Aufgabe der Polizei: Deutsche Polizeigewerkschaft wehrt sich gegen Einsatz der Bundeswehr im Innern
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Mit der Aufstellung des territorialen Führungskommandos der Bundeswehr zum 1. Oktober will die Bundesregierung den Einsatz der Streitkräfte im Inneren auch in Deutschland wieder salonfähig machen. Dabei verfügt die mit der Wahrung der inneren Sicherheit eigentlich betraute Polizei mittlerweile selbst über ausreichend Feuerkraft, Spezialkräfte und Expertise, um etwaigen Gefahren wie Terrorangriffen oder öffentlichen Unruhen erfolgreich entgegentreten zu können – besser als das Militär. Die bestehende Ordnung, wonach die Polizei für das Aufrechterhalten der inneren Sicherheit und die Bundeswehr für die Landesverteidigung zuständig ist, sollte deshalb auch erhalten bleiben, fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG).
Eine Militarisierung der inneren Sicherheit durch die Hintertür lehnt sie deshalb auch weiterhin entschieden ab. "Politische Pläne, das Grundgesetz zu ändern, um die Bundeswehr vermehrt im Inland (insbesondere etwa beim Objektschutz) einzusetzen, lehnt die Deutsche Polizeigewerkschaft entschieden ab", positioniert sich die Gewerkschaft auf ihrer Webseite. Zwar ist der Einsatz der Bundeswehr im Innern zurzeit zumindest noch mit hohen gesetzlichen Hürden verbunden. Aber an denen wird seit geraumer Zeit bereits gerüttelt. Bisher gilt allerdings: Innerhalb Deutschlands darf die Bundeswehr nur in bestimmten Ausnahmefällen aktiv werden.
Das Grundgesetz lässt hier derzeit drei Optionen zu. Für die erste – die Katastrophenhilfe – sind die Hürden relativ gering, für die beiden anderen jedoch hoch. Der zweite Fall wäre die Amtshilfe, wie sie etwa im Zuge der COVID-19-Pandemie stattfand. Und der dritte Fall ist der innere Notstand. Hier darf die Bundeswehr laut Grundgesetz zum Schutz von zivilen Objekten und bei der "Bekämpfung nichtstaatlicher Gegner" eingesetzt werden, "wenn diese organisiert und militärisch bewaffnet sind".
Dies gilt laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages allerdings nur, wenn die "freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes gefährdet ist" und die Kräfte von Polizei und Bundespolizei nicht ausreichen, was im Fall aufkeimender landesweiter Unruhen – wie sie etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) aufgrund der verfehlten Energiepolitik fürchtet – vermutlich zutreffen würde. Ab welchem Punkt die "freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes gefährdet ist", ist allerdings wiederum Auslegungssache der Politik, die gleichzeitig seit vielen Jahren bereits daran arbeitet, in Deutschland einen zentralisierten Katastrophenschutzapparat unter militärischem Oberkommando zu installieren.
Mitunter deshalb setzt die Bundesregierung – unter dem Vorwand der sogenannten Amtshilfe zur Bewältigung bestimmter Aufgaben – seit einiger Zeit vermehrt auf den Einsatz von Soldaten, statt auf die zur Wahrung der Aufgaben eigentlich vorgesehenen Einsatzkräfte zurückzugreifen. Ein Beispiel dafür war die vermeintliche Amtshilfe der Bundeswehr in den Gesundheitsämtern; und diese führte gar zu der Gründung eines dem Kanzleramt unterstehenden Krisenstabs zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie unter der Führung von Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr.
Doch weshalb gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die der parlamentarischen Kontrolle des Bundestags unterstehende Krisenkoordination unter Berufung auf das unter Verfassungsrechtlern stark umstrittene Infektionsschutzgesetz an einen dazu eigentlich nicht legitimierten General der Bundeswehr ab? Die Antwort auf diese Frage lieferte Breuer im Interview mit dem Deutschlandfunk selbst. Mit seiner Ernennung zum Leiter des "Krisenstabs" habe die Bundesregierung demnach eine "Normalisierung des Militärischen und der Bundeswehr" vorantreiben wollen. Bejubelt wurde die Militarisierung der deutschen Innenpolitik im Zuge der Corona-Bekämpfung damals von fast allen politischen Parteien. Proteste dagegen gab es hingegen nur wenige.
