Deutschland

Da hilft nur Bauen – Mindestens 1,7 Millionen Wohnungen fehlen in Deutschland

Zu viele leben in deutschen Großstädten in zu teuren Wohnungen, das ist seit Jahren bekannt. Eine neue Studie versucht zu ermitteln, wie viele Wohnungen tatsächlich neu gebaut werden müssten, um daran etwas zu ändern.
Da hilft nur Bauen – Mindestens 1,7 Millionen Wohnungen fehlen in DeutschlandQuelle: www.globallookpress.com © Martin Müller via www.imago-imag

In einer neuen Studie der Hans-Böckler-Stiftung, "Die Verfestigung sozialer Wohnungsprobleme", wird erstmalig versucht, anhand der Zahlen für 77 deutsche Großstädte den fehlenden Wohnraum rechnerisch zu ermitteln.

Bisher lagen dazu nur Schätzungen vor, die meist aus den Wohlfahrtsverbänden stammten. Weil es sich um Schätzungen handelte, waren sie immer relativ leicht in Frage zu stellen und damit als politisches Problem zu entschärfen.

Die neue Studie stellt aus den Daten des Mikrozensus zuerst den Wohnraumbedarf der Haushalte fest, orientiert an den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus. Dann wird die sogenannte "Idealverteilung" ermittelt, d. h. wie viele Menschen noch in zu teuren oder zu kleinen Wohnungen lebten, wenn der vorhandene Wohnraum nach den Bedürfnissen verteilt würde.

Das Ergebnis dieses Rechenschritts war, dass selbst bei der Idealverteilung eine Lücke von 1,7 Millionen armen Haushalten (mit einem Einkommen unter 60 Prozent des Medianeinkommens) bleibt, deren Wohnbedürfnisse nicht befriedigt werden können. Da ein Haushalt jeweils eine Wohnung benötigt, wird so ein realer Mangel an 1,7 Millionen Wohnungen in den untersuchten 77 Großstädten festgestellt. 1,4 Millionen davon sind kleine Wohnungen für eine Person.

Nachdem sich die Studie nur auf Großstädte bezieht, es aber auch Klein- und Mittelstädte mit einer Mangelversorgung gibt, dürfte die bisherige Schätzung von fehlenden zwei Millionen Wohnungen bezogen auf das Bundesgebiet den wirklichen Bedarf eher noch unterschätzen. Schließlich leben in den untersuchten 77 Großstädten nur etwa 26 von insgesamt 83 Millionen Bundesbürgern.

Zusätzlich darf man nicht vergessen, dass die Idealverteilung zwar eine nützliche Methode ist, um zu erkennen, wie viel mindestens gebaut werden müsste, damit in besagten 77 Großstädten jeder Haushalt mit einer Wohnung versorgt werden kann, die günstig und groß genug ist; aber diese Idealverteilung ist nichts, was außerhalb einer Wohnraumbewirtschaftung, also einer Zuweisung durch staatliche Stellen, jemals erreicht werden könnte.

Die Spanne beim Wohnraum pro Haushaltsmitglied ist nämlich nach dem jüngsten Armutsbericht der Bundesregierung beträchtlich und reicht von 48 Quadratmetern bei niedrigem Einkommen bis 91,8 Quadratmetern bei hohem Einkommen. Und das sind Mittelwerte, die sich aus drei (üblicherweise fünf) Einkommenskategorien ergeben. Der durchschnittliche Wohnraum für Einkommensarme liegt noch darunter, was die HBS-Studie bestätigt.

Eine Annäherung der Real- an die Idealverteilung unterhalb der Bewirtschaftung geht nur in jenem Teilbereich, in dem noch geförderte Wohnungen in öffentlichem Besitz oder bei Genossenschaften nur deshalb von "zu wenigen" Personen belegt sind, weil ein Umzug in eine kleinere Wohnung für die Betroffenen eine höhere Mietbelastung zur Folge hätte. An dieser Stelle kann eine Kommune eingreifen und durch eine Senkung der Miete der kleineren Wohnung die größere wieder zur Verfügung stellen. In einigen Großstädten wurde das bereits versucht.

