Grüne als Gewinner der Landtagswahlen – Ein Signal für die Bundestagswahl?

Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stehen die Grünen als Sieger dar. Die CDU dagegen hat historisch schlechte Ergebnisse eingefahren. Die wiedererstarkte FDP sieht das auch als Folge der kritikwürdigen Corona-Krisenpolitik der Bundesregierung.

Siege für die Amtsinhaber, Niederlage für die CDU: Bei den Landtagswahlen zum Auftakt des Superwahljahrs hat sich Bündnis 90/Die Grünen in Baden-Württemberg und die SPD in Rheinland-Pfalz als stärkste Partei behauptet. Sechs Monate vor der Bundestagswahl stürzte die CDU mit ihrem neuen Parteivorsitzenden Armin Laschet auf historisch schlechte Ergebnisse ab. In beiden Ländern könnten SPD, FDP und Grüne nun laut den vorläufigen Ergebnissen eine sogenannte Ampel-Koalition schmieden – und die CDU als jeweils zweitstärkste Kraft außen vor lassen. In der Union wachsen Befürchtungen, dies könne ein Signal auch für den Bund sein.

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg haben die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Landtagswahl mit einem bundesweiten Rekordergebnis gewonnen und können sich die Koalitionspartner aussuchen. Die bisher mitregierende CDU stürzte in ihrer einstigen Hochburg auf das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte. Die grün-schwarze Koalition könnte zwar weiterregieren, die Grünen haben aber nun auch die Möglichkeit, mit SPD und FDP eine Ampel-Koalition zu bilden. Für eine Neuauflage von Grün-Rot reicht es dagegen knapp nicht.

Nach dem vorläufigen Endergebnis erringt Bündnis 90/Die Grünen 32,6 Prozent, ein Plus von 2,3 Punkten. Die CDU verliert fast drei Prozentpunkte und landet bei nur noch 24,1 Prozent. Die AfD büßt im Vergleich zu der Wahl vor fünf Jahren am meisten ein und landet nur auf Platz fünf. Sie bekommt 9,7 Prozent, das ist ein Minus von 5,4 Prozent. Die SPD liegt mit schwachen 11,0 Prozent auf Platz drei noch knapp vor der FDP, die sich auf 10,5 Prozent steigern kann – ein Plus von 2,2 Prozent. Die Linke verfehlt mit 3,6 Prozent wiederum klar den Einzug in den Landtag.

Bei der CDU steht Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann vor dem politischen Aus. Es sei ein "enttäuschendes und desaströses Wahlergebnis", sagte die 56-jährige derzeitige baden-württembergische Kultusministerin. "Natürlich übernehme ich die Verantwortung". Sie strebe keine führende Rolle in der Partei mehr an. CDU-Landeschef Thomas Strobl will Grün-Schwarz unbedingt fortsetzen. Strobl ist sich sicher:

"Es gibt keine Wechselstimmung im Land."

Ministerpräsident Kretschmann hat nun die Wahl. Gegenüber dem ZDF betonte er gestern Abend, Baden-Württemberg brauche eine "verlässliche und stabile Regierung", die einen klaren Kompass habe. Er werde "sehr ernsthafte Gespräche" führen und nicht "irgendwelche Scheintreffen". Die Grünen wollen am Mittwoch zuerst mit der CDU sprechen und am Freitag dann separat mit SPD und FDP. SPD-Generalsekretär Sascha Binder ist sich laut dpa sicher:

"Die CDU ist abgewählt."

Vor zehn Jahren war Kretschmann zum ersten Ministerpräsidenten von Bündnis 90/Die Grünen gewählt worden, nachdem Grün-Rot die schwarz-gelbe Koalition des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) überholt hatte. 2016 wurden die Grünen dann erstmals stärkste Partei, allerdings reichte es nicht mehr für eine Koalition mit der SPD, und Kretschmann ging ein Bündnis mit der CDU ein.

Auch der CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg Manuel Hagel sprach von einem "ganz bitteren Abend für die CDU Baden-Württemberg". Er betonte aber, man drücke sich nicht davor, weiter zu regieren. Der Ball liege nun bei den Grünen. Strobl solle federführend mit den Grünen sondieren, ob eine Neuauflage der grün-schwarzen Koalition möglich ist. Eine sogenannte "Deutschland-Koalition" mit SPD und FDP, bei der die Grünen als stärkste Partei ausgelassen würden, komme nicht infrage, erklärte Hagel.

FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke sieht in dem guten Abschneiden seiner Partei einen Auftrag zum Mitregieren und setzt auf eine Ampel-Koalition mit Grünen und SPD. Er äußerte laut dpa: "Die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger wollen die FDP wieder in der Regierung sehen."

Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei 63,8 Prozent. Das ist deutlich niedriger als 2016, als 70,4 Prozent der Berechtigten zur Wahl gegangen waren. Dafür war die Zahl der Briefwähler diesmal weit höher als in den Jahren zuvor.

Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz hat die SPD um Ministerpräsidentin Marie-Luise "Malu" Dreyer die Landtagswahl klar gewonnen. Die CDU mit Spitzenkandidat Christian Baldauf kassierte dagegen das bisher schlechteste Ergebnis ihrer Landesgeschichte und schafft es voraussichtlich auch nach 30 Jahren nicht, wieder mit regieren zu können. Die seit 2016 im Land regierende Ampel-Koalition könnte mit dem Wahlergebnis weitermachen. Im Parlament sitzen künftig sechs Parteien, denn die Freien Wähler zogen erstmals in den rheinland-pfälzischen Landtag ein.

