Neues Milliardenprojekt der Bahn: Frankfurt plant unterirdischen Fernbahnhof
In Stuttgart dürften Pläne für einen unterirdischen Fernbahnhof eher unangenehme Assoziationen hervorrufen. Doch in Frankfurt am Main hält man diese Idee für wesentlich geeigneter, um den Frankfurter Hauptbahnhof, einen der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte im Netz der Deutschen Bahn (DB), zu entlasten. Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, soll unter der Frankfurter Innenstadt ein Fernbahntunnel mit zwei Gleisen gebaut werden, vorgesehen ist außerdem ein neuer Haltepunkt für ICE-Züge unter dem bisherigen Hauptbahnhof.
Wie die Deutsche Bahn weiter mitteilte, habe eine Machbarkeitsstudie ergeben, dass das Projekt realisierbar sei. Man wolle nun mit der konkreten Planung beginnen, die Bauzeit soll etwa zehn Jahre betragen. Als im September 2019 die Machbarkeitsstudie angekündigt wurde, war von Kosten in Höhe von knapp 3,6 Milliarden Euro die Rede. Mit einer Fertigstellung vor dem Jahr 2035 sei nicht zu rechnen. Die Kapazität des Frankfurter Hauptbahnhofs soll durch den Fernbahntunnel deutlich erweitert werden. Wie der DB-Infrastrukturvorstand und ehemalige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, sollen durch den neuen Tunnel bis zu 20 Prozent mehr Züge über den Hauptbahnhof fahren. Mit 1.250 Zügen täglich gilt der Frankfurter Hauptbahnhof als stark überlastet. Pofalla erklärte:
"Der Fernbahntunnel ist ein weiteres wichtiges Element für den Deutschlandtakt, der die Metropolen unseres Landes in einem 30-Minuten-Rhythmus verbinden wird."
Bisher hatte der Frankfurter Hauptbahnhof als Kopfbahnhof häufig Verspätungen mit bundesweiten Auswirkungen verursacht. Durch das Projekt soll der andauernde Engpass aufgelöst werden. Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums hatte die Bahn in einer Machbarkeitsstudie untersuchen lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein zweigleisiger Fernbahntunnel machbar ist.
Der Tunnel für Fernzüge soll von Westen und von Osten auf den neuen Tiefbahnhof zulaufen, der unter dem Frankfurter Hauptbahnhof entstehen soll. Der Hauptbahnhof soll dann ausschließlich dem Regionalverkehr zur Verfügung stehen. Für den neuen, unterirdischen Fernbahnhof in etwa 35 Meter Tiefe sind vier Bahnsteige vorgesehen. Im Ergebnis sollen Fernzüge bis zu acht Minuten schneller durch den Frankfurter Verkehrsknoten fahren.
Bei dem Projekt handelt es sich nicht um den ersten Entwurf für einen Tiefbahnhof in Frankfurt. Vor etwa 25 Jahren wurde das Projekt Frankfurt 21 diskutiert, bei dem der Kopfbahnhof ähnlich wie in Stuttgart durch einen Tiefbahnhof ersetzt werden sollte. Im Jahr 2001 wurde das Projekt jedoch aufgrund mangelnder Finanzmittel aufgegeben. Das aktuelle Projekt orientiere sich am Bahnhof in Zürich, wo ebenfalls Tunnel unter dem oberirdischen Bahnhof gebaut wurden.
In einer Erklärung sprachen sich 19 Verbände, Organisationen und Unternehmen wie die Verkehrsverbünde RMV und NVV, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und der Fahrgastverband Pro Bahn für das Vorhaben aus. Durch das Projekt würden Fahrzeiten im Fernverkehr verkürzt und Kapazitäten für den Regionalverkehr freigemacht. Auch der Güterverkehr würde von der Beseitigung des Nadelöhrs profitieren.
Der Bahnkritiker Klaus Gietinger, der mit seiner Initiative Frankfurt 22 Bahnprojekte seit Jahren kritisch begleitet, hält das Tunnelprojekt jedoch für einen falschen Ansatz, der vor allem viel zu spät erfolgte. Gegenüber der Hessenschau erklärte er, dass er auf den im Jahr 2003 geplanten, aber nie umgesetzten viergleisigen Ausbau zwischen Südbahnhof und Hauptbahnhof gehofft hatte. Dies hätte man innerhalb von 6 Jahren bewerkstelligen können. Damals habe man von 41 Prozent mehr Kapazitäten für den Fernverkehr gesprochen. Gietinger resümierte:
"Und plötzlich geht das alles nicht mehr? Das verstehe ich nicht."
Auch an die von der Bahn prognostizierten Kosten in Höhe von 3,6 Milliarden Euro glaubt er nicht. Man könne davon ausgehen, dass sich das Projekt verzögert und teurer wird. Zudem habe der Tunnel auch Nachteile, da Passagiere mit ihren Koffern mindestens 5 Minuten benötigen würden, bis sie den Tiefbahnhof in 35 Metern Tiefe erreicht hätten. Da bleibe von den acht Minuten Zeitersparnis nicht viel übrig.
Diese Ansicht vertritt auch Guido Carl, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Dennoch halte er den Tunnel für grundsätzlich richtig, wenn ein paar Rahmenbedingungen eingehalten werden. Ein Fernbahnhof biete auch mehr Möglichkeiten als ein Ausbau der Strecke zum Südbahnhof. Probleme wie beim Projekt Stuttgart 21 sieht Carl indes nicht. In Stuttgart habe man alles nach unten verlegen wollen, der Tunnel in Frankfurt sei hingegen nur als Ergänzung zum Hauptbahnhof gedacht.
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(rt/dpa)
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