Deutschland

Der Kanzlerin letzter Besuch: Politikwissenschaftler Christian Hacke zu Merkels Treffen mit Biden

Bundeskanzlerin Angela Merkel war zu einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden in den USA. Es ist der Wohl letzte Besuch von Angela Merkel als Kanzlerin in den USA. Ein rein symbolischer Abschied – oder wurden hier noch Weichen für die Zukunft gestellt? Darüber sprachen wir mit dem Politikwissenschaftler Prof. Christian Hacke

Der Besuch hat durchaus eine symbolische Bedeutung, meint Hacke. Er ist eine Verabschiedung der Kanzlerin, bei der diese geehrt und gewürdigt wurde – unter anderem auch mit der Ehrendoktorwürde der Johns Hopkins University.

Dennoch sei der Besuch mehr als nur ein Symbol. "Gleichzeitig ist es natürlich vor dem Hintergrund der letzten vier Jahre Trump auch eine Wiedergutmachung, denn unter Trump wurde ja die Bundesrepublik sozusagen zum Stiefkind in den Bündnisbeziehungen, und nun ist das Rehabilitation, und Deutschland nimmt wieder seinen angestammten Platz ein, ich vermute schon, als wichtigster europäischer Bündnispartner der USA", so Hacke. 

Gemeinsam "demokratische Werte stärken": Was bedeutet das konkret?

Gleich zum Auftakt ihres Besuchs hatte Merkel die Notwendigkeit unterstrichen, gemeinsam daran zu arbeiten, "demokratische Werte zu stärken". US-Präsident Biden hatte dies in der gemeinsamen Pressekonferenz ebenfalls sehr deutlich gemacht. All dies bildet auch die Grundlage für die "Erklärung von Washington", die Merkel und Biden unterzeichneten. Dabei geht es im Kern vor allem um die Förderung der Demokratie weltweit. Zudem soll ein Zukunftsforum mit Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und anderen gegründet werden. Was aber ist konkret davon zu erwarten?

"Es ist ja eine ganz schwierige Frage der Menschenrechtspolitik des Westens", erläutert Hacke. "Wenn wir auf die letzten 20, 30 Jahre schauen, als im Zeichen der unipolaren Welt und der, sagen wir mal, angenommenen amerikanischen Allmacht – danach haben wir […] im Fazit zu sehen, dass all diese Versuche, durch humanitäre Interventionen Demokratien und Menschenrechte in der Welt zu verwirklichen, grandios gescheitert sind."

Obgleich diese Niederlagen den Westen eigentlich bescheiden machen müssten, meint Prof. Hacke, dass Biden offenbar bestrebt sei, wieder an die Rolle der USA als westliche Führungsmacht anzuknüpfen und Menschenrechte in der Welt durchzusetzen. Die Europäer und gerade Deutschland  – und insbesondere Kanzlerin Merkel – auf der anderen Seite seien sehr viel vorsichtiger, sehr viel pragmatischer. 

Großes Thema auf der Agenda: Nord Stream 2

Nord Stream 2 belastet seit Jahren die deutsch-US-amerikanischen Beziehungen. Biden knüpfte hier an die Forderungen seines Amtsvorgängers an und forderte einen Baustopp für das Großprojekt. Wie könnte ein Kompromiss gefunden werden?

"Es wird natürlich darauf hinauslaufen – das hat die Kanzlerin jetzt auch in Washington gesagt: Es muss eine Lösung geben nicht des Entweder-oder, sondern des Sowohl-als-auch. Und das heißt, dass eben auch die Ukraine als Transitland im Energiebereich in seiner Position nicht gefährdet werden darf und dass Russland das akzeptieren muss", so Hacke.

Für Hacke ist dies im Ergebnis ein Beleg dafür, dass die Kanzlerin es geschafft habe, die USA in ihre Schranken zu weisen. Die Kanzlerin habe gezeigt, "dass sie eben schon die eigenen deutschen Interessen, vor allem die Wirtschaftsinteressen, und auch die Sonderbeziehungen zu Russland" durchzusetzen weiß. 

Merkels Position in den USA

In den USA genießt Angela Merkel hohes Ansehen – davon zeugen auch die vielen Auszeichnungen, die die Bundeskanzlerin dort erhalten hat, zuletzt in dieser Woche die Ehrendoktorwürde der Johns Hopkins University. Für Hacke liegt dies vor allem in der Persönlichkeit der Kanzlerin begründet. George W. Bush, erzählt Hacke, habe in einem Interview mit der Deutschen Welle über die Kanzlerin zu berichten gewusst, dass diese "Charakter" habe.

Hacke sieht in diesem Begriff einen Schlüssel, um zu verstehen, warum die Kanzlerin in Übersee – und auch anderswo – ein so hohes Ansehen genießt. Charakter zu haben, erklärt Hacke, schließe vieles ein: Beständigkeit, Verlässlichkeit, Würde; die Achtung von Menschenrechten bei gleichzeitig klugem, staatsmännischem Handeln. "Das macht sie aus, das macht sie auch zur Führungspersönlichkeit – und macht sie auch aus in dem Sinne, dass ihr alle Respekt zollen", sagt Hacke. "Selbst diejenigen, die ihr weltanschaulich oder politisch nicht gerade nahestehen. Und das, glaube ich, ist eine große Leistung von ihr." 

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