Deutschland

Oppositionspolitiker kritisieren Lockdown-Verlängerung und Merkels "Papstattitüde der Unfehlbarkeit"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat heute im Bundestag versucht, die Verlängerung des Lockdowns zu rechtfertigen. Verschiedene Oppositionspolitiker kritisierten das bisherige Versagen und die miserable Planungssicherheit der Regierung scharf.

Auf der heutigen Sitzung des Bundestages versuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die gestern auf dem Bund-Länder-Gipfel getroffenen Entscheidungen zu rechtfertigen. Zu Beginn ihres Redebeitrags wies sie darauf hin, dass nun ein Jahr seit Beginn der Corona-Krise vergangen sei. Sie sagte, dass sie weiß, dass das, was bisher geleistet wurde, "einen hohen Preis" gekostet hat. Die geschlossenen Maßnahmen sollen laut Merkel jedoch "gemäß den Regeln der Demokratie" getroffen worden sein. Insgesamt sei man auf einem guten Weg, denn die Zahl der mutmaßlichen Neuinfektionen und Intensivbettenbelegungen sei weiter gesunken.

Doch die Kanzlerin warnte vor neuen Varianten des SARS-CoV-2-Erregers aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien, von denen sie behauptet, dass diese "aggressiver seien". Besonders die britische Virus-Mutante sei in Deutschland schon zu 5,7 Prozent vorhanden. Laut Merkel warnen Experten jedoch davor, dass es nur eine Frage der Zeit sei, "bis die Mutanten die Oberhand gewinnen". Man müsse darauf achten, um "nicht wieder ins exponentielle Wachstum zu kommen".

Öffnungsschritte beziehungsweise eine Rückkehr zur Normalität soll es dann geben, wenn die Inzidenz auf einen Wert von 35 gesunken ist und auf einem "stabilen Niveau" bleibt. Ausnahmen soll es jedoch schon für Friseure geben, die ab dem 1. März wieder öffnen dürfen. In ihrem Redebeitrag erklärte Merkel auch, dass sie sich gewünscht hätte, dass die Grundschulen länger geschlossen bleiben. Auch hier wollte die Kanzlerin ursprünglich, dass man anhand der Inzidenz entscheidet, allerdings konnte sie sich damit nicht gegen die Ministerpräsidenten durchsetzen:

"Aber ich habe auch akzeptiert, dass es eine eigene Kultushoheit der Länder gibt."

Die Länder können nun eigenverantwortlich entscheiden, wie und wann die Schulen und Kindergärten wieder geöffnet werden. Des Weiteren versuchte Merkel, dass Versagen der Bundesregierung bei der Umsetzung der Überbrückungshilfen für Betriebe und Gaststätten, die durch staatliche Anordnungen schließen mussten, zu verteidigen. Dazu nahm Sie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Schutz und erklärte, dass das, was versprochen wurde, eingehalten wird: Die Hilfen können im Februar beantragt werden. Am Ende versuchte Merkel, so etwas wie Vertrauen in die Regierung zu wecken.

"Die Menschen können auf einen Staat setzen, auf eine Bundesregierung, die alles, was sinnvoll und möglich ist, in Bewegung setzt, um denen zu helfen, die Hilfe brauchen, damit sie über diese so schwere Zeit kommen."

Am Ende ihres Redebeitrags erklärte Merkel noch:

"Am Ende können wir es gemeinsam schaffen, diese Pandemie zu besiegen und unser Land wieder in bessere Zeiten führen."

Unmittelbar im Anschluss wurde Merkel scharf von der AfD-Politikerin Alice Weidel kritisiert, da auf den stattfindenden Corona-Gipfel "eine von der Verfassung nicht vorgesehene Kungelrunde" weitreichende Einschränkungen für die Bürger beschließe. Laut Weidel lege die Kanzlerin "vorher fest, was dabei herauskommen soll". Das Parlament jedoch dürfe hinter nur darüber debattieren, sei in die Entscheidung jedoch nicht mit eingebunden.

