Handwerk fehlen Zehntausende Fachkräfte

Handwerksbetriebe in Deutschland beklagen einen eklatanten Fachkräftemangel: Offene Stellen können häufig nicht mehr mit Gesellen oder Meistern besetzt werden. Die Folgen: Aufträge gehen verloren. Bei der Bauelektrik kamen auf 100 offene Stellen lediglich 24 Arbeitslose mit passender Qualifikation.

Rund eine Million Betriebe sind in die Handwerksrollen und in das Verzeichnis des handwerksähnlichen Gewerbes eingetragen. Dort arbeiten rund 5,48 Millionen Menschen. 360.000 Lehrlinge erhalten dort eine qualifizierte Ausbildung. Damit sind etwa 12,5 Prozent aller Erwerbstätigen und 27 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland im Handwerk tätig. Der Umsatz im Handwerk erreichte im vergangenen Jahr rund 576 Milliarden Euro ohne Mehrwertsteuer.

Doch viele Handwerksbetriebe finden kaum noch ausreichend Mitarbeiter. Deutschlandweit fehlen aktuell 54.000 Gesellen, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergeben hat. Insgesamt beziffert die Untersuchung den Fachkräftemangel im Handwerk auf knapp 65.000 Arbeitskräfte. Kunden müssten deshalb oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen, den Betrieben entgingen Aufträge.

Die gegen die Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen haben Gesellschaft und Wirtschaft im Jahr 2020 maßgeblich beeinflusst. Gesamtwirtschaft und Handwerk waren und sind aktuell wieder verstärkt von den verschärften Beschränkungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens betroffen. Zum Jahresende blieben Kfz-Werkstätten, Cafés, Friseursalons oder Ladenlokale, die nicht zur Sicherung der Grundversorgung zählten, geschlossen. Zudem hatten Betriebsschließungen in anderen Wirtschaftsbereichen massive Auswirkungen auf die Geschäftslage in einigen Gewerken – beispielsweise fehlten Gebäude- oder Textilreinigern die Aufträge aus Gastronomie und Hotellerie. Im Gesamthandwerk war die Geschäftslage weiterhin positiv, verschlechterte sich allerdings massiv gegenüber dem vierten Quartal 2019. Noch 41 Prozent der Betriebe meldeten gute Geschäfte (minus 14 Prozentpunkte), beinahe dreimal so viele wie zuvor schlechte (26 Prozentpunkte). Der Ausblick für 2021 fiel daher klar negativ aus: Viermal mehr Betriebe erwarteten eine Verschlechterung der eigenen Geschäftslage (34 Prozent) als eine Verbesserung (8 Prozent). Der ZDH-Geschäftsklimaindex, der Lage und Erwartungen der Betriebe bündelt, sank um 25 Zähler auf 92 Punkte.

Noch schwerer als Gesellen seien Handwerker mit Meisterbrief zu finden. Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), sagte gegenüber RT DE:

"Sowohl als Unternehmensnachfolger wie auch als Angestellte werden Meisterinnen und Meister im Handwerk händeringend gesucht. Der Fachkräftebedarf ist riesig. Laut Studie sind 5.500 Meisterstellen derzeit nicht zu besetzen."

Besonders groß sei der Fachkräftemangel unter anderem im Baubereich. Bei der Bauelektrik seien 2020 auf 100 offene Stellen lediglich 24 Arbeitslose mit passender Qualifikation gekommen. Ähnlich dramatisch sei der Mangel an Fachkräften der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik.

Betroffen vom Fachkräftemangel sei aber auch der Verkauf von Fleischwaren. Meister sind der Studie zufolge beispielsweise in der Medizin-, Orthopädie- und Reha-Technik sowie im Hoch- und im Tiefbau besonders knapp. Die Corona-Krise habe sich bei den einzelnen Handwerksbranchen unterschiedlich stark bemerkbar gemacht. Friseure, Optiker und Hörgeräteakustiker hätten durch die Lockdowns starke Umsatzeinbußen erlitten. Deshalb sei in diesen Branchen die Nachfrage nach Arbeitskräften unter das Niveau von vor der Pandemie gesunken. Viele Unternehmen aus dem Bauhandwerk hätten sich dagegen vergleichsweise schnell von der Krise erholt, sodass die Arbeitskräftenachfrage in diesem Bereich im Dezember 2020 wieder über dem Vorkrisenniveau gelegen habe.

Schwierigkeiten habe das Handwerk, alle Ausbildungsplätze zu vergeben. Der Anteil der unbesetzten Lehrstellen sei im Handwerk höher als in anderen Ausbildungsbereichen. Das Handwerk habe bei jungen Menschen noch immer mit einem Imageproblem zu kämpfen. Wollseifer erklärt: "Jugendliche wissen viel zu wenig über die vielfältigen und zukunftssicheren Möglichkeiten im Handwerk. Es gibt zahlreiche Handwerksberufe mit  Karriereoptionen, die denen eines Studiums in Nichts nachstehen."

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(rt/dpa)