Selbsttests wurden als zentrales Argument für mögliche Lockerungen der staatlich verordneten Einschränkungen in der Corona-Krise angeführt. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dämpfte mittlerweile die Erwartungen, dass Antigentests in Kürze zum Einsatz kommen könnten. Man müsse zunächst "gründlich prüfen", ob man sich "durch vermehrtes Testen einen Puffer erarbeiten könne, sodass man in der Inzidenz etwas höher als 35 gehen könne". Trotz der Selbsttests könne man, so Merkel, weder auf Inzidenzen verzichten noch sofort öffnen.
Auch der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, meinte auf der heutigen Pressekonferenz, dass Selbsttests "keine Wunderwaffe sind", sondern nur eines von vielen Werkzeugen in der Corona-Gesundheitskrise. Erst nächste Woche will die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten beraten, wann die Selbsttests verfügbar sein sollten.
Allerdings gibt es in Deutschland auch eine Ausnahme: In Tübingen werden Schnelltests zur Eigenanwendung bereits eingesetzt – dank des Einsatzes von Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis90/Die Grünen). Bereits seit zwei Wochen gibt es in Kitas und Schulen die Möglichkeit, sich zweimal pro Woche selbst zu testen, nachdem Palmer die Tests Anfang Februar aus den Niederlanden bestellt hatte. Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes und Eltern mit medizinischem Hintergrund haben dabei die Beschäftigten an den Schulen und Kitas geschult, die die Tests vor Ort begleiten. Kinder, Schüler und Lehrer können sich nun selbst testen. Der Gemeinderat hatte dafür 100.000 Euro zur Verfügung gestellt. Ab Montag sollen sie auch bei Friseuren zum Einsatz kommen. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte Tübingens Oberbürgermeister:
"Drei Wochen habe ich aus Berlin nur gehört, dass die Schnelltests noch nicht zugelassen sind. Dazu kann ich nur sagen: Ja, dann sperrt mich doch ein. Ich warte doch nicht auf eine Erlaubnis zum Nasebohren."
Bei dem Einsatz von Schnelltests handelte es sich nicht um den ersten Vorstoß Palmers: Bereits seit dem Herbst werden Antigen-Schnelltests in Alten-und Pflegeheimen eingesetzt. Außerdem gibt es in Tübingen spezielle Öffnungszeiten für Senioren sowie kostenlose Taxifahrten. Infolgedessen ist die Zahl der positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen deutlich zurückgegangen.
Mit Blick auf die zögerliche Haltung der Bundesregierung meinte Palmer in der TV-Sendung Maybrit Illner, dass das "Sicherheitsdenken" in Deutschland ein Problem sei. In einer Situation wie der Corona-Krise gehe Schnelligkeit vor Gründlichkeit, erklärte Tübingens Oberbürgermeister. Das gelte auch für die Tatsache, dass der AstraZeneca-Impfstoff nicht für Personen über 65 Jahren zugelassen wurde.
Im Rahmen der Sendung fragte Palmer ebenfalls, warum in Deutschland massive Einschränkungen von Grundrechten und Bildung möglich seien, aber nicht die Preisgabe von Daten an das Gesundheitsamt, die IT-Konzerne Google und Apple ohnehin bereits hätten.
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