Deutschlands LNG-Dilemma: Horrende Preise und neue Abhängigkeiten
Eine Analyse von Alexander Männer
Teil 1 finden Sie hier.
Wie am Dienstag bekannt wurde, soll Katar ab 2026 jährlich über einen Zeitraum von 15 Jahren bis zu zwei Millionen Tonnen verflüssigtes Erdgas nach Deutschland liefern. Diese Menge entspricht jedoch nur etwa drei Prozent des deutschen Jahresverbrauchs und wird nach einhelliger Meinung der Experten in der gegenwärtigen Energiekrise erst einmal keine Abhilfe schaffen.
Im Grunde ist der Gasdeal mit dem Emirat eine Art Symbol für die Misserfolge der Bundesregierung auf den Weltmärkten für Flüssiggas und er verdeutlicht, dass der globale LNG-Sektor den deutschen Erwartungen zumindest in der heutigen Situation nicht gerecht werden kann. Deutschland ist ein hoch entwickeltes Industrieland, für das eine sichere und ökonomisch vertretbare Energieversorgung essenziell ist. Dass ausgerechnet die nicht unproblematischen LNG-Kooperationen mit den Nahost-Monarchien oder den Vereinigten Staaten diese Voraussetzungen erfüllen können, ist zu bezweifeln.
Abhängigkeit von den USA statt Diversifizierung
Was die Versorgungssicherheit angeht, so will die Bundesregierung sowohl Alternativen zu den russischen Gaslieferungen finden als auch ihre Versorgungsquellen diversifizieren. Ein interessanter Aspekt bei den LNG-Vereinbarungen mit Katar ist jedoch die Tatsache, dass nicht Deutschland, sondern der US-amerikanische Energiekonzern ConocoPhillips den Vertrag mit dem arabischen Land abgeschlossen hat.
Dass ein US-Unternehmen bei dem Geschäft als Zwischenhändler auftritt und das LNG nach Deutschland bringen soll, verdeutlicht das Wiedererstarken der US-Schiefergasindustrie angesichts der gegenwärtigen (Preis-)Entwicklung auf dem europäischen Gasmarkt. Es verdeutlicht aber auch, was zumindest den deutschen Energiesektor in der Zukunft erwartet: eine Dominanz der USA bei der Gasversorgung und damit eine Abhängigkeit Berlins von Washington.
Nach einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) könnten die USA in Zukunft der wichtigste Gaslieferant der Bundesrepublik und der EU werden. Man geht davon aus, dass die US-Unternehmen ihr LNG-Exportvolumen nach Europa schon in wenigen Jahren – unter der Voraussetzung, dass in der EU bis dahin genügend Verflüssigungsanlagen gebaut werden – auf fast 40 Prozent erhöhen und damit Russland quasi als den führenden Akteur auf dem EU-Gasmarkt ablösen. Demnach soll die Liefermenge von US-LNG bereits 2026 130 Milliarden Kubikmeter betragen – das würde etwa in dem Mengenbereich liegen, in dem Russland vor dem Ukraine-Krieg und den westlichen Sanktionen exportierte.
Unabhängig davon, ob diese Prognose tatsächlich so eintreffen wird, ist die Bedeutung der Vereinigten Staaten als Gaslieferant für die EU schon heute immens. Sie haben ihre LNG-Lieferungen nach Europa in diesem Jahr laut Angaben der statistischen Abteilung des US-Energieministeriums deutlich gesteigert und bis September mehr als 47 Prozent der europäischen Importe umgesetzt. Auch im vergangenen Monat waren die USA mit 6,2 Milliarden Kubikmetern Gas beziehungsweise 38 Prozent der Gesamtmenge erneut der größte LNG-Versorger Europas. Dem Magazin Forbes zufolge erhalten die US-Amerikaner damit auch die Möglichkeit, die europäischen Strompreise zu beeinflussen, weil diese in hohem Maße von den Gaspreisen und somit letztendlich von der Regelmäßigkeit und dem Umfang der Gaslieferungen aus den USA abhängen.
