Gerichte kippen 2G-Regel
Der oft als "Weltärztepräsident" bezeichnete Frank Ulrich Montgomery hat weitere Gelegenheiten zur Richterschelte bekommen. Nach dem Beschluss des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg, das Mitte Dezember die 2G-Regel im Einzelhandel gekippt hatte, folgten nun ähnliche Beschlüsse in Bayern und im Saarland.
Bekleidungsgeschäfte in Bayern
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat am 29. Dezember entschieden, dass Bekleidungsgeschäfte in Bayern der "Deckung des täglichen Bedarfs" dienen und daher nicht unter die 2G-Regel fallen. Dies berichtete das Online-Portal "inFranken.de".
Anfang Dezember hatte die bayerische Staatsregierung verfügt, dass zum Einzelhandel des Bundeslandes nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt erhalten. Eine Ausnahme machen Läden "zur Deckung des täglichen Bedarfs". Allerdings werden Bekleidungsgeschäfte in der bayerischen Verordnung nicht als Ausnahme genannt. Die Richter des VGH kamen jedoch zum Schluss, dass auch sie von der 2G-Regel ausgenommen seien, "weil deren Bedeutung für die Allgemeinheit nicht hinter die von Schuhen, Büchern, Schnittblumen oder Gartengeräten zurücktrete und der Bedarf an Kleidung täglich eintreten könne".
Damit lehnten die Richter des Verwaltungsgerichtshofs den Eilantrag eines Bekleidungsunternehmens gegen die 2G-Regel als unzulässig ab. Denn die Bekleidungsgeschäfte fielen von vornherein nicht unter die 2G-Beschränkung. Bereits vor Weihnachten hatten die Richter entschieden, dass auch Spielzeuggeschäfte von 2G ausgenommen seien. Weder dem Wortlaut des Verordnungstexts noch seiner Begründung durch die Staatsregierung sei zu entnehmen, wie wichtig und dringlich ein täglicher Bedarf sein müsse, damit das Geschäft von der 2G-Regel ausgenommen sei. Neben Lebensmittelgeschäften und Apotheken führt die bayerische Verordnung als Ausnahmen auch Buch- und Blumenläden, Gartenmärkte und Weihnachtsbaumverkäufe an.
Erfreute Reaktionen kamen daraufhin vom Handelsverband Bayern. Allerdings sei die rechtliche Klarstellung zu spät für das wichtige Weihnachtsgeschäft gekommen. Der Umsatz der bayerischen Bekleidungsgeschäfte sei im Vergleich zu 2019 um 30 bis 40 Prozent eingebrochen. Als Begründung führte ein Verbandssprecher an, dass "Ungeimpfte nicht rein durften", wodurch wiederum andere Kunden abgeschreckt wurden – "von den langen Schlangen" vor den 2G-Kontrollstationen.
Mischsortimenter im Saarland
Vor zwei Tagen hatte bereits das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes einem Eilantrag der Einzelhandelskette "Woolworth" stattgegeben, die 2G-Regelung außer Vollzug zu setzen, meldete das Portal sol.de.
Das saarländische OVG begründete am 28. Dezember seine Entscheidung mit der "voraussichtliche[n] Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes". Allerdings gilt die Gerichtsentscheidung nur für das Unternehmen Woolworth, das den Antrag gestellt hatte.
Die Einzelhandelskette, deren Kennzeichen ein Mischsortiment ist, wird von der 2G-Regel ausgenommen, weil in ihrem Warenangebot "Grundbedarfsartikel wesentlich überwiegen''. Welche Folgen die Entscheidung für den saarländischen Einzelhandel hat, ist im Moment noch nicht abzusehen.
2G-Flickenteppich
Einen Überblick zu behalten, wo und welche 2G-Regeln gelten, wird immer schwieriger. Zwar wurden in manchen Bundesländern – Beispiel Baden-Württemberg – die 2G-Beschränkungen für Hochschulen vom Verwaltungsgerichtshof des Landes aufgehoben. Doch die Landesregierung in Stuttgart passte ihre Corona-Verordnung sogleich an, weshalb Ungeimpfte auch weiterhin nicht an Präsenzveranstaltungen der Hochschulen im Südwesten teilnehmen dürfen.
Als das OVG Lüneburg die niedersächsische 2G-Regel kippte, wurden vonseiten der Einzelhändler in Bremen ähnliche Forderungen laut – denn sollten die Beschränkungen im Stadtstaat aufrechterhalten bleiben, drohen die Kunden ins niedersächsische Umland abzuwandern.
Allerdings hat es auch Gerichtsbeschlüsse gegeben, die die 2G-Regelungen bestätigten, so etwa in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Berlin.
So sahen die Richter am nordrhein-westfälischen OVG in Münster, anders als ihre Kollegen im Saarland, keinen Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsbehandlungsgebot, als sie den Eilantrag der Handelskette Woolworth am 22. Dezember ablehnten. Dabei kann man davon ausgehen, dass sich das Warensortiment der Handelskette im Saarland nicht wesentlich von dem in ihren nordrhein-westfälischen Warenhäusern unterscheidet.
Eine ähnliche Niederlage vor Gericht hatte Woolworth in Schleswig-Holstein hinnehmen müssen, als das schleswig-holsteinische OVG die 2G-Regelung im Einzelhandel bestätigte. Auch in Berlin bestätigte das Verwaltungsgericht die 2G-Vorschriften und wies damit einen Antrag des Kaufhauskonzerns "Galeria Karstadt Kaufhof" ab. Ob nach den neuesten Gerichtsentscheidungen aus Bayern und dem Saarland noch gesagt werden kann, dass 2G im Einzelhandel in den meisten Bundesländern gültig bleibt, ist allerdings noch die Frage.
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