"Besonders intransparent" – Rüge für Pressearbeit von Verkehrsminister Scheuer

Das CSU-Prestigeprojekt Pkw-Maut wirft weiter Schatten auf die nach seiner Sicht einwandfreie Arbeit von Verkehrsminister Andreas Scheuer. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat jetzt die Pressearbeit beanstandet. Er rügt den Umgang mit den Bemühungen zur Aufklärung des Maut-Desasters als "besonders intransparent".

Inwieweit das Selbstbild von Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) mit der Realität kollidiert, zeigt sich womöglich auch an der enormen Diskrepanz zwischen der Einschätzung seiner Arbeit von außen und der von Unionskollegen oder gar seiner eigenen:

"Wir stehen für maximale Transparenz und Klarheit", behauptet Scheuer seit Juli 2019 auf der Webseite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVi). Alle Fragen in Zusammenhang mit der Pkw-Maut seien "umfassend und fristgerecht beantwortet" worden.

Und hätten sich die Betreiber nicht auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen, hätte das Ministerium die Verträge gar angeschwärzt veröffentlicht, heißt es dort. Dass zur Aufklärung der Mautaffäre relevante Daten auf mysteriöse Weise von Scheuers Handy verschwunden sind, oder hunderte Dokumente zur Verschlusssache gemacht wurden, wird nicht ganz so erörtert, wie es die Überschrift "maximale Transparenz und Klarheit" vermuten lassen.

Zu einem ganz anderen Ergebnis als das BMVi kommen jedoch nicht nur Journalisten, deren Anfragen das BMVi auf aggressive Weise abwehrt hat sowie Oppositions- und auch Koalitionspolitiker, die Scheuer Versagen und schwere Verstöße gegen das Haushalts- und Vergaberecht vorwarfen. In ihrem gemeinsamen Sondervotum sprachen die Fraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen von einem "politischen Abgrund von Ignoranz, Verantwortungslosigkeit, Bedenkenlosigkeit und Rechtsbruch – verbunden mit einem Erschrecken über mangelhaftes Regierungshandwerk". Durch seine verfrühte Unterschrift unter die Mautverträge habe Minister Scheuer "den größtmöglichen Schaden für die Bundesrepublik" in Kauf genommen.

Zuletzt erhielt der CSU-Politiker, der so wenig Kritik am eigenen Handeln sieht, dass er auch nach der nächsten Bundestagswahl im Amt bleiben möchte, eine Rüge vom Bundesbeauftragten für Datenschutz und für die Informationsfreiheit - und damit die maximale Keule dieser Instanz: wegen des herausragend intransparenten Umgangs mit der Aufklärung des Maut-Desasters.
 

Presseanfragen abwehren - Berichte "torpedieren"

Im Hause von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer heißt der "Newsroom" nicht nur "Neuigkeitenzimmer". Statt Nachrichten entstammen der für die Pressearbeit zuständigen Abteilung des Ministeriums auch ganz neue und eigenartige Weisen, mit der Presse umzugehen, wenn diese Fragen zu unliebsamen Themen stellt. Der teure Maut-Skandal ist ein solches Thema.

Die von Scheuer entgegen jeglicher Vorbehalte vorangetriebene Pkw-Maut war im Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Die vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge aufgrund des Urteils kündigte. Auch die Gerichtskosten dürften erheblich sein. Scheuer hat jegliche Vorwürfe und die Betreiber-Forderungen zurückgewiesen, doch die Rechnung wird am Ende der Steuerzahler tragen. Auf der Webseite des BMVi heißt es zu den bereits jetzt immensen öffentlichen Kosten, die neben den externen Beratern wohl auch das 13-köpfige Neuigkeiten-Team umfassen: "Der Verkehrshaushalt tritt bei der Bereitstellung von Steuermitteln mehr und mehr in Konkurrenz zu anderen Politikfeldern, wie beispielsweise Bildung, Forschung, Arbeit."

Doch während verschiedene Medien den Maut-Skandal als nicht aufgeklärt ansahen, wurden kritische Anfragen lange vor Abschluss des Untersuchungsausschusses von einem Mitarbeiter des Medienteams im BMVi als "Spin gegen uns" abgewertet, wie im Fall von Anfragen des Rechercheverbunds von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung

Für die Fragen des Spiegel-Journalisten Gerald Traufetter im August 2019 ließen sich Mitarbeiter des Neuigkeitenzimmers etwas Besonderes einfallen und zwar mit dem expliziten Ziel, die journalistische Arbeit zu torpedieren - das zeigen interne E-Mails des Ministeriums, über die WDR und NDR berichteten. Statt wie für ein mit öffentlichen Mitteln ausgestattetes Amt üblich wurden die Presseanfragen nicht etwa beantwortet, vielmehr dachte sich das Ministerium einen Umgang aus, der nicht nur rhetorisch beim Informationskrieg entleiht. Man wolle stattdessen vom Ministerium entwickelte Antworten vorab an einen anderen Journalisten senden, "um die morgige Vorabmeldung des 'Spiegel' zu torpedieren." Minister Scheuer befand das "Vorgehen top" und meinte "Es bedarf keinen weiteren telefonischen Zeitaufwand für T." Den "Plan", Traufetters Konkurrenz vorab zu informieren, befand Scheuer laut interner Mails als "super".

Doch das Vorgehen wurde nicht von allen Seiten als "top" eingestuft. Statt der Transparenz im Sinne der Öffentlichkeit habe die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesbehörde der Medienmanipulation gedient, warf der Deutsche Journalistenverband (DJV) dem Minister vor. Eine Sprecherin des Spiegel meinte, die interne Kommunikation des Verkehrsministers lege "nahe, dass Andreas Scheuer offenbar nicht an der Aufklärung der Affäre interessiert ist, sondern daran, sein politisches Überleben zu retten."

In der Tat lehnte das Haus auch eine Informationsfreiheitsanfrage zu dem Email-Verkehr mit der Begründung ab, eine Veröffentlichung könne sich negativ auf die mediale Wahrnehmung Scheuers auswirken. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und für die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, schickte eine Beanstandung und erklärte darin, dass das Ministerium gegen das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) verstoße. Dieses soll unter anderem dazu dienen, Korruption und Amtsmissbrauch leichter aufzudecken. Laut der Rüge verstößt das Bundesverkehrsministerium gleich gegen den allerersten Paragraphen des Informationsfreiheitsgesetzes, indem der Zugang zu geforderten Informationen ohne bestehenden Versagungsgrund verweigert wurde.

Der Bundesbeauftragte Kelber hat mit der Beanstandung Gebrauch vom "derzeit stärkste(n) Instrument des Bundesbeauftragen", gemacht, wie ein Sprecher der Behörde erklärte. Von dieser Rüge werde selten Gebrauch gemacht. Laut dem Schreiben hätte der Informationsbeauftragte von einer Beanstandung absehen oder auf eine Stellungnahme der betroffenen Stelle verzichten können, insbesondere, wenn es sich um unerhebliche oder inzwischen beseitigte Mängel handele. Das ist offenbar nicht der Fall.

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