Angesichts dieser Tendenz laufen die Europäer zunehmend Gefahr, in die Abhängigkeit Washingtons zu geraten und sich politisch und wirtschaftlich noch mehr erpressbar zu machen. So etwas wollte man bei Russland übrigens mit aller Macht vermeiden, und im Falle der USA ist das unter Berücksichtigung der eigenen Interessen ebenfalls nicht zu akzeptieren, selbst wenn die Staaten sich als das demokratischste Land der Welt erweisen sollten.
Kostenfaktor LNG-Import
Eine weitere Herausforderung bei dem Geschäft mit verflüssigtem Erdgas ist der finanzielle Aufwand, der einen zentralen Aspekt bei der deutschen und europäischen Strategie darstellt. Hierbei kann man einen signifikanten Preisunterschied zwischen den Pipeline-Lieferungen aus Russland und den US-amerikanischen LNG-Importen ausmachen. Das Pipelinegas ist bekanntermaßen deutlich billiger und daher ökonomisch vorteilhafter als das LNG. Letzteres muss nämlich zuerst durch den teuren Prozess der Gasverflüssigung transportfähig gemacht, danach aus einer Entfernung von mehreren Tausend Kilometern per Tankschiff angeliefert und anschließend wieder genauso aufwendig regasifiziert werden.
Infolgedessen bedeutet der Umstieg auf verflüssigtes Erdgas für die EU-Volkswirtschaften langfristig höhere Ausgaben beim Import, was die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf den Weltmärkten unterminieren dürfte. Auch die einfachen Verbraucher würden vermutlich dauerhaft deutlich mehr für ihren Energieverbrauch zahlen.
Es ist zudem offensichtlich, dass die Verluste umso höher sein werden, je höher die Preise für das LNG ausfallen. Da die USA die Gasversorgung der EU immer mehr dominieren, stellt sich auch die Frage, wie viel mehr die Deutschen für das US-amerikanische Gas bezahlen müssen. Diesbezüglich hat der Journalist Jens Berger in seinem Online-Artikel den Versuch unternommen, den Preisunterschied zwischen dem an die Bundesrepublik verkauften russischen Pipelinegas und dem US-Flüssiggas zu ermitteln.
Unter Verweis auf Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – wonach Deutschland im Januar 2021 1,8 Milliarden Euro für seine gesamten Gasimporte gezahlt hat – und mittels einer Überschlagsrechnung schlussfolgert Berger, dass Berlin für das russische Gas in der Zeit vor der Energiekrise rund 11,9 Milliarden Euro pro Jahr zahlte.
Was den Abnahmepreis für das LNG betrifft, so kommt Berger zu dem folgenden Ergebnis: ''Setzt man für diese Menge den von der EU genannten langfristigen Importpreis für US-LNG an, kommt man auf 30 Milliarden Euro – also fast auf das Dreifache. Setzt man den real in diesem Sommer nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gezahlten Importpreis an, kommt man sogar auf 54 Milliarden Euro – also fast das Fünffache.''
Von solchen Zuständen profitiert in erster Linie die US-Fracking-Branche, die in Europa viel mehr verdienen kann, als auf dem heimischen Markt. Dabei signalisieren die US-Firmen laut Angaben des Portals Business Insider, dass die Gaspreise für Europa künftig sogar deutlich angehoben werden sollen, da die Europäer kein ''billiges US-Gas'' mehr bekommen könnten. Wie der Vorstandsvorsitzende des im US-Bundesstaat Texas ansässigen LNG-Unternehmens Tellurian, Charif Souki, im Oktober verlautet hatte, ''gehören die Tage, in denen man Gas für 4 bis 5 Dollar auf dem Wasser bekommen konnte, der Vergangenheit an''. Man müsse stattdessen ''in Dimensionen von 10 bis 12 Dollar denken".'
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