Deutschland

"Die Eskalationsspirale durchbrechen" – Offener Brief aus Königs Wusterhausen an die Bundesregierung

Das Eskalationsregime der NATO-Staaten gegen Russland stößt auf immer stärkeren Protest, bisher vor allem im östlichen Teil des Landes. Auch in der Kommunalpolitik regt sich Widerstand – erneut im Osten. Diplomatie statt Sanktionen, so ließe sich ein Offener Brief aus Königs Wusterhausen zusammenfassen.
"Die Eskalationsspirale durchbrechen" – Offener Brief aus Königs Wusterhausen an die BundesregierungQuelle: www.globallookpress.com © Christophe Gateau/dpa

Im brandenburgischen Königs Wusterhausen hat die Stadtverordnetenversammlung vor einer Woche beschlossen, dass die Bürgermeisterin der Stadt einen Offenen Brief an die Bundesregierung schicken soll. Seit gestern sind der Text des Briefes und die relevanten Sitzungsprotokolle auf der Homepage der Stadt abzurufen. Auch ein Videomitschnitt der Sitzung vom 20. Oktober 2022 ist verfügbar.

Außenpolitischer Sachverstand vor Ort

Die Stadt fasst selbst den Inhalt des Schreibens so zusammen:

"In dem Brief wird die Bundesregierung mit Blick auf die umfassenden globalen Auswirkungen aufgefordert, alles zu unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert und die Eskalationsspirale zu durchbrechen."

Beklagt wird im Offenen Brief, dass auf den Krieg in der Ukraine mit einer "Eskalationsspirale" reagiert wird, "die sich immer schneller dreht und droht, zu einer umfassenden globalen Krise zu werden." Dies habe unmittelbar Auswirkungen auch auf die Lebensverhältnisse vor Ort und die Lokalpolitik. Nach der "so genannten Flüchtlingskrise oder der Pandemiepolitik" seien "die personelle und finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen bereits mehrfach überstrapaziert."

Scharfe Kritik üben die Stadtverordneten an der Bundesregierung, die ausschließlich auf antirussische Sanktionen, Waffenlieferungen und Aufrüstung setze, aber keinerlei Bemühungen um eine diplomatische, friedliche Lösung des Konflikts erkennen lasse:

"Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten, gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Allein Waffen und völlig entfesselte Sanktionsmaßnahmen sollen diesmal das alleinige Mittel der Wahl sein. Eine forcierte militärische Aufrüstung geht damit einher."

Globaler Blick

Ebenso scharf wird die anmaßende Haltung der Bundesregierung kritisiert, die ständig von einer sogenannten werte- und regelbasierten Außenpolitik spreche. Deutschland sei jedoch auf den Import von Rohstoffen und Energieträgern angewiesen, um "seine Wirtschaft und den minimalen Wohlstand der Bevölkerung aufrechterhalten zu können." Doch die Lieferländer hätten "in der Regel ihr eigenes konträres 'Wertesystem'" und "oft führ[t]en sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker." Die Stadtverordneten weisen auf die Doppelmoral des Westens – und der Bundesregierung – hin und fragen somit rhetorisch:

"Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?!"

Mit "fassungslosem Entsetzen" gehen die brandenburgischen Lokalpolitiker auf die "bereits jetzt absehbaren Folgen" der auf das Militärische fixierten Berliner Politik ein:

"Eine Politik, die sich darauf versteift, dass es nur eine militärische Lösung dieses Konfliktes geben könne, nimmt Tod und Zerstörung – vor allem für zigtausende Unbeteiligte und Unschuldige – billigend in Kauf."

Der westliche "Sanktionskrieg" habe "auch Auswirkungen auf eigentlich völlig Unbeteiligte, die Menschen im sogenannten globalen Süden." Infolge des "nahezu vollumfänglichen Sanktionsdschungel[s]" seien "enorme Mengen an Dünger- und Getreideexporten aus Russland und Weißrussland faktisch blockiert" worden – wodurch Hungersnöte "in vielen ohnehin schon gebeutelten Ländern" die unvermeidliche Folge seien. Dies könne wohl kaum im Sinne einer – angeblich – "wertegeleiteten" Politik liegen.

Wirtschaftliche und soziale Folgen in Deutschland

Klare Worte finden die Stadtverordneten von Königs Wusterhausen auch für die Folgen der Sanktionen, die auf Deutschland zurückschlagen: Preisanstieg, Inflation, Rückgang der Spareinlagen, Betriebsschließungen und Insolvenzen.

"Vielen bereits durch die Pandemie-Politik gebeutelten Gewerbetreibenden geht nun endgültig die Luft aus, aufgrund hoher Kosten bei gleichzeitig einbrechendem Umsatz."

Die Verluste durch Betriebsaufgaben, Verlagerungen ins Ausland, Konsumzurückhaltung und Rezession seien nicht "bezifferbar". So drohten "ganze Branchen" zu "verschwinden" und Deutschland "seine letzten Standortvorteile" zu verlieren. Die Inflation führe "zu einer massiven Kapitalflucht", "das ohnehin angeschlagene Finanzsystem droht zu kollabieren."

Die Bundesregierung wird unmissverständlich gewarnt:

"Die Arbeitslosigkeit wird explodieren, gleichzeitig steigt die Zahl der Flüchtlinge, die Sozialsysteme sind jetzt schon völlig überlastet. Daraus folgende soziale und politische Unruhen sind zwangsläufig."

All diese Entwicklungen seien "absehbar, ohne dass damit den Menschen in der Ukraine geholfen ist."

Diplomatie statt Waffen und Sanktionen

Der Offene Brief zitiert das bekannte Wort Willy Brandts, wonach der Frieden zwar nicht alles, aber alles ohne Frieden nichts sei, und mündet in folgendem Appell an die Regierung:

"Wir rufen Sie daher dazu auf, alles zu unterlassen, was diesen Krieg verlängert und alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen. Sowohl im Waffenkrieg als auch im Wirtschaftskrieg!"

Der Offene Brief wurde von der "Vereinigten Bürgerfraktion" initiiert. Ein Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Grünen für eine alternative "Resolution", die weitgehend der Linie der Bundesregierung entsprach, konnte sich nicht durchsetzen. Die Stadtverordnetenversammlung hat den Offenen Brief schließlich mit großer Mehrheit beschlossen: 17 von 24 anwesenden Stadtverordneten stimmten dafür.

Nachtrag vom 28.10.: Anders als in der ursprünglichen Version des Artikels angedeutet  wurde eine Fernsehreportage des rbb zum Thema offensichtlich nicht aus dem Online-Angebot der ARD entfernt. Das Video ist hier und hier zu finden. 

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