Seit Jahren ist sexueller Missbrauch ein Thema, das die katholische Kirche verfolgt. Jetzt hat sie ihr internes Strafrecht angepasst und den Missbrauch von Kindern zu einer "schweren Sünde" erklärt. Das Strafmaß bleibt aber unterhalb der Höchststrafe (Exkommunikation); maximal kann die Entlassung aus dem Klerikerstand erfolgen.
Das kirchliche Strafrecht, das seinen Ursprung im Mittelalter hat und zuletzt 1983 erneuert wurde, ist zwar theoretisch auf Binnenwirkung begrenzt und dürfte keine Wirkung auf das Handeln staatlicher Organe haben. Dennoch zeigt sich im Umgang mit Missbrauchsfällen trotz Dutzender Aufarbeitungskommissionen in Bistümern nach wie vor eine eigenartige Zurückhaltung. Reguläre Gerichtsverfahren sind trotz Tausender belegter Fälle die ganz große Ausnahme.
Staatsanwaltschaften lassen in der Regel die kirchliche Hierarchie selbst ermitteln, und diese war, sofern es überhaupt zu einem Kirchenstrafverfahren kam, meist milde und reagierte mit Versetzungen oder Degradierungen auf erkannte Vorfälle. Es gibt zwar inzwischen Regelungen zur Entschädigung der Opfer, aber der Umgang mit Missbrauchsfällen entspricht nach wie vor nicht den rechtsstaatlichen Vorgaben. Der Journalist Helmut Ortner nannte das noch Anfang dieses Jahres in der Frankfurter Rundschau den "Kniefall des Rechtsstaates".
Die Neufassung des Kirchenrechts benennt sexuellen Missbrauch zwar als eine Straftat gegen Leben, Würde oder Freiheit des Menschen; die kirchliche Sicht darauf, welche Straftat schwerer und welche weniger schwer wiegt, bleibt aber befremdlich. So ziehen Abtreibung, Bruch des Beichtgeheimnisses, eine Bischofsweihe ohne päpstliche Zustimmung oder die Weihe von Frauen unmittelbar die Exkommunikation nach sich, nicht aber Mord oder Kindesmissbrauch.
Auch die Weihe von Frauen wurde neu als Straftat aufgenommen. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, die den vollen gleichberechtigten Zugang zu allen Diensten und Ämtern fordert, erklärte zu der Behandlung der Frauenweihe im neuen Recht: "Das neue Strafrecht soll allen, die sich für den Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern einsetzen, vor Augen führen: Der Vatikan will diese Tür unbedingt geschlossen halten!"
Die Missbrauchsopfer dürften mit dieser Einordnung ebenfalls nicht zufrieden sein. Denn nur bei der Exkommunikation könnten sie sicher sein, dass ein Täter nicht andernorts weitere Übergriffe begeht. Oder wenn sich der Rechtsstaat endlich der Kirche gegenüber durchsetzen würde.
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