Vitamin B wie BioNTech: Ex-Spahn-Mitarbeiter jetzt Impfstoff-Lobbyist

Lobbyismus soll nichts weiter fester Bestandteil des demokratischen Prozesses sein. Allerdings werden Interessen verschiedener Gruppen äußerst ungleich durchgesetzt. Der "direkte Draht nach oben" verschafft besonderen Vorsprung, auf den auch BioNTech setzt.

Bei Stellenanzeigen im Bereich Public Affairs verlangen Unternehmen neben Hochschulabschluss, Kommunikationsfähigkeiten und Erfahrung vor allem ein bestehendes und auszubauendes verlässliches Netzwerk zu Vertretern aus Politik, Verbänden und Medien sowie mitunter ein "fundiertes Verständnis der deutschen Politikprozesse" und der institutionellen Akteure sowie politischen Stakeholder. Denn die in dem Bereich tätigen Mitarbeiter vertreten die Unternehmensinteressen gegenüber politischen Ansprechpartnern.

Der im Laufe des vergangenen Jahres zu erweiterter öffentlicher Prominenz gelangte Mainzer Pharmakonzern BioNTech hat den Posten "Associate Director Public Affairs" mit Mike Schuster besetzt – einem jungen Mann, der sehr direkte Verbindungen in das höchste Gesundheitsregierungsamt haben dürfte. Denn Schuster war bis 2018 vier Jahre lang Referent im Bundestagsbüro von Jens Spahn gewesen.

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Derartige Karrierewege sind nicht unüblich. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de verschaffen sich große Lobbyverbände und Unternehmen aus den verschiedensten Wirtschaftssektoren so direkten Zugang zu Entscheidungsträgern auf Bundes-, Landes- und Europaebene und nehmen gezielt langjährige Büroleiter von Politikern unter Vertrag. Ein Problem bei diesen "Seitenwechseln" ist laut abgeordnetenwatch.de offensichtlich, dass sich die jeweiligen Unternehmen oder Verbände gegenüber anderen Interessengruppen einen unschätzbaren Vorteil verschaffen.

"Zugespitzt gesagt: Am Ende dringt nicht derjenige mit den besten Argumenten zu den Entscheidungsträgern durch, sondern der Lobbyakteur mit der klügsten Personalpolitik."

Der Corona-Vakzin-Hersteller BioNTech hat die seit Anfang Juni mit dem Ex-Spahn-Mitarbeiter besetzte Stelle offenbar eigens auf den jungen Mann zugeschnitten, zumindest gab es diese Position vorher in dem Unternehmen nicht.

Mit Schuster hat somit auch der Impfstoff-Riese BioNTech auf Einfluss durch Personalpolitik gesetzt, eine Praxis, die nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de bei vielen Wirtschaftsverbänden mit Ex-Mitarbeitern von Unionspolitikern Methode zu haben scheint. Der erst 32-jährige Schuster selbst war zwischenzeitlich für als Lobbyist für das Pharmaunternehmen Abbvie und zuvor beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) tätig, der mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes repräsentiert.

Während BioNTech-Gründer Uğur Şahin seit dem COVID-19-Impfstoff-Durchbruch zu den 100 reichsten Deutschen und damit zu der Minderheit der Gewinner der Corona-Krise gehört, hat sich bei der Union gerade im vergangenen Jahr durch eine mittlerweile beinahe unüberschaubare Vielzahl von Skandalen gezeigt, dass bedenkliche Einflussnahme, gerade durch persönliche Verbindungen, mit viel gelobten demokratischen Prozessen oder aber öffentlicher Gesundheit häufig weniger zu tun hat als mit privater Bereicherung auf gesellschaftliche sowie staatliche Kosten.

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