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Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag gegen Impfpflicht in der Pflege ab

Mit dem heute veröffentlichten Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, über den die Beschwerdeführer erreichen wollten, die festgelegte "einrichtungsbezogene Impfpflicht" vorläufig auszusetzen.
Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag gegen Impfpflicht in der Pflege abQuelle: www.globallookpress.com © via www.imago-images.de

Der juristische Sachverhalt stellte sich laut offiziellen Angaben des Bundesverfassungsgerichts bis zum heutigen Beschluss folgendermaßen dar:

"Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG müssen die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätigen Personen ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein. Bis zum Ablauf des 15. März 2022 haben sie daher der Leitung der Einrichtung oder des Unternehmens einen Impf- oder Genesenennachweis oder aber ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen."  

Die nun behandelte Verfassungsbeschwerde gegen die Impfpflicht in bestimmten Bereichen formulierte "Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik einer doppelten dynamischen Verweisung, da die Vorschrift auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweist, die ihrerseits wiederum auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist", die jedoch zumindest seitens des Verfassungsgerichts unter dem Punkt: "Wesentliche Erwägungen des Senats" bestätigt wurden.

"Mit ihrem mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren sie im Wesentlichen, den Vollzug des § 20a IfSG vorläufig auszusetzen", so die Darlegung in der nun vorliegenden Pressemitteilung Nr. 12/2022 vom 11. Februar 2022. Durch das verkündete Urteil kann die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal nun aus juristischer Sicht weiterhin wie geplant ab Mitte März rechtskräftig umgesetzt werden, ausgehend von gesetzlich niedergelegten individuellen Entscheidungsmöglichkeiten der jeweiligen Bundesländer. Die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit bleibt dem eigentlichen Verfahren in der Hauptsache vorbehalten, so die gängige Formulierung in dieser Pressemitteilung. Das Bundesgesundheitsministerium twitterte:

Die Probleme, die aus diesem Urteil weiterhin bestehen bleiben, resultieren vor allem aus ungenauen Details und Definitionen des beschlossenen Gesetzes, vor allem in Bezug auf die Verantwortlichkeiten und ausführenden Zuständigkeitsbereiche. Die Kurzerläuterung des Beschlusses lautet:

"Die deshalb gebotene Folgenabwägung rechtfertigt den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht. Die hier den Beschwerdeführenden drohenden Nachteile überwiegen in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere nicht diejenigen Nachteile, die bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung der angegriffenen Regelung für vulnerable Menschen zu besorgen wären." 

Zur Begründung des Senats heißt es einleitend in der Pressemitteilung: "Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg." Das Verfassungsgericht erklärt, dass beim Versuch einer Klage zur Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes mittels einer Verfassungsbeschwerde  ein dementsprechendes Urteil entsprechende Wirkung erzielen würde und daher besonders "hohe Hürden" gelten. Aus Sicht des Gerichts seien diese von unbedingter Notwendigkeit,

"weil dies einen erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt. Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie, wenn beantragt ist, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, darüber hinaus ganz besonderes Gewicht haben."

Unter Berücksichtigung aller Gründe ergebe sich der nun mitgeteilte Beschluss: "Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg." Jedoch ist an sich "die Verfassungsbeschwerde … nicht offensichtlich unbegründet", so die Formulierung der Mitteilung. Zu bedenken seien daher aus Sicht der urteilenden Richter folgende Punkte:

"Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet. Sollte dies der Fall sein, bedarf es weiterer Aufklärung, ob und inwieweit ein tragfähiger Sachgrund auch dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird."

