Telegram soll Nutzerdaten an Behörden weitergegeben haben
Betreiber der Messenger-App Telegram sollen in mehreren Fällen Nutzerdaten an das Bundeskriminalamt (BKA) herausgegeben haben, wie Der Spiegel berichtet. Dabei soll es sich um besonders schwerwiegende Straftaten gehandelt haben.
Telegram wirbt damit, dass die Plattform Nutzerdaten nicht an Dritte weitergibt, "einschließlich alle Regierungen." Auf Kanälen und in Chatgruppen des 2013 gegründeten Dienstes Telegram sind die unterschiedlichsten Themen und Inhalte zu finden, von Nähplauderecken über proukrainischen Kriegstreiber, offizielle diplomatische Konten oder auch Medien-Kanäle bis hin zu Dschihadisten-Gruppen. Der Dienst ermöglicht die Kommunikation über Textnachrichten, Fotos, Videos oder Dokumente bis hin zur und Sprach- und Videotelefonie. Wohl auch aufgrund seiner Plattformpolitik, die Inhalte anders als andere Dienste nicht zu zensieren, hat Telegram in der letzten Zeit großen Zulauf erfahren und zählte so im Januar 2021 rund 500 Millionen aktive Nutzer weltweit.
Obwohl bereits Inhalte zu finden waren, die von deutschen Sicherheitsbehörden als Hetze, Mordaufrufe gegen Politiker oder als schwerwiegende terroristische Bedrohungen eingestuft wurden, wie etwa die Vorbereitungen schwerer staatsgefährdender Gewalttaten sowie Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz, löscht der Dienst solche Inhalte nicht immer.
Während andere Plattformen gemäß Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) über ihre Arbeit Rechenschaft ablegen und gegen rechtswidrige Inhalten vorgehen müssen, war dies bei der ursprünglich als Messenger gegründeten Plattform Telegram lange nicht der Fall. Das NetzDG sollte dabei helfen, Hasskriminalität zu bekämpfen. Allerdings führte es auch zu mitunter unsinnigen Sperrungen.
Im April wurde bekannt, dass Mitglieder mehrerer Telegram-Chatgruppen schwere Anschläge geplant haben sollen. Extremisten hätten laut Ermittlungsergebnissen zunächst mit einer "Aktion Blackout" Anschläge auf Stromleitungen und Umspannwerke ausführen und damit die Stromversorgung zusammenbrechen lassen wollen. Danach sollte bei der "Aktion Klabautermann" angeblich Gesundheitsminister Lauterbach entführt werden. In einem dritten Schritt sei dann die Übernahme der Regierung angestrebt worden. Die gewaltsamen "Umsturzfantasien" zeigten eine neue Qualität der Bedrohung, der man sich laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser "mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz entgegen" stellen werde.
Bisher hatten deutsche Ermittler und Sicherheitsbehörden beklagt, dass es bei jeglichen Verstößen schwierig sei, von Telegram Auskünfte zu erlangen. Dies hat sich wohl geändert. Seit Februar bemüht sich das Bundesinnenministerium sogar in direkten Gesprächen mit den Telegram-Betreibern darum, dass strafbare Inhalte gesperrt werden, meldet Der Spiegel in seinem Bericht. Demnach habe der Telegram-Gründer Pawel Durow die Bedeutung des deutschen Marktes hervorgehoben und signalisiert, die Bedenken und Forderungen der Bundesbehörden ernst zu nehmen.
Laut Spiegel haben seither zwei weitere Treffen zwischen Vertretern des Unternehmens und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat stattgefunden, einmal auch mit Vertretern des Bundesministeriums der Justiz. Telegram habe demnach eine E-Mail-Adresse speziell für das BKA eingerichtet, die Ermittler nutzen können, wenn sie in Ermittlungsverfahren auf strafbare Inhalte stoßen, die Telegram sperren solle.
Das BKA habe demzufolge mittlerweile bisher mehr als hundert deutsche Kanäle und Gruppen an Telegram gemeldet, die fast alle aus Deutschland nicht mehr erreichbar sein sollen – was die Behörden als Erfolg werten. Kritiker wie beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie gGmbH (CeMAS) machen weiterhin eine Vielzahl von Kanälen aus, in denen sich Fakes, Hetzer und Extremisten ungestört tummeln könnten. Doch ist der Großteil der Aktivität auf Telegram wohl weiterhin legaler Natur, auch das BKA selbst betreibt dort einen eigenen Kanal.
Der Spiegel will über Informationen verfügen, wonach es sich bei den an das BKA gegebenen Informationen um Nutzerdaten Verdächtiger aus den Bereichen Kindesmissbrauch und Terrorismus gehandelt haben soll. Bei anderen, weniger schwerwiegenden Straftaten sei es weiterhin schwierig, Informationen von Telegram zu bekommen, heißt es laut Spiegel in Sicherheitskreisen. Nach Ansicht des Bundesministers der Justiz Marco Buschmann (FDP) sei Telegram – wie alle anderen Plattformen auch – verpflichtet, Beschwerdesysteme für Meldungen strafbarer Inhalte durch Nutzer einzurichten. Deswegen und wegen anderer Vorwürfe würden Bußgeldverfahren des Bundesamts für Justiz laufen, durch die Strafzahlungen in Höhe von bis zu 55 Millionen Euro fällig werden könnten.
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