Die SPD kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 35,7 Prozent der Stimmen. Deutlich dahinter lag die CDU mit 27,7 Prozent. Ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hatte sie 2016 mit 31,8 Prozent eingefahren. Die Grünen liegen auf Platz drei. Sie kamen auf 9,3 Prozent. Damit wären in einer Neuauflage der Ampel nicht mehr die FDP, sondern die Grünen zweitstärkste Kraft. Die AfD landete bei 8,3 Prozent. Die FDP erreichte 5,5 Prozent und rangierte damit nur knapp vor den Freien Wählern mit 5,4 Prozent. Die Linke verpasste einmal mehr den Sprung in den Landtag und landete bei 2,5 Prozent.

Malu Dreyer kündigte baldige Gespräche zur Neuauflage der Ampel-Koalition an:

"Es ist völlig klar, dass ich mich sehr schnell mit meinen Parteivorsitzenden und den Kollegen der Parteien dann zusammensetzen werde um zu klären, wie wir in Zukunft zusammenregieren wollen."

CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf hat schnelle persönliche Konsequenzen nach der Wahlniederlage ausgeschlossen: "Personell werden wir zunächst mal nichts verändern." Er kündigte aber eine inhaltliche Analyse und "ordentliche" Aufarbeitung an. Ob er künftig den Posten des Fraktionschefs anstrebe, ließ der 53-Jährige offen.

Die grüne Spitzenkandidatin und derzeit rheinland-pfälzische Familien- und Umweltministerin Anne Spiegel sprach von einem "fulminanten Auftakt in ein Superwahljahr":

"Wir Grünen sind diejenigen, die in der Regierung am stärksten zugelegt haben und für uns ist das ein klarer Regierungsauftrag für konsequenten Klimaschutz. Genau das wollen wir auch in einer kommenden Regierung dann umsetzen."

Die Wahlbeteiligung lag diesmal bei 64,4 Prozent, zwei Drittel gaben ihre Stimme per Briefwahl ab. 2016 hatte die Wahlbeteiligung bei 70,4 Prozent gelegen, seinerzeit lag der Briefwähler-Anteil bei 31 Prozent.

Reaktionen aus dem Bund

Die Reaktionen der Bundesparteien auf die Landtagswahlen fallen zum Teil deutlich aus. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sieht laut dpa die Ergebnisse als Signal, zunehmend auf Distanz zu einer Koalition mit der Union zu gehen:

"Es gibt Mehrheiten diesseits von CDU und CSU und es gibt auch gute Chancen für Olaf Scholz, der Kandidat der stärksten dieser Parteien zu sein."

Walter-Borjans fand deutliche Worte hinsichtlich der Union: "Die Leute vertrauen nicht auf drei Buchstaben, sondern auf Menschen". Er hob die Rolle von Olaf Scholz hervor. Dieser mache eine solide Politik und sei ein stabiler Faktor in der Bundesregierung.

Für die Union meldete sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zu Wort und verlangte einen Schulterschluss von ihrer Partei:

"In den nächsten Tagen und Wochen kommt es vor allem darauf an, dass die Union zusammensteht. Alle Entscheidungen sollten möglichst einmütig getroffen werden. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger in dieser Pandemie-Zeit gerade von der Union erwarten."

Die CDU müsse "um das Vertrauen jeder Bürgerin und jedes Bürgers kämpfen", betonte Karliczek auch vor dem Hintergrund der Masken-Affäre und der Vorwürfe von Korruption und Lobbyismus gegen einzelne Unionsabgeordnete.

Die FDP sieht die Wahlergebnisse als deutliche Kritik an der Politik der Bundesregierung. FDP-Chef Christian Lindner rief die Vorsitzenden der Unionsparteien Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) zu einer schnellen Korrektur der Corona-Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf:

"Die Wahlergebnisse im Südwesten sind auch ein Votum über die Krisenpolitik der unionsgeführten Bundesregierung. Daraus müssen umgehend Konsequenzen gezogen werden."

Lindner fordert, dass angesichts der Lage in Deutschland nicht bis nach der Bundestagswahl gewartet werden könne. Das Freiheitsrecht müsse weniger stark eingeschränkt werden, und es sei Zeit für mehr gesellschaftliches Leben. Lindner betont:

"Die Wahlergebnisse kann man der neuen CDU-Führung kaum anlasten, aber am Umgang damit werden Armin Laschet und auch der andere potenzielle Kanzlerkandidat Markus Söder nun gemessen. Im Interesse des Landes hoffen wir auf deren Führungskraft, die Krisenpolitik des Kanzleramts nun zu korrigieren."

Durch die positiven Wahlergebnisse sieht sich die FDP zu einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl ermutigt. FDP-Generalsekretär Volker Wissing macht deutlich, dass sich seine Partei dabei alle Optionen offenhalten wolle. Weder sei eine Ampel-Koalition mit Grünen und SPD eine "Blaupause" für den Bund, noch sei die CDU allein möglicher Partner. Wissing konkretisiert:

"Natürlich gibt es Schnittmengen mit der Union, aber es ist nicht so, dass nur die Zusammenarbeit zwischen der Union und der FDP möglich ist."

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(rt/dpa)