"Es wäre eine Katastrophe": Letztem Solarglashersteller in Europa droht bei Gas-Stopp das Aus
Das Gas sei "von nun an ein knappes Gut in Deutschland", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vergangene Woche, als er die Alarmstufe im "Notfallplan Gas" ausrief. Derzeit sei zwar die Versorgungssicherheit gewährleistet, doch der Grünen-Politiker mahnte Firmen und Verbraucher, Gas zu sparen. Die Bundesnetzagentur beschwichtigte ebenfalls. Sie schob aber gleich hinterher, dass die Lage angespannt sei und "eine Verschlechterung der Situation nicht ausgeschlossen" werden könne.
Was das in der Praxis konkret bedeuten könnte, erklärten Vertreter der Firma Glasmanufaktur Brandenburg (GMB) aus Tschernitz im Landkreis Spree-Neiße gegenüber rbb. Das Unternehmen, das nahe der Grenze zu Polen angesiedelt ist, stellt Solarglas her, das in Sonnenkollektoren verwendet wird. Die Vorzeigetechnologie ist ein wichtiger Bestandteil der von der Bundesregierung angestrebten Energiewende.
Doch für die Produktion der glänzenden Glasrechtecke benötigt das Unternehmen enorme Energiemengen. Für die Schmelzöfen der Firma, in denen auf über 1.600 Grad Celsius etwa Dolomit erhitzt wird, um Glas herzustellen, ist Gas unverzichtbar. Die Glasmanufaktur Brandenburg verbraucht demnach Mengen davon mit einem Energiegehalt von 420.000 Kilowattstunden täglich.
Schon jetzt belasten die enorm gestiegenen Preise diese Firma, weil dadurch die Herstellungskosten in die Höhe schießen. Das brandenburgische Unternehmen konnte bislang dank dem günstigen Gas aus Russland mit den Herstellern aus China – derzeit Weltmarktführer auf diesem Sektor – noch konkurrieren.
Doch noch mehr Sorgen macht Geschäftsführer Nico Succolowsky der mögliche Gas-Stopp. Gegenüber dem rbb erklärte er, man habe ihm aus der Bundesnetzagentur zwar zunächst gesagt, dass "der Gashahn nicht zugedreht" werde. Zugleich habe man die Firma aber darauf hingewiesen, darauf vorbereitet zu sein, "die Schmelzwanne im Ernstfall innerhalb von 30 Tagen herunterzufahren". Doch laut Produktionsleiter Karsten Zeisig "wäre dies eine Katastrophe". Dem Sender gegenüber schilderte er das Problem: "Ist die Wanne kalt, dauert es 18 Monate, sie wieder anzufahren."
In einem solchen Fall gäbe es nicht nur Schäden an den Materialien in den Öfen, sondern auch die Arbeitsplätze wären bedroht. Laut Vertretern der Firma würde es in Tschernitz um 300 Jobs gehen. Auf andere fossile Brennstoffe wie Kohle kann das Unternehmen demnach in dieser Technologie nicht zurückgreifen. Zudem wäre nicht nur die lokale Wirtschaft geschwächt, sondern das Aus hätte enorme Folgen auch für ihre Partner in ganz Europa.
Den Angaben der Firma zufolge sei sie der letzte Solarglashersteller auf dem Kontinent. Ein Aus in Brandenburg würde demnach auch die gesamte Branche und Modulhersteller treffen. Produktionsleiter Zeisig erklärte:
"Wir reißen die ganze Solarindustrie mit. Es gibt keinen Lieferanten mehr von Solarglas. Mittlerweile sind wir der einzige Solarglasproduzent in ganz Europa."
Ohne die Firma sei die Energiewende in Deutschland "nicht zu schaffen", ergänzte Zeisig.
Erst jüngst ergab eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass bei einem Stopp russischer Gaslieferungen rund zwei Drittel der energieintensiven Betriebe in Deutschland, die Erdgas brauchen, deutliche Produktionseinschränkungen bis hin zu einem Stopp erwarteten.
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