Deutschland

Habeck hat Rat: Nicht stinken, aber kürzer duschen

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) will die Menschen im Land zum Energiesparen motivieren. Die Bürger sollen mit einer neuen Kampagne an Energiesparregeln erinnert werden, die wohl kaum jemandem unbekannt sein dürften. An Kritik für die "Duschkopf-Tipps" mangelt es nicht.
Habeck hat Rat: Nicht stinken, aber kürzer duschenQuelle: www.globallookpress.com © imago-images/ Global Look Press

Unternehmen sowie zahlreiche Haushalte in Deutschland ächzen unter den extrem gestiegenen Preisen in fast allen Bereichen, insbesondere bei der Energie. Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, hat Rat und eine schicke neue Kampagne. Im Internet, in sozialen Netzwerken und sogar mit Anzeigen in Bahnhöfen soll den Menschen nun das Energiesparen nahegelegt werden. Der Grünen-Politiker warb bei der Vorstellung seiner neuen Kampagne am Freitag in Berlin für eine "große gemeinsame Kraftanstrengung" und appellierte:

"Wir müssen alle versuchen, unseren Beitrag zu leisten." Die Kampagne steht unter dem Motto "80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel", was sich auf die Einwohnerzahl Deutschlands bezieht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten hierzulande zuletzt 83,2 Millionen Menschen.

Habeck begründete seinen Vorstoß mit dem Klimaschutz und den in Folge des Krieges in der Ukraine gestiegenen Energiepreisen. Ganz nebenbei könnten Verbraucher Geld sparen: "Nicht nur Putin eins auswischen, sondern selber auch ein bisschen was einsparen." Die Kampagne solle eigentlich nicht mit einem belehrenden Zeigefinger daherkommen, auch von der Verspottung der Deutschen war nicht die Rede. Die Preise für fossile Energie seien derzeit enorm hoch, erklärte Habeck.

"Gerade im Herbst werden viele Menschen deutlich höhere Heizrechnungen bekommen als sonst. Allein schon deshalb ist Energiesparen dringend notwendig, und ich weiß, dass viele schon schauen, wo sie etwas einsparen können, gerade, wenn sie ohnehin auf jeden Cent achten müssen." 

Die Tipps und Hinweise des Grünen-Politikers sollen dies, obwohl sie jedem Frauenmagazinleser bekannt sein dürften, dank der Kampagne so leicht wie möglich machen. "Regelmäßig das Eisfach abtauen, Duschkopf wechseln oder in Büros die Beleuchtung auf LED umstellen – das senkt den Verbrauch. Und wenn viele das machen, bringt das in der Summe wirklich was." Wo bei der Erwärmung von Wasser Gas zum Einsatz komme, sei dies der zweithöchste Posten beim Energieverbrauch.

"Nicht, dass man stinken soll oder weniger duschen, aber vielleicht dran denken, dass das Duschen, die Warmwassergewinnung, auch nicht energiefrei erfolgt."

Habeck erklärte, auch in seinem eigenen Ministerium werde bereits verstärkt Energie gespart. Dass nun aber etwa weniger Zweitwohnsitze betrieben oder an Dienstfahrten gespart würde – davon ist nicht die Rede. Sondern von Lampen, die nun – wie wohl seit langem in den meisten Privathaushalten – nicht mehr unnötig brennen sollen. "Ich habe mich, als ich Minister wurde, total gefreut, dass es so ein schönes altes Haus ist, schön beleuchtet. Das haben wir abgestellt." Dass die von der Bundesregierung für drei Monate gesenkte Mineralölsteuer, die das Tanken billiger machen soll, kein Beitrag zum Energiesparen ist, gab der Minister zu. "Ja, das ist ein gewisser Widerspruch, aber manchmal ist Politik eben auch nicht aus einem Guss."

Die Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Jutta Gurkmann, gab zu bedenken: "Die Abhängigkeit von fossilen Energien können wir nicht mit individuellen Kaufentscheidungen, Konsumentscheidungen lösen." Auch die Rahmenbedingungen müssten stimmen. "Wir lassen aber auch enormes Energiesparpotenzial auf der Straße liegen, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin mit dem Verbrennungsmotor zur Arbeit fahren müssen, weil der Bus auf dem Land eben nur zwei Mal am Tag vorbeifährt." In einem Land von Mietern ist es allerdings für den Großteil der Bevölkerung schwierig, beispielsweise etwas an der Effizienz von Gebäuden zu ändern. Die Rechnung zahlen sie dennoch.

Der stellvertretende Präsident des Deutschen Städtetags, Ulf Kämpfer (SPD), erinnerte daran, dass arme Menschen mit Energiearmut kämpfen. Das wisse er als Oberbürgermeister des nicht eben reichen Kiels. Ein Problem sei aber auch die "Immer-mehr-Mentalität" mit mehr und größeren Autos, größeren Fernsehern, Kühlschränken und Wohnungen. Dies habe die Energieeffizienzgewinne der letzten Jahrzehnte wieder aufgefressen. Es brauche einen langfristigen Mentalitätswandel. Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring plädierte für langsameres Autofahren: "Es ist unglaublich, wie viel weniger Benzin verbraucht wird, wenn man 100, 110, 120 fährt, als wenn man 160, 170 fährt."

Für die Kampagne selbst, die drei Jahre laufen soll, sind in einem ersten Schritt vier Millionen Euro vorgesehen. Weitere Mittel sollen folgen, wenn der nächste Bundeshaushalt beschlossen ist. Neben Verbrauchern sind auch Unternehmen und Betriebe Adressaten der Kampagne. Bei Friseuren etwa ließe sich bei der Dauer der Zeit, die der Wasserhahn aufgedreht ist, sparen oder mit dem Einsatz dünnerer Handtücher, die beim späteren Waschen weniger Energie benötigen, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer.

Der Appell zum Energiesparen wird unterstützt von einer Reihe von Organisationen, darunter Kommunalverbänden, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, Umwelt- und Verbraucherschützern. Die neue Kampagne stößt aber auch auf Kritik in der Zivilgesellschaft. Ärmere Menschen hätten kaum Möglichkeiten, Energie zu sparen, gab die Präsidentin des Sozialverbands Deutschland, Verena Bentele, zu bedenken." Gerade Menschen im Sozialleistungsbezug leben oft in schlecht isolierten Wohnungen mit alten Haushaltsgeräten, die viel Strom verbrauchen."

Auch Umweltverbände warfen Habeck einen falschen Fokus vor. "Die Energiespar-Kampagne von Robert Habeck ist eine Nebelkerze: Anstatt dass er selbst tätig wird, verschiebt er die Verantwortung vor allem auf die Verbraucherinnen und Verbraucher und gibt Duschkopf-Tipps", beklagte die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz. Richtig sparen ließe sich hingegen durch die Sanierung von Gebäuden und dafür brauche es mehr staatliche Vorgaben und Förderung. Viviane Raddatz vom WWF unterstützte den Vorstoß zwar grundsätzlich, erklärte aber ebenfalls, die Ausrichtung der Kampagne auf Privathaushalte und das Gewerbe greife zu kurz. "Notwendig sind insbesondere verbindliche Einsparungen im Industriesektor", so Raddatz. "Im Verkehrssektor wäre unter anderem ein Tempolimit sinnvoll."

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(rt/dpa)

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