Auf Corona-Pressekonferenz: Söder warnt vor "Öffnungsrausch"
In den vergangenen Monaten war der bayerische Ministerpräsident Markus Söder vor allem als Verfechter strenger Corona-Maßnahmen aufgefallen. Zuletzt sorgte Söder dann jedoch mit seiner Idee einer "Öffnungsmatrix" für Schlagzeilen. Den vergangene Woche erstmals der Öffentlichkeit mitgeteilten Vorschlag fasste der CSU-Politiker unter anderem wie folgt zusammen:
"Wo mehr geht, geht sehr viel mehr. Dort, wo wir skeptisch sein müssen, geht deutlich weniger."
Und noch vor dem nächsten Corona-Gipfel am 3. März preschte Söder in Sachen Corona-Öffnungen vor. Zunächst verkündete der bayerische Ministerpräsident für den 1. März die Öffnung von Gärtnereien, Blumenläden und Gartenmärkten. Schon tags darauf beschloss das Kabinett auch die Öffnung von Baumärkten – zum Ärger des Nachbar-Bundeslandes Baden-Württemberg.
Verwundert rieb man sich ob des plötzlichen Öffnungseifers von Söder republikweit die Augen. Und doch hatten Beobachter schnell auch eine mutmaßliche und für Politiker plausible Motivation zur Hand: Die sinkenden Umfragewerte für den Bajuwaren in Teilen von einer der Pandemie zunehmend überdrüssigen Bevölkerung.
Am Montag nun trafen sich der bayerische Ministerpräsident und sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer – noch vor den Bund-länder-Beratungen – zu einer Online-Pressekonferenz zur "COVID-19-Allianz" und warnten eindringlich vor übereilten Öffnungsschritten.
Es dürfe jetzt keinen "Öffnungsrausch" geben und keinen "Blindflug in die dritte Welle hinein". Zudem dürfe die Politik nicht die Nerven verlieren, erklärte der bayerische Regierungschef nun wieder. Söder und Kretschmer verwiesen auf die sich weiter ausbreitende Virusmutation. "Die Mutation übernimmt, das Ergebnis ist jetzt, dass wir aufpassen müssen, eine dritte Welle zu vermeiden", ergänzte Söder und warnte:
"Auf die derzeitige Inzidenz-Tabelle kann keiner ein festes Haus bauen."
Kretschmer schloss sich der Bewertung seines bayerischen Amtskollegen an und betonte, dass jetzt die falsche Zeit sei für "große Lockerungen". Kleine Schritte seien nun angezeigt sowie eine dementsprechende Teststrategie.
"Aus dem System der pauschalen Kontaktvermeidung müssen wir kommen in ein System der sicheren Kontakte."
Das gehe aber nur mit einem Schnelltestkonzept. Jeder Lockerungsschritt in der Kultur, im Sport, in der Wirtschaft oder in der Bildung – jeder "Öffnungsschritt" müsse mit "Schnelltests abgesichert werden". Söder warnte zudem:
"Schnelltests sind eine echte Hoffnungschance – aber Schnelltests sind wohl keine Schnellwaffe, die bereits ab nächster Woche umfangreich zur Verfügung steht."
Er forderte den Bund deshalb dringend auf, bis Mittwoch konkretere Informationen zu dem Thema vorzulegen. Am Mittwoch wollen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu neuen Beratungen treffen.
Wir brauchen die richtige Balance zwischen Vorsicht und Öffnen. Es darf keinen unkontrollierten Öffnungsrausch geben. Die Lage ist instabil. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren. Besser ein klarer Kompass, als ein Blindflug in die dritte Welle hinein. #corona
— Markus Söder (@Markus_Soeder) March 1, 2021
Jede in Deutschland eintreffende Impfstoffdose müsse auch verimpft werden, forderte Söder.
"Spätestens April, also spätestens wenn der ganz große Anteil vom Impfstoff kommt, muss jede Dose Impfstoff verimpft werden, wo es nur geht", betonte Söder.
Der Impfstoff des schwedisch-britischen Herstellers AstraZeneca müsse "so schnell wie möglich zur Verfügung" gestellt werden.
"Das Wichtigste ist jetzt, dass jeder ein Angebot bekommt, der sich impfen lassen will."
Auch zur Diskussion über einen Impfausweis bezog Söder Stellung. Es werde in Zukunft darum gehen, eine mutmaßliche Ungerechtigkeit gegenüber Impfwilligen zu vermeiden.
"Wenn sich jemand nicht impfen lassen will und jemand anderes impft sich: Warum soll der, der sich impfen lässt, dann die entsprechenden Nachteile in Kauf nehmen?"
Er halte Impfpässe daher für absolut sinnvoll, betonte Söder. Das gelte "nicht nur auf europäischer Ebene beim Reisen, sondern dann auf Dauer auch natürlich für das Alltagsleben".
Der noch vor Kurzem aufgrund seines neuen Öffnungseifers kritisierte CSU-Politiker fordert, jetzt nicht die Nerven zu verlieren:
"Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen. Und wir dürfen auf keinen Fall die Nerven verlieren."
Man brauche demzufolge ein abgestimmtes, ausbalanciertes Öffnen mit Leitplanken und Sicherheitspuffer.
"Wir sind nicht gegen Öffnungen, wir sind für ein ausbalanciertes Öffnungssystem."
Dabei müsse es regionale Differenzierungen geben – aber auch eine einheitliche Philosophie und keinen "Wildwuchs" in Deutschland. Es werde auch darum gehen, Zeitachsen zu definieren, etwa bis Ostern. Entscheidend seien aber immer die Corona-Zahlen, nicht die Zeitpunkte.
In einer sich an die Pressekonferenz anschließenden Fragerunde erklärt Söder, dass vor allem für Kinder nun schnell Impfstoff zur Verfügung gestellt werden solle, denn "die Lockdown-Auswirkungen für diese Altersgruppe sind gravierend".
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