Deutschland

Fasbenders Woche: Youtube ist nur Werkzeug

RT DE gelöscht – gespaltene Jugend – deutscher Exzeptionalimus
Fasbenders Woche: Youtube ist nur Werkzeug

Wegen der Löschung der Youtube-Konten von RT DE können wir aktuell kurzfristig kein Video anbieten. Der Beitrag von Thomas Fasbender erscheint daher diesmal in schriftlicher Form.

Vergangene Woche hat der US-amerikanische Medienkonzern Youtube zwei deutschsprachige Videokanäle des russischen Senders RT gelöscht – sämtliche Inhalte, alles. Der Vorwurf lautet: Verbreiten von medizinischen Falschinformationen und Verstoß gegen die Youtube-Richtlinien. Bei näherem Hinsehen handelt es sich um alte Interviews mit deutschen Ärzten und Epidemiologen, deren Ansichten zu COVID 19 und den sogenannten Corona-Maßnahmen nicht der offiziellen Linie entsprechen. In einem Fall hatte RT DE wohl vergessen, bei einer Reportage den O-Ton eines Demonstranten herauszuschneiden, der so etwas wie "Corona ist nur Schnupfen" in die Kamera ruft. Man hat also mangelnde Selbstzensur geübt – was (auch) in Deutschland inzwischen durchaus unerwünschte Folgen haben kann.

Die Reaktion der Mainstream-Medien ist mit klammheimlicher Sympathie oder Schadenfreude nicht falsch beschrieben. Man lehnt sich zurück; Youtube ist ein ausländisches Privatunternehmen – was hat Deutschland damit zu tun? Wer nicht ganz naiv und blauäugig ist, denkt an dieser Stelle zwei Schritte weiter. Auch in anderen Ländern passen die Giganten Apple, Google und Facebook sich den Wünschen der Mächtigen an. China oder Russland sind nur Beispiele. Wir dürfen getrost annehmen, dass solche Löschungen wie etwa die einer Vielzahl von Querdenker-Kanälen nicht auf Youtube-Initiative zustande kamen. Youtube ist nur Werkzeug. Der kalifornische Konzern hat Besseres zu tun, als Stäbe investigativer Schnüffler zu beschäftigen, die Millionen deutschsprachiger Videos nach unerwünschten Inhalten durchforsten. Das übernehmen andere, und man darf annehmen, dass sie für deutsche Auftraggeber arbeiten.

Schließlich schwelt seit langem eine Kampagne gegen den staatlichen russischen Sender und sein deutschsprachiges Programm, und private deutsche Medien, etwa die Bildzeitung, kämpfen an vorderster Front – sei es aus Überzeugung, sei es aus Kalkül. Die Mitarbeiter von RT DE sollten darin eine Anerkennung ihrer Arbeit sehen. Niemand würde ihnen Steine in den Weg legen, wenn ihr Programm nur eine marginale, von Splittergruppen beachtete Veranstaltung wäre. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wenn der Hund getroffen ist, bellt er. Unter den Medien, die auch Meinungen jenseits des zugelassenen Korridors transportieren, gehört RT DE inzwischen zu den prominentesten. Und in Zeiten, in denen die politische Klasse die Menschen verzweifelt um ihre Werte zu scharen versucht, gilt ein abweichlerisches Medium durchaus als Bedrohung.

Nun muss RT DE den erwähnten Meinungskorridor spätestens dann verlassen, wenn es um Russland geht: Unmöglich, dass ein russischer Sender das deutsche Mainstream-Bild des aggressiven, expansiven und despotischen Russlands übernimmt. Wenn ein solcher Sender also zum Schweigen gebracht werden soll, ist das Wort Medienkrieg durchaus legitim. Man wird ihn sich nicht wünschen, aber wenn er denn ausbricht, wird man Verständnis dafür haben, dass beiden Seiten das Recht adäquater Waffenwahl zusteht.Wie heißt es so schön: All is fair in love and war. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Dass man sich in Deutschland hinter Youtube versteckt, ändert nichts an der Konflikt- und Interessenlage. Die nächste Eskalation wird kommen.

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Das spektakulärste Ergebnis der Bundestagswahl ist das famose Abschneiden der Liberalen unter Jung- und Erstwählern. Bei den letzteren, je nach Meinungsforschungsinstitut, hat die FDP sogar die Nase vorn. Grüne und Liberale sind das Spitzenduo der Altersgruppe unter 30. Wie das? Wo wir doch alle so sicher waren, dass die junge Generation geschlossen der hl. Greta huldigt, dem fossil befeuerten Transport entsagt und ihr ganzes Lebensglück der Rettung des Planeten opfert.

