Die CDU schlittert immer weiter in eine Krise. Nachdem die Abgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) ihre Ämter niederlegen mussten, weil sie sich wohl bei der Maskenbeschaffung persönlich bereichert haben, stehen jetzt zwei weitere CDU-Politiker in der Kritik. Der Thüringer Mark Hauptmann soll unerlaubt Gelder aus Aserbaidschan erhalten haben. Im Gegenzug schaltete er Tourismusanzeigen für das Land im Südthüringen Kurier, dessen Herausgeber er ist.
Bei einem vierten Abgeordneten ist inzwischen ebenfalls die Immunität aufgehoben worden, um Ermittlungen einzuleiten. Der Karlsruher Axel Fischer soll ebenfalls Geld aus Aserbaidschan erhalten haben, um politisch Einfluss zu nehmen. Das Bundeskriminalamt durchsuchte Büros und Wohnungen sowohl in Baden-Württemberg als auch in Berlin.
Daneben schwelen noch immer die Vorwürfe gegen den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Über dessen Sohn Johannes Laschet sollen dem Textilunternehmen van Laack in Mönchengladbach Aufträge der Landesregierung Nordrhein-Westfahlen zugekommen sein. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht in der Kritik, da er während des Lockdowns ein Spendendinner in Leipzig veranstaltete und die Teilnehmer wohl explizit aufgefordert hatte, seiner Partei Beträge unterhalb der anzeigepflichtigen Summe von 10.000 Euro zu spenden.
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Jetzt meldet sich auch das CDU-Urgestein und der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu der aktuellen Affäre zu Wort. In der Frankfurter Allgemeine Zeitung sagte er:
"Wenn dabei einzelne Abgeordnete die Notlage ausgenutzt haben, um sich persönlich zu bereichern, ist das schlicht unanständig und mit dem Mandat nicht vereinbar."
Ohne sich direkt auf Hauptmann und Fischer zu beziehen, bemängelte er außerdem: "Das gilt genauso, wenn der Verdacht im Raum steht, ein Abgeordneter sei in der Mandatsausübung zugunsten eines anderen Landes käuflich gewesen."
Kritik von Schäuble und Steinmeier
Schäuble stand allerdings Anfang 2000 selbst im Zentrum der damaligen CDU-Spendenaffäre. Er gab zu, vom Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber eine Bargeld-Spende über 100.000 D-Mark erhalten zu haben. Die Schatzmeisterei der CDU sollte den Betrag angeblich unter "sonstige Einnahme" verbucht haben. Die Spende tauchte aber nirgendwo im Rechenschaftsbericht der Partei auf. Schreiber und die damalige Schatzmeisterin Brigitte Baumeister widersprachen zudem der Aussage Schäubles. Schreiber erstattete sogar Anzeige gegen ihn wegen Meineids. Die Staatsanwaltschaft Berlin sah jedoch keinen Tatverdacht. Der Verbleib der 100.000 DM blieb bis heute ungeklärt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die öffentlich gewordenen Geschäfte einzelner Unions-Abgeordneter mit Corona-Schutzmasken als "schäbig" und "schändlich" verurteilt. Die bekannt gewordenen Fälle persönlicher Bereicherung verdienten nicht nur Empörung – "sie sind Gift für die Demokratie", sagte er am Freitag laut Redemanuskript bei einem digitalen Kongress der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Letzte Hoffnung: "Ehrenerklärung"
Die Fraktionsspitzen von CDU/CSU planen jetzt den Befreiungsschlag, um Ruhe in die Partei zu bringen. Bis Freitag um 18.00 Uhr sollten alle 245 Parlamentarier dieser Fraktion eine Ehrenerklärung abgeben. Dazu hatten sie der Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Mittwoch per Mail aufgefordert. In dieser Erklärung sollten die Abgeordneten erklären, dass sie keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie erzielt hätten – weder direkt noch über Gesellschaften.
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Brinkhaus und Dobrindt hatten am Montag strenge neue Regeln für die Unionsabgeordneten angekündigt. "Wir werden uns als Fraktion einen Verhaltenskodex geben, der über das, was rein rechtlich von Mitgliedern des Deutschen Bundestages erwartet wird, deutlich hinausgeht", schrieben sie den Abgeordneten der Union. Auch solle es mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten und einen stark gesenkten Grenzwert für die Veröffentlichungspflicht von Spenden (derzeit 10.000 Euro) geben.
In Unionskreisen sind aber nicht alle mit dem Vermengen der Posten "Nebentätigkeiten" und "Spenden" einverstanden. Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, warnte nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung davor, die Masken-Affäre mit anderen Themen zu vermischen. "Wir müssen knallhart aufklären, wer mit den Maskenkäufen Geld verdient hat. Mit den Themen Lobbyregister oder Spenden hat das aber allenfalls am Rande zu tun."
Der Schritt, von den Abgeordneten eine Erklärung zu fordern, birgt aber auch Risiken. Die Öffentlichkeit erwartet nun vollständige Transparenz. Die Fraktion wird auf Zusammenhalt eingeschworen. Aber wie soll man reagieren, falls sich ein Abgeordneter der Erklärung verweigert? Vorsichtshalber hat die Fraktionsspitze noch keine Angaben darüber gemacht, ob und wann sie das Ergebnis dieser Umfrage öffentlich machen wird.
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(rt/dpa)