Doch nun geht man in Deutschland sogar noch einen Schritt weiter: Mit der Gründung eines territorialen Führungskommandos, das ab Oktober für die "neuen Herausforderungen" im Bereich der inneren Sicherheit zuständig sein soll, wird allmählich weiter an der von der Politik sonst hochgepriesenen Trennung der Zuständigkeiten von Polizei und Militär in Deutschland gerüttelt. Sollte der vom Militär geführte Corona-Krisenstab somit etwa lediglich ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Jahre sein?
Eine Sorge, die offenbar auch die Deutsche Polizeigewerkschaft teilt. Auf ihrer Webseite weist sie deshalb darauf hin, dass es in Deutschland "keine Militarisierung der Inneren Sicherheit" geben dürfe: "Innere und äußere Sicherheit sind unter spezifischen Anforderungen auf unterschiedliche Art und Weise durch die jeweils dazu berufenen – und entsprechend ausgebildeten sowie ausgerüsteten – Kräfte zu gewährleisten." Laut der Gewerkschaft müsse auch weiterhin der Grundsatz gelten: "Bundeswehr für die äußere Sicherheit, Polizei für die innere Sicherheit."
Die "katastrophische Ausnahmesituation" dürfe von der Politik nicht fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt werden, mahnt die Gewerkschaft. "Es bleibt zu hoffen, dass das endlich auch diejenigen Politiker verstehen, die die Polizei immer weiter reduzieren wollen, um dann Soldaten als Reservepolizei einzusetzen." Durch die derzeitige Politik werde die "katastrophische Ausnahmesituation" – die Voraussetzung für den Einsatz der Bundeswehr im Innern ist – aber erst herbeigeführt und die Grenze des Zulässigen zugleich überschritten, heißt es in der Erklärung abschließend.
Seit einiger Zeit stellt die deutsche Militärdoktrin bereits Inlandseinsätze in Aussicht – "im Rahmen der geltenden Gesetze", die die Regierungsparteien hin und wieder allerdings ausweiten wollen. Bis dahin agieren Innen- und Verteidigungsminister am Rand der Verfassungsmäßigkeit, wie der Corona-Krisenstab zeigte. Doch wozu soll die Bundeswehr vermehrt im Inland eingesetzt werden? Bangen die Herrschenden tatsächlich um ihre Macht? Die Frage ist müßig. Als 1968 die Notstandsgesetze eingeführt worden waren, hatte die Politik ständig von möglichen Aufständen und Revolutionen gesprochen. Zwar hatten sie bereits damals zugegeben, dass es keinerlei Anzeichen dafür gebe, aber man könne ja nie wissen und müsse stets vorbereitet sein. Auch heute ist eine Revolution nicht in Sicht. Dennoch warnen der deutsche Staatsapparat und Politiker wie Baerbock geradezu gebetsmühlenartig, dass eine drohe.
Die größte Gefahr für die Demokratie geht heute jedoch weniger von den in Deutschland lebenden Menschen, sondern vielmehr von den Regierungspolitikern selbst aus, die bei jeder Gelegenheit zentrale Grundrechte in Frage stellen und sich dabei unter anderem auf das neu gegründete territoriale Führungskommando der Bundeswehr stützen können, das die Befehle der Politik völlig kritiklos ausführen wird. Mit dieser weiteren Zentralisierung und Koordinierung der Bundeswehreinsätze im Innern werden die sonst so gepriesenen Lehren aus dem deutschen Faschismus immer offener angegriffen und die Polizei zugleich ihrer Daseinsberechtigung beraubt. Eigentlich war der Bundeswehr als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg der Einsatz innerhalb der deutschen Grenzen verboten worden.
Doch über die letzten Jahrzehnte wurde dies immer weiter aufgeweicht, sodass mit dem Territorialen Führungskommando nun eine Institution geschaffen wurde, die im Krisenfall zur Schaltzentrale der militärischen Gewalt im Innern und in Zukunft voraussichtlich dauerhaft anstelle der Polizei im Einsatz sein wird. So hatte die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2005 – kurz vor ihrem Amtsantritt – bereits deutlich gemacht: "Die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen zunehmend. Internationale Einsätze unter Beteiligung Deutschlands und Heimatschutz sowie Einsatz der Bundeswehr im Innern sind deshalb zwei Seiten ein und derselben Medaille."
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