Nach der Aussage der Bundesregierung, Kinder ab zwölf Jahren könnten sich ab dem 7. Juni um einen Impftermin bemühen, und nach der EMA-Zulassung des Corona-Impfstoffes der Pharmakonzerne BioNTech/Pfizer für diese Altersgruppe ist eine Debatte entbrannt, ob Schulkinder bevorzugt geimpft werden sollen – ob gar der Präsenzunterricht abhängig sein könnte von einer Corona-Impfung. Gegen eine solche Privilegierung von geimpften Schulkindern und gegen einen damit einhergehenden Ausschluss der Ungeimpften vom regulären Schulunterricht hat sich nun die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ausgesprochen.
Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) äußerte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe ihre Bedenken:
"Eine Impfung darf nicht Voraussetzung dafür sein, dass die Kinder in die Schule gehen können. Das Menschenrecht auf Bildung muss gesichert sein."
Tepe betonte, sollte es zu einer vierten Corona-Welle kommen, müsste wie bisher mit Tests gearbeitet werden. Allerdings hätten es die Landesregierungen "leider versäumt, eine Gefährdungsbeurteilung für die Schulen zu erstellen". Auch über einem Jahr der Corona-Krise gebe es noch immer Klassenräume, die man nicht ausreichend lüften könne.
Bevorzugte Impfung für Kinder mit Vorerkrankung?
Indessen hat sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) laut dpa dafür ausgesprochen, dass zumindest vorerkrankten Kindern bis zum Schuljahresbeginn ein Impfangebot unterbreitet werden solle. Allerdings steht eine formale Prüfung der Freigabe des BioNTech-Impfstoffes für Kinder von zwölf bis 15 Jahren durch die Ständige Impfkommission (STIKO) noch aus. In den vergangenen Tagen hatten Mitglieder der STIKO ihre Skepsis bezüglich der Sinnhaftigkeit der Corona-Impfungen für Kinder angedeutet. Eine Entscheidung der STIKO könnte bereits kommende Woche fallen.
Karliczek betonte hingegen gegenüber dem RND:
"Selbst wenn die STIKO, wie einige ihrer Mitglieder angedeutet haben, die Empfehlung geben würde, zum Beispiel nur vorerkrankte Kinder zu impfen, würde dies dem Gesundheitsschutz dieser Gruppe sehr dienen."
Die CDU-Politikerin ist sich sicher, diese Kinder könnten dann trotz der Vorerkrankung wieder in ihren Alltag zurückkehren. Das würde den Schulalltag nach den Sommerferien erleichtern, und eine Risikogruppe mehr wäre geschützt. Details über die Vorerkrankungen und eine damit möglicherweise einhergehende Erhöhung für eine Infektion mit dem Coronavirus nannte Karliczek nicht. Stattdessen beteuerte sie die Notwendigkeit der Impfungen – allerdings auf freiwilliger Basis:
"Das Ziel sollte sein, dass die Impfungen für diese Gruppe bis zum Beginn des neuen Schuljahres angeboten werden können."
Lambrecht: Spahn hat "unrealistische Erwartungen geweckt"
In den deutschen Medien wird weniger diskutiert, ob Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden sollen, dafür umso mehr das Wie. Problematisiert werden "das Nadelöhr der Impfkampagne", "die zu geringe Zahl an Impfdosen" und vor allem die "Impfstoffverteilung". Diesbezüglich äußerte sich Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht und warnte vor einem Generationenkonflikt.
Die SPD-Politikerin betonte laut dpa, es sei ihr "ganz wichtig, dass in der Frage der Impfungen die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden". Sie argumentierte, dass für gesunde Kinder und Jugendliche nur ein geringes Risiko bestehe, schwer an Corona zu erkranken. Anders sei dies "bei Älteren, die bei Weitem noch nicht alle geimpft werden konnten". Lambrecht kritisierte, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe angesichts der vorhandenen Menge des Corona-Impfstoffs "unrealistische Erwartungen geweckt".
Spahn hatte zunächst vorgeschlagen, BioNTech-Dosen für Schüler reservieren zu lassen. Dieser Plan wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder auf der Impfberatung am Donnerstag verworfen. Durchgesetzt wurde, dass sich Kinder wie alle Impfwilligen ab dem 7. Juni – nach dem Ende der Priorisierung – um einen Impftermin "bemühen" können, wie Merkel gesagt hatte. Am Versprechen, dass alle ein Impfangebot bis spätestens 21. September erhalten, hielt sie fest.
Knapp die Hälfte der Eltern befürworten Corona-Impfung ihrer Kinder
Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Augsburger Allgemeinen zeigt, dass derzeit nur etwa die Hälfte der befragten Eltern ihre Kinder gegen Corona impfen lassen würde. Von den 1.506 im Zeitraum 20. bis 27. Mai befragten Personen gaben 37 Prozent an, ihre Kinder "auf jeden Fall" zu impfen, 14 Prozent antworteten mit "eher ja". 40 Prozent der Befragten sprachen sich gegen eine Corona-Impfung für die Kinder aus.
Es zeigte sich ein deutliches Gefälle zwischen den Geschlechtern: 47 Prozent der Frauen lehnen demnach eine Impfung für ihre Kinder ab, bei den Männern sind es nur 35 Prozent. Auch in Ostdeutschland zeigten sich die Befragten eher skeptisch – 53 Prozent der ostdeutschen Befragten lehnte die Impfung für die Kinder ab. Im Westen hingegen sprachen sich 54 Prozent der Befragten für die Impfung aus.
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