgen teure Auflagen hineingeschrieben hätten. Das habe man sich einfach über einen höheren Preis absichern müssen."
Laut den vorliegenden Zahlen stehen aktuell weiterhin "für jeden Einwohner in Deutschland vom Säugling bis zum Greis gut acht Impfstoffdosen zur Verfügung". Die genauen Preise für die Impfstoffe befänden sich "inzwischen in der so genannten Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags". Abschließend heißt es in einer Zusammenfassung:
"Addiert man die Bestellungen bis Dezember 2021, dem Ende der Amtszeit von Gesundheitsminister Jens Spahn, kommt man auf einen Wert von 10,05 Milliarden Euro. In der Amtszeit von Karl Lauterbach bis heute ist auch dieser Wert noch mal gestiegen. 'Der Gesamtwert der Bestellungen beläuft sich auf ca. 13,1 Milliarden Euro brutto', wie das Ministerium gegenüber NDR, WDR und SZ bestätigt."
Gesundheitsminister Karl Lauterbach bemühe sich laut dem Beitrag "nach eigenen Angaben seit einigen Wochen" darum, die getätigten Bestellungen bei den Herstellern deutlich zu reduzieren, allerdings sei das "bisher nur für 11,3 Millionen Dosen gelungen".
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