Trotz Pandemie: "Historisch niedrige Auslastung" in Kliniken

Eine zweite Studie belegt eine massive Unterbelegung deutscher Krankenhäuser im ersten Pandemie-Jahr. Stattdessen überlasten Personalmangel, Pandemie-Missmanagement und Unterfinanzierung die Pflegekräfte und gefährden Kranke fortgesetzt. Ausbaden sollen es die Bürger.
Trotz Pandemie: "Historisch niedrige Auslastung" in KlinikenQuelle: www.globallookpress.com

von Susan Bonath

Mit COVID-19-Patienten überlaufene Kliniken, die massenhaft Schwerkranke abweisen müssen: Ein solches Horrorszenario malt die Bundesregierung seit einem Jahr an die Wand. Es ist eines der Damoklesschwerter, mit denen sie Lockdown um Lockdown und dauerhafte Grundrechtseinschränkungen rechtfertigt. Just eingetreten ist das bisher nie. Nach einer Studie der Initiative Qualitätsmedizin (IQM), über die RT DEberichtete, belegt nun eine weitere Datenanalyse des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) eine "historisch niedrige Bettenauslastung" deutscher Kliniken im ersten Pandemie-Jahr.

Kliniken melden 2,4 Millionen weniger Behandlungsfälle als 2019

Den im Ärzteblatt veröffentlichten Daten zufolge sank die Zahl der abgerechneten Behandlungsfälle im Jahr 2020 gegenüber 2019 um fast 13 Prozent von 19,2 auf 16,8 Millionen. Einen besonders starken Rückgang der Fallzahlen verzeichneten die Autoren Ulrike Nimptsch und Reinhard Busse von der Technischen Universität (TU) Berlin in kleinen und mittleren Krankenhäusern mit weniger als 600 Betten. In den größeren Kliniken war die Abnahme weniger stark ausgeprägt, wie sie informierten.

Die mittlere Verweildauer pro Patient verlängerte sich derweil geringfügig um ein Prozent von 5,98 auf 6,02 Tage. Wegen der geringen Patientenzahlen sank aber die Zahl der Verweiltage pro Patient insgesamt bei den großen Kliniken um elf, den mittleren Häusern um 13 und den kleinen Einrichtungen um 15 Prozent. Das ließ auch die Bettenauslastung auf ein "historisches Allzeittief" schrumpfen, wie es die Autoren ausdrücken. Betrug diese im vorvergangenen Jahr insgesamt gut 75 Prozent, lag sie im ersten Pandemie-Jahr in den Großkliniken bei 71,2, den mittleren Krankenhäusern bei 66,3 und den kleinen bei 62,1 Prozent.

Auch die Zahl der Intensivpatienten stieg danach insgesamt nicht. Nur die großen Krankenhäuser verzeichneten ein leichtes Mehraufkommen von einem Prozent. In den kleinen und mittleren Kliniken sank die Zahl der Intensivpatienten um fünf beziehungsweise zwei Prozent. Dass in letzteren trotzdem die Auslastung zunahm, liegt laut Autoren an einem Abbau der Intensivbetten um sieben Prozent von 6.697 im Jahr 2019 auf 6.237. Insgesamt allerdings konstatierten die Analysten geringfügig mehr Intensivbetten als im Vorjahr. Ihre Zahl stieg demnach marginal von 26.581 auf 26.787 Betten.

Das bedeutet: Zu Beginn der Pandemie rüsteten die großen Kliniken demnach ihre Intensivstationen um genau nur 666 auf 20.550 Betten tatsächlich auf, während die kleinen Krankenhäuser wiederum 460 Betten abbauten und damit ihre Kapazität auf 6.237 Plätze reduzierten. Der Reingewinn: ein minimales Plus von 206 Betten. Und das in einer Pandemie?

Kaum mehr Betten als vorher: Spahns Finanzspritze offenbar versickert

Das wirft noch weitere Fragen auf. Denn im Frühjahr 2020 machte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter Minister Jens Spahn (CDU) mehr als eine halbe Milliarde Euro Steuergeld locker, mit dem die Kliniken ihre Intensivbetten von angeblichen 28.000 auf rund 40.000 aufstocken sollten.

Geschehen ist das nicht. Zwar meldete das Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) im vergangenen Sommer zeitweise mehr als 33.000 Betten. Die Zahl schrumpfte aber zusehends. So hatte die DIVI Ende Oktober 2020 nur noch knapp 29.000 belegbare Betten registriert, Ende Dezember waren es weniger als 27.000, und am 14. März 2021 wiesen die Intensivregister-Daten gerade noch 23.900 belegbare Betten für Erwachsene aus.

