Die im Bundeswahlgesetz vorgesehene Regelgröße bestimmt eine Anzahl von 598 Abgeordneten als Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB). Der aktuelle Bundestag hat jedoch 736 Abgeordnete und damit sogar wiederum 27 mehr als der vorherige in der 19. Legislaturperiode. Diese künstliche, aber gesetzlich abgesegnete Vergrößerung des deutschen Parlaments bringt das Problem mit sich, dass dementsprechend viele Stellen für Mitarbeiter der Abgeordneten benötigt werden. Nun verkündete die neue "Ampel"-Koalition laut Informationen des Handelsblattes Pläne, auch den Regierungsapparat erheblich zu erweitern:
"Mit dem an diesem Mittwoch debattierten Nachtragshaushalt bekommt die Ampel-Regierung nochmals bis zu 500 Stellen, im Dezember hatte sie schon fast 200 neue geschaffen. Auch wächst die Zahl der parlamentarischen Staatssekretäre von 34 auf 37, die der verbeamteten von 31 auf 37."
In der Regierungsvorlage aus dem Dezember 2021 heißt es, dass diese Stellen "zwingend erforderlich" seien, um die "Arbeitsfähigkeit der neuen Bundesregierung sicherzustellen". Mit dem Koalitionsvertrag seien zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte und veränderte Arbeitsstrukturen vereinbart worden, so informierte das Handelsblatt Ende letzten Jahres. Begründet wird der "Zuwachs", mit neuen Aufgaben, wie der Klimaschutzpolitik, andererseits "auch mit dem erstmaligen Antritt dreier autarker Regierungsparteien" in einer besonders großen Koalition. Bis dato war nur bekannt, wofür die zuerst beantragten knapp zweihundert Stellen vorgesehen sind. Die meisten Stellen sind für das aus dem Innenministerium ausgegliederte neue Bauministerium geplant (95 Stellen). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erhält 28 neue Stellen. Bundeskanzler Olaf Scholz will das Bundeskanzleramt mit 21 neuen Stellen ausbauen. Elf neue Stellen erhält Karl Lauterbach für sein Bundesministerium für Gesundheit. Eine jetzt noch vollkommen neu geschaffene Position betrifft eine derzeit kontrovers diskutierte künftige Anstellung als Parlamentspoet:
Ein Grund für das aktuell rein zahlenmäßig größte Parlament in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland findet sich im deutschen Wahlrecht, nämlich bei den sogenannten Überhangmandaten. Das Handelsblatt erläuterte im September 2021 die Sondersituation für die nun beginnende Legislaturperiode so: "Eigentlich sind 598 Sitze vorgesehen. Doch der Bundestag hat aktuell 709 Mitglieder – und wird künftig 735 Sitze haben. Möglich machen es das personalisierte Verhältniswahlrecht und Überhangmandate. Das bedeutet, dass die Wahlergebnisse der Parteien möglichst im gleichen Verhältnis in Parlamentsmandate umgewandelt werden. Überhangmandate entstehen dann, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitze gemäß dem Zweitstimmenanteil zustehen (...)
Damit aber das Verhältnis zu den anderen Parteien gewahrt bleibt, bekommen diese entsprechend Ausgleichsmandate. Die Gesamtzahl wird so lange vergrößert, bis jede Partei genau den Anteil an Sitzen hat, der ihren Anteil an Zweitstimmen widerspiegelt. Das führt dazu, dass der Bundestag immer weiter wächst."
Der Bayerische Rundfunk erläuterte in einem Beitrag von BR24 den Status quo am Beispiel der CSU: "Weil aber jede Partei alle ihre siegreichen Direktkandidaten und -kandidatinnen ins Parlament bringt, können sogenannte Überhangmandate entstehen. Nämlich dann, wenn ihr Zweitstimmenanteil eigentlich nicht dafür ausreicht – wie jetzt bei der CSU: Sie holte in Bayern 45 Direktmandate. Ihr bundesweiter Anteil von 5,2 Prozent der Zweitstimmen hätte aber nur für 34 Abgeordnete gereicht. Das heißt, die Partei hat elf Überhangmandate gewonnen."
Schon im Jahre 2020 informierte die damalige Bundesregierung, dass aufgrund der stetig wachsende Zahl von Mitarbeitern – in damaligen Falle für das Bundeskanzleramt – geplant sei, einen Anbau zu genehmigen: "Mehr Platz für mehr Beschäftigte. Im Bundeskanzleramt herrscht akuter Büromangel. Damit alle Beschäftigten wieder an einem Standort arbeiten können, soll ein Erweiterungsbau entstehen." Die Kosten für den jetzt schon größten Regierungssitz der Welt wurden mit 600 Millionen Euro veranschlagt.
Wofür die nun bis zu 500 neuen zusätzlichen Stellen für weitere Mitarbeiter der Regierungskoalition benötigt werden, wurde bislang noch nicht bekannt gegeben. "Der Stellenzuwachs ist nicht primär sachlich begründet, sondern einfach Folge der seit 2015 guten Haushaltslage", meinte der Verwaltungsexperte René Geißler von der TH Wildau gegenüber dem Handelsblatt. Der Spiegel informierte, dass die neuen Stellen demnach "in finanziell gleichwertigem Umfang" an anderer Stelle eingespart werden würden oder sollten, und zwar "im Auswärtigen Amt, dem Innenministerium, dem Finanzministerium und dem Verteidigungsministerium." Zudem soll laut dem Handelsblatt bekannt sein, dass der Aufbau neuer Stellen für Beamte des Staates zulasten der Staatsangestellten gehe, wie zum Beispiel für Justizbeamte, Polizisten oder Zöllner. In diesen Bereichen heißt es, dass die Ampel-Koalition geplante Stellen streichen werde.
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