Weidel warf der Regierung vor, die Bürger durch ihre Politik in Depression und Einsamkeit zurücklasse. Es sei nicht das Virus, sondern Merkels falsche Politik, die "nur Verbot und Zwang zu kennen scheint und Schülern die Bildungschancen raube". Sie wies darauf hin, dass Merkels Politik durch "Kollateralschäden" eine "Spur der Verwüstung" in vielen Bereichen hinterlasse – auch im wirtschaftlichen Bereich. Dazu komme noch, dass viele Unternehmen bis heute kaum etwas von den Überbrückungshilfen gesehen hätten:

"Wollen sie uns auf den Stand eines Entwicklungslandes bringen?"

Weidel zufolge klammere man sich an den Lockdown als einzige Maßnahme, als ob es keine Alternative gebe. Die Maßnahmen, die bei einem Inzidenzwert von 200 eingeführt wurden, nun bis zu einem Wert von 35 beizubehalten, sei zudem ein klarer Rechtsbruch. Weiterhin wies sie darauf hin, dass die Einschränkungen begründungspflichtig seien und nicht die Lockerungen:

"Die Grundrechte müssen wieder in Kraft gesetzt werden. Sie werden von der Verfassung garantiert und nicht von der Regierung."

Auch Christian Lindner (FDP) kritisierte die fehlende Beteiligung des Parlaments bei der Entscheidungsfindung: Bereits vorgestern hatten Medien über die Beschlussvorlage des Kanzleramts berichtet, während das Parlament nicht informiert wurde. Lindner riet Merkel davon ab, diesem Umgang mit dem Parlament zur Staatspraxis werden zu lassen. Er wies auch darauf hin, dass drei Fraktionen des Bundestages darum gebeten haben, den Bundestag vor der Runde mit den Ländern über ihre Absichten zu unterrichten, was die Kanzlerin jedoch nicht für nötig hielt. Dabei hätte dies die Möglichkeit gegeben, sich zu erklären und Alternativen zu entwickeln.

Lindner monierte ebenfalls, dass Merkels Lockdown-Politik unter dem Motto "Wir bleiben zu Hause", bestenfalls einfallslos, aber nicht alternativlos sei. Die Bundesregierung biete den Bürgern keine langfristige Perspektive im Umgang mit Corona. Viele hätten, so Lindner, Hoffnungen auf den gestrigen Corona-Gipfel gehabt.

"Diese Hoffnungen sind enttäuscht worden, denn viele Bürger hatten sich mehr erhofft als einen frischen Haarschnitt."

Dietmar Bartsch (Die Linke) fand die Kommunikationsstrategie der Kanzlerin ebenfalls mehr als unangebracht und monierte Merkels "Papstattitüde der Unfehlbarkeit":

"Sie haben auch heute wieder wenig Selbstkritik geäußert, aber vergleichsweise viel Selbstgefälligkeit."

Bartsch kritisierte weiterhin den mangelhaften Schutz der Pflegeheime und die Fehler bei der Impfstoffbeschaffung. Der AfD-Abgeordnete Sebastian Münzenmaier äußerte in der Debatte die Meinung, dass die Regierung "vorsätzlich ein ganzes Volk in Angst versetze". Es gehe darum, "politisch gewollte Panikmache wissenschaftlich anzuhauchen". Außerdem gebe es, so Münzenmaier, auch zahlreiche Stimmen, die die Kollateralschäden anmahnen, was Merkel jedoch anscheinend nicht interessiere:

"Angela Merkel verschanzt sich weiterhin mit ihrem Ministerpräsidentenstammtisch im Kanzleramt, und während Bodo Ramelow Candy Crush zockt, verzocken Sie, liebe Frau Bundeskanzlerin, die Zukunft eines ganzen Landes."

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