Eklatanter Personalmangel: Notstand in Kinder-Intensivstationen am dramatischsten

Wie DIVI-Sprecherin Nina Meckel auf Nachfrage der Autorin erklärte, ist der neuerliche scheinbare Rückgang der Betten jedoch nur einer Änderung in der Darstellung geschuldet. So habe man die Kinder-Intensivbetten nun herausgerechnet. "Corona-Patienten landen ja nicht auf Kinderstationen", sagte sie am Telefon. Den Rückgang der gemeldeten Betten im letzten Jahr erklärt das nicht. Dieser, so Meckel, liege vermutlich nicht an der Anzahl vorhandener, sondern durch Personal auch betreibbarer Betten. Sie mahnte:

"Das hat natürlich etwas mit dem eklatanten Personalmangel zu tun. Hinzu kommen Isolierungs-, Schutz- und Quarantänemaßnahmen. Viele Pflegekräfte mussten wohl auch eigene Kinder betreuen und sind daher ausgefallen."

Damit tut sich ein weiterer Skandal auf: Erstens war und ist die Zahl der Intensivbetten für Erwachsene weitaus geringer, als im ersten Pandemie-Jahr zumindest suggeriert wurde. Zweitens verfügt Deutschland über eine erschreckend niedrige Zahl an Intensivplätzen für Kinder. Demnach wiesen die Kliniken für sie am 14. März 2021 gerade einmal 2.776 Intensivbetten aus – bundesweit. DIVI-Sprecherin Meckel kennt das Problem: "Ja, das ist ein riesiges Drama, das schon viele Jahre besteht und auf das wir immer wieder aufmerksam gemacht haben." Für die Politik scheint das aber kein Thema zu sein.

Kliniken vor der Pleite, viele Pflegekräfte arbeitslos

Der Logik des Marktes folgend, bringen die gesunkenen Fallzahlen wiederum die Kliniken in wirtschaftliche Not. Vielen Häusern drohe gar die Pleite, warnte die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) kürzlich. Wer in finanzieller Not ist, stellt auch kein neues Personal ein – und bezahlt vorhandenes nicht besser.

So schrumpfte darüber hinaus die Zahl der Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen im ersten Pandemie-Jahr offensichtlich weiter. Vergangene Woche meldete die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag einen Rückgang um ungefähr 9.000 Beschäftigte in diesem Bereich. Derweil saßen 2020 alleine in Berlin mehr als 800 Krankenpflegekräfte arbeitslos zu Hause. Im gesamten Bereich der medizinischen Gesundheitsberufe verzeichnete die BA Ende 2020 über 4.500 arbeitslose Fachkräfte in der Hauptstadt.

Neue Lockdown-Forderungen: Bürger sollen Notstand weiter ausbaden

Der Notstand im Gesundheitswesen liegt demnach weniger an der COVID-19-Pandemie als daran, dass die Politik die Kliniken schon lange vorher dem Wettbewerb des Marktes überließ. Der sich verschärfende Dauernotstand sorgt nun dafür, dass Kliniken Behandlungen und Operationen fortgesetzt verschieben. Im Frühjahr 2020 ordnete dies sogar die Bundesregierung an, um Betten für COVID-19-Patienten freizuhalten.

Die Folgen gehen aus der InEK-Datenanalyse ebenfalls hervor: Zwischen dem 9. März und dem 24. Mai 2020 sanken die Fallzahlen in deutschen Kliniken um 30 Prozent. Danach lagen sie fortgesetzt zehn Prozent unter dem Niveau des Vorjahres – trotz Pandemie.

Eine eklatante Mangelversorgung war damit vorprogrammiert. Die Deutsche Krebshilfe registrierte bereits im Juli 2020 rund 50.000 verschobene Krebsoperationen in den ersten drei Pandemie-Monaten. Im Dezember warnten Mediziner erneut vor einer dramatischen Unterversorgung von Krebspatienten. Immer mehr Eingriffe würden ausgesetzt. Corona bringe die Betroffenen in eine "bedrohliche Situation".

Der Gesundheitsnotstand ist zwar politisch forciert – ausbaden muss ihn aber die Mehrheit der Gesellschaft. Das Robert Koch-Institut warnt seit Wochen vor einer dritten Corona-Welle, und Intensivärzte fordern, den Lockdown wieder zu verschärfen – um die Krankenhäuser nicht zu überlasten. Offenbar soll dies nun endlos weitergehen. Von einem Plan, das Gesundheitssystem im Sinne der Bevölkerung um- und auszubauen, ist seitens der Regierung jedenfalls bislang nicht die Rede.

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