Die Verordnung der Bundesregierung über die Ausnahmeregeln für Geimpfte, Genesene und Getestete erzeugt das zu erwartende administrative Chaos.
Als Voraussetzung gilt "ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrunde liegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal 6 Monate zurückliegt".
Interessanterweise werden in einigen Gegenden durch die Gesundheitsämter Bescheinigungen an all jene verschickt, die dort mit einem positiven PCR-Test in den letzten sechs Monaten verzeichnet sind. So etwa in Südthüringen oder Osthessen. Damit tun sie genau das, was die beteiligten Ministerien zu vermeiden suchten – sie schaffen einen Verwaltungsakt, der einklagbar sein könnte.
Ein Verwaltungsakt ist, so definiert es der § 35 VwVfG, "jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Es wird schwierig werden, zu beweisen, dass diese Schreiben der Gesundheitsämter keine hoheitliche Maßnahme sind, die die Behörde Gesundheitsamt auf Grundlage einer Verordnung in einem Einzelfall mit einer Wirkung nach außen trifft. Damit könnten zumindest in diesen Gebieten ehemals Erkrankte, die ihre Erkrankung nur durch einen Antikörpertest belegen können, tatsächlich eine Klage auf Erteilung einer Genesenenbescheinigung versuchen.
Aber ebenso der Quarantänebescheid, der in der Verordnung nicht erwähnt wird, wird mancherorts als Nachweis akzeptiert: in Mannheim dann, wenn er einen Verweis auf einen PCR-Test enthält, in Essen auch ohne. Die Übersicht über Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass sich das Vorgehen von Landkreis zu Landkreis unterscheidet.
Das mag alles handhabbar sein, solange sich die Menschen nur in ihren eigenen Städten bewegen und es nur mit ihrem dortigen Ordnungsdienst zu tun haben. Bei derart kleinteiligen Unterschieden muss man aber bloß eine Landkreisgrenze überschreiten, um auf andere Regeln zu treffen.
Noch interessanter wird es, wenn man sich mit dem strafrechtlichen Aspekt befasst. Das ist nicht so irrelevant, wie es klingt. Wenn es zu einer Polizeikontrolle kommt, müssen die kontrollierenden Polizisten ja nicht nur erkennen können, ob die (vorerst) in sechs Sprachen vorzeigbaren PCR-Tests oder Atteste bzw. Schreiben des Hausarztes oder Bescheinigungen der Gesundheitsämter echt bzw. falsch sind. Im Falle eines Verdachtes einer Fälschung müssten sie außerdem strafrechtliche Ermittlungen einleiten.
RT DE hat zu diesem Punkt bei Strafrechtlern nachgefragt. Der Strafrechtsanwalt Ali Reza Shahrudi sah sowohl in der Erstellung als auch im Gebrauch eines erstellten falschen Testergebnisses eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB. Das wäre im Falle eines durch einen Mediziner falsch bezeugten Testes ein Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB. Außerdem käme § 277 StGB in Betracht, wenn jemand vorgibt, Mediziner zu sein oder ein von einem vorgeblichen Mediziner erstelltes Papier gebraucht.
Schon der Versuch der Urkundenfälschung sei mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren strafbar. Besonders schwere Fälle, wie gewerbsmäßige Fälschung, zögen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren nach sich.
Dr. Matthias Brauer sah die Rechtslage nicht so eindeutig. Die Fälschung eines PCR-Ergebnisses könne als Urkundenfälschung gem. § 267 StGB oder als Fälschung von Gesundheitszeugnissen gem. § 277 StGB gewertet werden.
"Dabei ist jedoch weitgehend ungeklärt, ob ein PCR-Test ein Gesundheitszeugnis darstellt, weil die Aussagekraft über den Gesundheitszustand zweifelhaft sein dürfte."
Wenn der Aussteller einen Arzt erfände, den es gar nicht gibt, könne es auch keine Urkundenfälschung sein. Dennoch müsse davon abgeraten werden, da "die Rechtslage nicht durch oberste Gerichte geklärt ist".
Diese zwei Antworten belegen bereits, dass die juristische Bewertung falscher oder nur vermeintlich falscher PCR-Tests nicht so einfach ist. Die Klärung, ob ein fremdsprachiger PCR-Test echt ist oder nicht, erfordert noch dazu Zeit und erzeugt, wenn übersetzt werden muss, zusätzliche Kosten. Da es sich aber womöglich um eine Straftat handelt und nicht, wie bei einer schlichten unerlaubten Anwesenheit etwa in einem Lokal durch einen Normalsterblichen ohne 3-G-Privilegien, um eine Ordnungswidrigkeit, wäre die Polizei verpflichtet, sämtliche erforderliche Daten aufzunehmen.
Die Pressestelle der GdP erklärte hierzu gegenüber RT DE:
"Mit der Pandemie hat sich das Aufgabenspektrum der Polizistinnen und Polizisten ständig erweitert. Wie genau sollen die Kolleginnen und Kollegen das denn nun auch noch kontrollieren? Die Folgen durch das Coronavirus und die damit im Zusammenhang stehenden Überprüfungen sind ein immer wiederkehrendes Ärgernis im Dienstalltag. Ich denke beispielsweise an die zum Teil gefälschten 'Maskenatteste' oder Impfausweise. Je unsauberer und uneindeutiger die Rechtsgrundlage, desto schwieriger wird die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen. Das führt zu Arbeitsverdichtung oder Diskussionen mit dem Gegenüber."
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