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Prozess gegen ehemalige KZ-Sekretärin: Nach Fluchtversuch nun Anklage gegen 96-Jährige

In einem zweiten Anlauf hat der Prozess gegen eine ehemalige KZ-Sekretärin vor dem Landgericht Itzehoe begonnen. Die 96-Jährige wurde der Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen angeklagt. Zum ursprünglichen Prozessbeginn am 30. September war sie kurz zuvor geflüchtet.
Prozess gegen ehemalige KZ-Sekretärin: Nach Fluchtversuch nun Anklage gegen 96-JährigeQuelle: AFP © Christian Charisius

Die 96 Jahre alte Irmgard F. wurde am Dienstag durch ein Logistikunternehmen mit einem medizinischen Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht. Zu dem Vorwurf wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 11.000 Menschen während ihrer Dienstzeit als Sekretärin im KZ Stutthof sagte die Angeklagte kein Wort. Ihr Verteidiger Wolf Molkentin sagte, seine Mandantin werde sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern und auch keine Fragen beantworten.

Der ursprünglich für den 30. September angesetzten Gerichtsverhandlung war die Seniorin ferngeblieben. Am Morgen jenes Tages hatte sie ihr Heim in Quickborn in Schleswig-Holstein mit unbekanntem Ziel verlassen. Stunden später wurde die Frau von der Polizei in Hamburg festgenommen. Das Gericht erließ einen Haftbefehl. Nach fünf Tagen wurde die 96-Jährige unter Anordnung von Sicherungsmaßnahmen aus der Haft entlassen. Am Dienstag trug sie ein elektronisches Armband am linken Handgelenk.

Nachdem sie dem Richter anschließend mitgeteilt hatte, dass sie während ihres Prozesses nicht auf der Anklagebank sitzen wolle, beklagte das Internationale Auschwitz Komitee, sie habe damit bereits zu Beginn des Gerichtsverfahrens "Verachtung für die Überlebenden und auch für die Rechtsstaatlichkeit" gezeigt.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte die Angeklagte von Juni 1943 bis April 1945 in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig (heute Gdańsk) im damals besetzten Polen gearbeitet. Als Stenotypistin und Schreibkraft habe sie den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von Gefangenen Hilfe geleistet, erklärte die Staatsanwältin. Als Zivilangestellte im Dienst der SS-Totenkopf-Verbände habe sie sämtliche Schreiben des damaligen Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe erfasst, sortiert oder abgefasst. Dadurch habe sie Kenntnis von allen Geschehnissen im Lager und auch von den Tötungsarten gehabt. Im Konzentrationslager Stutthof sollen rund 65.000 Menschen umgebracht worden oder ums Leben gekommen sein, darunter jüdische Gefangene, polnische Partisanen und sowjetische Kriegsgefangene, heißt es in den Gerichtsunterlagen. 

Irmgard F. ist seit Jahrzehnten wieder die erste Frau, die wegen der von den Nazis begangenen Verbrechen vor Gericht steht. Ihr Prozess läuft zeitgleich zu einem anderen Gerichtsverfahren gegen einen 100-Jährigen, dem als ehemaligem SS-Wachmann Beihilfe zur Tötung tausender Häftlinge im Konzentrationslager Sachsenhausen in Brandenburg vorgeworfen wird. Der Angeklagte Josef S. – der älteste Mann, der wegen Verbrechen in der Zeit der Nazidiktatur vor Gericht steht – weist alle Vorwürfe zurück und beharrt auf seiner angeblichen Unschuld.

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(rt/dpa)

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