Deutschland

Ausstieg aus Kohle, Gas und Atomkraft macht erneute Diskussion über Strommarkt nötig

Zu wenig Kraftwerke sind in Planung. Netzbetreiber fordern für die Netzsicherheit dringend weitere Gaskraftwerke, die später auch mit grünem Gas betrieben werden könnten. Wasserstoff ist als Energieträger neben Methan im Gespräch. Branchenkenner fordern: Genehmigungsprozesse beschleunigen.
Ausstieg aus Kohle, Gas und Atomkraft macht erneute Diskussion über Strommarkt nötigQuelle: www.globallookpress.com © Jochen Tack via www.imago-images.de

Die Energiewende der Bundesregierung sieht vor, dass bis 2045 eine sogenannte Klimaneutralität erreicht wird. Bisher werden hauptsächlich Kohle und Atomkraftwerke vom Netz genommen. Die derzeitige Lage von nur einem neu zu bauendem Gaskraftwerk in Deutschland ruft Kritiker auch aus den Reihen der Stromerzeuger auf den Plan. Stefan Kapferer, der Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, fordert den Bau von 1,2-Gigawatt-Gaskraftwerken zur Sicherung der Netze. Diese könnten später problemlos auch mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden.

Der Energiehersteller 50Hertz erinnert an aktuelle wissenschaftliche Studien, in denen klar gemacht wird, dass in den kommenden Jahrzehnten nur durch mehr strombasierte Anwendungen die Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie klimaneutral werden könnten.

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und der Kohleverstromung verliere Deutschland über 50 GW gesicherte und regelbare Leistung. Der europäische Strombinnenmarkt könne diese Verluste zwar teilweise ausgleichen, aber die Transformation der Energiesysteme nehme zugleich auch in unseren Nachbarländern an Fahrt auf. Kapferer erklärte:

"Wir brauchen auch langfristig regelbare Kraftwerke, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten."

Er weißt darauf hin, dass derzeit nur wenige dieser Kraftwerke im Bau seien, die mit Erdgas oder grünem Methan betrieben werden können. Hier spricht er über Leistungen von 1,2 Gigawatt. Eine Einbahnstraße tut sich hier auf, wenn die Planungen für weitere Kraftwerke auf Eis liegen, wenn es an Refinanzierungsperspektiven fehlt. Pressesprecher Volker Gustedt sagte zu RT DE:

"Wir brauchen regelbare Kraftwerke, die in der Übergangsphase erneuerbare Energien ersetzen."

Vor dem Hintergrund der anspruchsvollen neuen deutschen und europäischen Klimaschutzziele hält der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz zwei Punkte für dringend notwendig: Eine Beschleunigung von Genehmigungsprozessen für ein Klimaneutralitätsnetz 2045 und eine erneute Diskussion über die Reform des derzeitigen Strommarktdesigns. Als deutliche Kritik an der derzeitigen Regierungspolitik stellt er auch die Frage, ob das jetzige Marktsystem ausreichend Anreize setze für Investitionen in regelbare Kraftwerke, die auch in Zukunft dringend zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit in wind- und sonnenschwachen Zeiten gebraucht werden.

Vor diesem Hintergrund hat 50Hertz beim Beratungsunternehmen Consentec eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um den Effekt von Kapazitätsmechanismen auf die Stromkosten von Endverbrauchern zu betrachten. Darin werden verschiedene Modelle  verglichen. Der derzeitige Energy Only Markt (EOM) plus Kapazitätsreserve sowie ein reiner EOM 2.0 ohne Reserveleistung, ein zentraler und ein dezentraler Kapazitätsmarkt, wie sie in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Polen üblich sind, sowie ein Modell der Betriebs- und Investitionsbeihilfen.

Dr. Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb von 50Hertz, fasste zusammen:

"Die vergleichende Analyse zeigt, dass der heutige, auf dem Energy Only Markt basierende Mechanismus langfristig nicht zwangsläufig die kosteneffizienteste und beste Lösung ist."

Er biete kaum Anreize, heute in Kraftwerke zu investieren, die vielleicht erst in einigen Jahren nach dem vollständigen Ausstieg aus der Steinkohle- und dem überwiegenden Ausstieg aus der Braunkohleverstromung erforderlich seien. Angesichts der auch bei Kraftwerken langen Planungs- und Genehmigungszeiträume halten wir es für wichtig, rechtzeitig auf die Installation eines geeigneten Marktmechanismus hinzuwirken, der diese Situation lösen kann.

Neben den Kosten der verschiedenen Kapazitätsmechanismen betrachtet der Consentec-Bericht auch, wie die Kosten bei einer angenommenen Kraftwerkskapazität von 60 GW auf verschiedene Gruppen von Endverbrauchern gewälzt werden können.

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