Aber das war wohl der Traum einer redlich ergrauten Medienmachergeneration: dass ihre Kinder sich um das CO2-freundlichste Lastenrad prügeln und der weibliche Nachwuchs keine anderen Modewünsche hat, als Uromas Wollpullover aufzutragen. Und dann das böse Erwachen: 51,8 Prozent der unter 30-jährigen Erwachsenen sind strikt gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen – der höchste Anteil unter allen Altersgruppen.

Wie es scheint, sind selbst die Enkel der 68er immer noch keine besseren Menschen. Was für eine Überraschung. Wo doch im 21. Jahrhundert jeder begriffen haben sollte, um wieviel vernünftiger ein Leben ohne Hochgeschwindigkeit, ohne Rauchen, Alkohol und fleischliches Eiweiß ist, ohne Autos, Flugreisen und sinnlosen Ressourcenverbrauch, ohne Gier nach Macht und Reichtum, ohne schlechte Angewohnheiten, falsche Meinungen und dumme Gedanken.

Paradox: Gut 20 Prozent der Erstwähler stimmen für die FDP, gut 20 Prozent für die Grünen. Und diese fast 50 Prozent repräsentieren auch noch die besseren Viertel, dort, wo die Eltern des akademischen und Führungsnachwuchses wohnen. Mit der sozialen Mobilität ist es in Deutschland bekanntlich nicht so dolle. Es hat schon seinen Grund, dass die Grünen und die FDP die neuen Macherparteien sind. Der einstige Kanzlerwahlverein CDU und die alte Tante SPD dürfen darauf hoffen, dass eine von ihnen den Brautstrauß fängt. 31 Jahre nach der Wiedervereinigung wird die Bonner Republik endgültig abgewickelt; sie schwindet mit der Macht der sogenannten Volksparteien. Die FDP war und ist ein Wechselbalg und also in allen Lagen unverwüstbar.

Der neue Antagonismus aus Liberalen und Grünen hat durchaus seinen Charme. Irgendjemand muss die jungen Grünen davon abhalten, unsere Erde im kollektiven Hungerstreik zu retten, und irgendwer muss die jungen Liberalen davon abhalten, in den entfesselten Individualismus zu flüchten. Wenn es beiden Kräften gelingt, sich gegenseitig Einhalt zu gebieten, ist schon viel erreicht.

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Am 18. September kam es in Hamburg aus einer Gruppe heraus zu einer gewalttätigen Attacke auf eine Mahnwache für Israel und gegen Antisemitismus. Einer der Angreifer schlug einem 60-jährigen mit der Faust das Nasen- und Jochbein in Stücke; die Gruppe flieht auf E-Scootern. Zehn Tage später wird der mutmaßliche Täter gefasst, ein 16-jähriger Deutscher, der in Berlin wohnt. Auch sein 14-jähriger Bruder gilt als möglicher Tatbeteiligter. Da keine Haftgründe vorliegen, bleiben sie auf freiem Fuß.

Soweit die Pressemeldungen. 16- und 14-jährige Deutsche, da denken viele an Glatzen, Bomberjacken, Springerstiefel und tätowierte Hakenkreuze auf weißer Haut. Hervorgekrochenes, oder mit Bertolt Brecht gesprochen: "Der Schoß ist fruchtbar noch." Es ist das deutsche Selbstmisstrauen, das aus solchen Zuschreibungen spricht. In "fortschrittlichen" Blasen ist es tabu, den islamischen Antisemitismus überhaupt zu erwähnen. Was nicht sein darf, dass nicht sein kann. Spricht man mit jüdischen Betroffenen, sieht das Bild ganz anders aus. In einer Studie mit mehr als 500 Teilnehmern, die 2016/17 aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit körperlich attackiert wurden, geben 80 Prozent an, die Täter seien Muslime gewesen. In einer anderen Umfrage nannten 41 Prozent der Juden in Deutschland den islamischen Antisemitismus als stärkste Bedrohung.

Nichtsdestotrotz – wie rohe Eier hütet ein einflussreicher Teil des medialen und politischen Establishment die Reputation der Menschen, die uns 2015 – und zuvor und seitdem – „geschenkt“ wurden (Zitat Katrin Göring-Eckardt). So wie felsenfest behauptet wird, nur Weiße könnten Rassisten sein, so wird felsenfest behauptet, nur Deutsche könnten Antisemiten sein. Oh heilige Einfalt. So sprechen die deutschen Exzeptionalisten, berauscht von ihrer Überlegenheit im Gut- und im Schuldigsein. Allen Völkern und Nationen meilenweit voraus. Manchen bereitet das eine schier perverse Genugtuung.

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