Deutschland

"Ein fatales Ergebnis" – Kritik am "Entlastungspaket" der Koalition

Die Energiepreise steigen unaufhörlich. Die Regierung will gegensteuern. Unter anderem soll die Pendlerpauschale noch in dieser Legislatur überarbeitet werden. Die Abschaffung der EEG-Umlage werde auf den 1. Juli vorgezogen. Doch die Maßnahmen stoßen auf scharfe Kritik.
"Ein fatales Ergebnis" – Kritik am "Entlastungspaket" der KoalitionQuelle: AFP © John MacDougallAFP/Pool

Die Koalition hat angesichts gestiegener Energiepreise ein milliardenschweres Entlastungspaket beschlossen. Das teilten SPD, Grüne und FDP nach Beratungen der Parteispitzen am Mittwoch in Berlin mit.

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sprach von Milliardenbeträgen. "Wir lassen die Menschen nicht allein in der gegenwärtigen Situation", sagte er. Allein die auf den 1. Juli vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage habe eine Größenordnung von etwa 6,6 Milliarden Euro.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, man müsse jetzt kurzfristig und zielgerichtet die Menschen entlasten. Man habe sich auf zehn Schritte geeinigt:

"Das ist ein starkes Paket, mit dem wir für die ganze Gesellschaft ein Angebot haben, und ich glaube gerade in schwierigen Zeiten eine Form von Sicherheitsanker bieten für die Menschen in diesem Land."

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken betonte: "Es ist uns wichtig, dass das Leben in seinen Grundbedürfnissen eben auch bezahlbar bleibt." Esken und Lindner zeigten sich zuversichtlich, dass es für die Pläne Unterstützung aus den Ländern geben werde. Dies ist etwa bei der geplanten Anhebung der Pendlerpauschale nötig.

Ein Kernpunkt des Pakets: Verbraucher in Deutschland sollen bereits ab Juli keine EEG-Umlage über die Stromrechnung mehr zahlen. Bisher war dies für Anfang 2023 geplant. Die Koalition verbinde damit die Erwartung, dass die Stromanbieter die sich daraus ergebende Entlastung der Endverbraucher in vollem Umfang weitergeben, wie es in einem Papier hieß.

Einmaliger Zuschuss von 100 Euro

Wegen der anhaltend hohen Spritpreise will die Ampelkoalition die Pendlerpauschale in der Steuererklärung anheben. Die am 1. Januar 2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler soll vorgezogen und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 38 Cent betragen. Vor allem die Grünen waren hier zuvor skeptisch. Vereinbart wurde nun, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Pendlerpauschale angestrebt werde, die "ökologisch-soziale Belange" der Mobilität besser berücksichtigen solle.

FDP-Chef Lindner sagte:

"Die Pendlerpauschale ist ja entgegen der landläufigen Meinung nicht eine Subvention für das Autofahren, sondern sie ist entfernungsabhängig aber verkehrsträgerunabhängig."

Von Armut betroffene Kinder sollen wegen der hohen Energiepreise einen Sofortzuschlag von 20 Euro pro Monat ab dem 1. Juli erhalten. Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe sollen einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro bekommen. Außerdem soll es steuerliche Erleichterungen geben. Um Arbeitnehmer zu unterstützen, soll der Arbeitnehmerpauschalbetrag bei der Einkommensteuer um 200 Euro auf 1.200 Euro erhöht werden, rückwirkend ab dem 1. Januar 2022.

Die Koalition erwähnt in ihrem Papier auch Maßnahmen, die bereits geplant sind, wie den vom Kabinett beschlossenen einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldbeziehende, Studierende, Schüler sowie Auszubildende mit unterstützenden Leistungen. Dieser solle zügig vom Bundestag verabschiedet werden.

Das Entlastungspaket der Bundesregierung stößt jedoch auch auf Kritik. Der Paritätische Wohlfahrtsverband bemängelte, es sei sozial ungerecht. Ähnlich äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Auch die Opposition im Bundestag sprach von unzureichenden Maßnahmen.

Paritätischer Wohlfahrtsverband übt scharfe Kritik

CDU und CSU bezeichneten die Beschlüsse als ungenügend. Der Energieexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Jung (CDU), sagte:

"Auch nach dem Beschluss der Koalition verdient der Staat über Steuern und Zertifikate mehr an den sprunghaft gestiegenen Energiepreisen, als die Ampel jetzt zur Entlastung zurückgeben will."

Und er ergänzte:

"Um Bürgerinnen, Bürger und Betriebe wirksam zu entlasten, müssen deshalb weitere Abgaben reduziert werden: Stromsteuer, Netzentgelte und die Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme."

Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Abschaffung der EEG-Umlage sei ein zu kleiner Baustein, kritisierte er. Der Bund müsse an die Steuern. Bei der Pendlerpauschale bleibe nach den Ampel-Beschlüssen nur eine Mini-Entlastung für Fernpendler. CSU-Finanzexperte Sebastian Brehm sagte:

"Rot-Grün-Gelb lässt die Menschen im Regen stehen, die unser Land mit ihrer Arbeit am Laufen halten und so dafür sorgen, dass Geld in die Staatskasse kommt."

"Das ist ein fatales Ergebnis", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa):

"Statt zielgenauer Unterstützung für die, die es wirklich brauchen, wird das Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet. Profitieren tun die Haushalte mit dem größten Portemonnaie und dem höchsten Stromverbrauch. Hartz-IV-Beziehende bleiben mit einer völlig unzureichenden Zahlung von einmalig 100 Euro wieder mal auf der Strecke."

Das Ergebnis des Koalitionsausschusses sei weder ökologisch zielführend noch haushaltspolitisch vernünftig und erst recht nicht sozial. Linke-Vorstandsmitglied Maximilian Becker nannte das Entlastungspaket "ein sozial- und klimapolitisches Armutszeugnis". Es werde die besonders betroffenen Menschen nicht von den gestiegenen Energiepreisen entlasten:

"Denn während arme Menschen einen Einmalzuschuss von gerade einmal 100 Euro bekommen, können sich Gutverdiener durch die Erhöhung der Pendlerpauschale über einige hundert Euro mehr im Geldbeutel freuen. Die Managerin wird vom Entlastungspaket der Ampel stärker profitieren als die pendelnde Krankenschwester."

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), in dem unter anderem kommunale Energieversorger Mitglied sind, reagierte überwiegend positiv. Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage sei vollkommen richtig, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. "Natürlich werden die Stadtwerke den Wegfall der EEG-Umlage weitergeben und bei nun anstehenden neuen Preiskalkulationen vollumfänglich umsetzen", versicherte er. Richtig sei auch, dass die Koalition in Form des Heizkostenzuschusses Unterstützung vor allem für Haushalte mit niedrigem Einkommen beschlossen habe. Weitere Maßnahmen wie die Senkung der Stromsteuer seien jedoch nötig.

Die Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann nannte die Erhöhung der Pendlerpauschale "das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit". Davon profitierten in der Regel am meisten Menschen aus der Vorstadt oder dem Umland, die lange Arbeitswege zu überdurchschnittlich bezahlten Jobs zurücklegten. Um Haushalten mit niedrigen Einkommen zu helfen, "sollte die Bundesregierung stattdessen ausschließlich die Pauschale für Werbungskosten erhöhen".

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(rt de/dpa)

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