Das ist aber, da die Zahl der Sozialwohnungen inzwischen verschwindend gering ist, eine Maßnahme, die an der Gesamtlage sehr wenig verändert. Wenn man den Anspruch Besserverdienender auf deutlich mehr Wohnraum hinnimmt, müsste man die Baulücke, die die Studie festgestellt hat, noch einmal um mindestens ein Drittel nach oben korrigieren, da bei der Idealverteilung jeder Haushalt nur so viel Wohnraum hat, wie der soziale Wohnungsbau vorsieht. Dann wären es bereits zwei Millionen fehlende Wohnungen nur in den Großstädten.

Wenn man jetzt noch davon ausgeht, dass eine Veränderung bei den Mieten nur durch den Markt erst dann erfolgt, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, würden selbst die zwei Millionen nicht genügen, um tatsächlich eine Versorgung aller Einwohner mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen.

Eine Lösung des Problems durch geförderten Wohnungsbau stößt allerdings auf weitere Probleme. Um in einem überschaubaren Zeitraum zwei Millionen Wohnungen zu bauen, fehlen schon die technischen Kapazitäten. Im vergangenen Jahr wurden 300.000 Wohnungen gebaut, und das wurde bejubelt, weil damit der Stand von 2001 erstmals übertroffen wurde. Wenn man davon ausginge, dass es sich dabei komplett um neuen Wohnraum handelt und nicht um Ersatzbauten, die an die Stelle abgerissener alter treten, dann würde es bei dieser Geschwindigkeit immer noch sieben Jahre dauern, bis die gegenwärtige Lücke geschlossen ist.

Was gleichzeitig zur Voraussetzung hätte, dass diese neuen Wohnungen auch bezahlbar sind. Aber schon seit den 1980er Jahren werden in der Bundesrepublik vor allem Eigentumswohnungen und Mietwohnungen der obersten Preislage gebaut, die nur sehr begrenzt dazu beitragen, den Mangel zu beheben.

Die Bauwirtschaft in der BRD wurde so weit heruntergefahren, dass inzwischen jede einzelne Sparte nicht mehr ausbaubar ist; das betrifft neben dem Wohnungsbau etwa auch die Verlegung von Stromanschlüssen für E-Autos oder die Sanierung von Autobahnbrücken. In all diesen Bereichen müssten die benötigten Arbeitskräfte erst ausgebildet werden.

Das nächste Problem sind die hohen Bodenpreise. Ein kleines Beispiel: Bei einem Bodenpreis von 2.000 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche (das entspricht ungefähr dem Bodenrichtpreis in Berlin) liegt, wenn die Baukosten mit 1.800 Euro/qm günstig kalkuliert sind, der reine Selbstkostenpreis bei 3.800 Euro/qm. Selbst um diese Kosten im Verlauf von 30 Jahren unverzinst wieder einzuspielen, braucht es eine Quadratmetermiete von über 10 Euro. Gebraucht werden aber vor allem Wohnungen mit einer Miete unter 10 Euro/qm.

Das bedeutet, dass selbst nicht gewinnorientierte Bauherren wie Wohnungsgenossenschaften ohne öffentliche Zuschüsse nicht mehr im Stande sind, den benötigten Wohnraum zu bauen. Selbst eine Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau würde das Problem nicht lösen.

Die HBS-Studie belegt nicht nur, dass die Unterversorgung mit Wohnraum seit 2006 nur minimal verringert wurde; sie beweist vor allem, wie gewaltig die Anstrengungen sein müssten, das Problem tatsächlich zu beheben. Aber auch in den drei Jahren, die zwischen dem Erhebungszeitraum der Daten und der Gegenwart liegen, ist diesbezüglich nichts Entscheidendes geschehen.

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