Zudem würden berechtigte Gründe für einen "Erlass einer einstweiligen Anordnung" existieren, die seitens des Verfassungsgerichts im Rahmen dieser Pressemitteilung auch im Rahmen einer Pro und Contra Darlegung erläutert wurden. Das Gericht stellt fest: "Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, sind die Nachteile, die sich aus der Anwendung der angegriffenen Regelungen ergeben, von besonderem Gewicht ...":

"... Kommen Betroffene der ihnen in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG auferlegten Nachweispflicht nach und willigen in eine Impfung ein, löst dies körperliche Reaktionen aus und kann ihr körperliches Wohlbefinden jedenfalls vorübergehend beeinträchtigen. Im Einzelfall können auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten, die im extremen Ausnahmefall auch tödlich sein können. Eine erfolgte Impfung ist auch im Falle eines Erfolgs der Verfassungsbeschwerde irreversibel."

Das Bundesverfassungsgericht betont jedoch, dass das Gesetz von den Betroffenen gar nicht unausweichlich abverlangen würde, sich impfen zu lassen:

"Für jene, die eine Impfung vermeiden wollen, kann dies zwar vorübergehend mit einem Wechsel der bislang ausgeübten Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar mit der Aufgabe des Berufs verbunden sein. Dass die in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde möglicherweise eintretenden beruflichen Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind oder sonst sehr schwer wiegen, haben die Beschwerdeführenden jedoch nicht dargelegt; dies ist auch sonst – jedenfalls für den genannten Zeitraum – nicht ersichtlich."

Wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen könnten, wären "grundsätzlich nicht geeignet", die Aussetzung der Anwendung von Normen zu begründen, so die Darlegung des Gerichts. Demgegenüber und ausschlaggebend für den Urteilsspruch seien "die Nachteile, die sich aus der Nichtanwendung der angegriffenen Regelungen" ergeben würden:

"Würde die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht nun vorläufig außer Vollzug gesetzt, ginge dies aber mit einer geringeren Impfquote in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen und damit einer erhöhten Gefahr einher, dass sich die dort Tätigen infizieren und sie dann das Virus auf vulnerable Personen übertragen. In der Folge müsste damit gerechnet werden, dass sich auch in der begrenzten Zeit bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde mehr Menschen, die den vulnerablen Gruppen zuzurechnen sind, irreversibel mit dem Virus infizieren, schwer an COVID-19 erkranken oder gar versterben, als wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen würde."

Vor diesem Hintergrund überwiegen aus Sicht des Verfassungsgerichts letztlich die Nachteile, mit denen bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung der beklagten Regelung für den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen wäre. Die abschließende Begründung lautet:

"Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber. Bei der Folgenabwägung der jeweils zu erwartenden Nachteile muss daher das Interesse der Beschwerdeführenden zurücktreten, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde weiterhin ungeimpft in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen tätig sein zu können."

Der Gesundheitsexperte Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts laut der Nachrichtenagentur dpa als wichtigen Schritt für die eine Corona-Impfpflicht in sensiblen Einrichtungen begrüßt. Das "parteipolitische Hickhack der Union habe der Akzeptanz der Impfpflicht in den letzten Tagen schwer geschadet", so Dahmen gegenüber der dpa.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Thorsten Frei stellte vor der Urteilsverkündung am Morgen im ntv-Frühstart unmissverständlich klar, dass sich die Unionsparteien "an Recht und Gesetz halten" und sich daher nicht weigern werden, das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht umzusetzen. Frei betonte bei n-tv :

"Es geht nicht darum, dass ein Bundesgesetz nicht ausgeführt werden soll, da . Da haben wir ganz klare verfassungsrechtliche Vorgaben, und das wird dann jedes Land und jede Behörde, die dafür verantwortlich ist, auch tun."

FDP-Fraktionschef Christian Dürr äußerte sich ebenfalls am Freitagmorgen im ZDF-Morgenmagazin dahingehend, dass seiner Meinung nach der Zeitplan für Entscheidungen über eine allgemeine Impfpflicht nicht geändert werden müsse: "Wir werden den Zeitplan einhalten, also am Ende dieses ersten Quartals eine Entscheidung treffen", so Dürr im ZDF. 

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