Deutschland

Existenzzuschüsse in der Corona-Krise: Bedürftige müssen noch warten

Das Kabinett hat sich durchgerungen: Bezieher von Hartz IV und Sozialhilfe sollen einen Pandemie-Zuschuss von 150 Euro erhalten. Doch bis zur Auszahlung der Minihilfe soll es noch dauern.
Existenzzuschüsse in der Corona-Krise: Bedürftige müssen noch wartenQuelle: www.globallookpress.com

von Susan Bonath

Seit Wochen kommt in Deutschland niemand mehr ohne medizinische Einwegmaske in Busse, Bahnen und Supermärkte. Die bayerische Regierung unter Markus Söder (CSU) hat an diesen Orten sogar die Pflicht zum Tragen der besonders teuren FFP2-Masken erlassen. Dies ist nicht nur problematisch für die Umwelt. Wer wenig Geld hat, kommt so auch schnell an seine finanziellen Grenzen. Zumal die Lebensmittelpreise besonders rasant steigen. Das ist der Bundesregierung bewusst. Doch ihre Mühlen mahlen langsam, die Freigiebigkeit hat Grenzen. Die Koalition aus Union und SPD einigte sich nach zähem Ringen auf einen Einmalzuschuss von 150 Euro. Ausgezahlt werden soll dieser aber frühestens im Mai.

"Sozialschutzpaket III" ab April: Bedürftige müssen noch warten

So hatte das Kabinett am 9. Februar einen entsprechenden Gesetzentwurf, das sogenannte Sozialschutzpaket III, beschlossen. "Damit sollen sowohl der Corona-Zuschlag für Leistungsberechtigte der Grundsicherungssysteme als auch weitere Maßnahmen festgelegt werden, die die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie für besonders hilfsbedürftige Menschen abmildern", informiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) dazu auf seiner Webseite.

Neben dem Einmalzuschuss und einigen kostenlosen FFP2-Masken soll mit dem Entwurf der erleichterte Zugang zu Hartz-IV-Leistungen, etwa für Solo-Selbstständige mit weggebrochenen Einnahmen, bis zum Ende 2021 verlängert werden. Bis dahin können Jobcenter den Antragstellern weiterhin höhere Vermögensfreigrenzen bis etwa 60.000 Euro zubilligen. Das Problem dabei ist: Trotz bereits bestehender Pflicht dauert alles seine Zeit. Weder haben die für das Abholen der Masken notwendigen Schreiben der Krankenkassen schon die Betroffenen erreicht, noch steht fest, wann genau der Zuschuss kommt.

Denn der Gesetzentwurf muss noch Bundestag und Bundesrat passieren. Laut BMAS soll es erst am 1. April in Kraft treten. Frühestens ab Mai, also in drei Monaten, könne dann die Beihilfe automatisch ausgezahlt werden, so das Ministerium. Bis dahin müssen sich Betroffene die Mehrkosten weiter vom Mund absparen.

Hartz-IV-Betroffene können Laptopzuschüsse für Schüler beantragen

Weitgehend untergegangen in der öffentlichen Berichterstattung ist derweil eine neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 1. Februar an die Jobcenter. Nach fast einem von Homeschooling geprägten Jahr und wohl Hunderttausenden inzwischen abgehängten Schülern ordnet die Behörde den Jobcentern damit an, bis zu 350 Euro für ein digitales Endgerät zu bewilligen.

Dazu müssen Eltern im Hartz-IV-Bezug einen Antrag stellen und darin einen "unabweisbaren Bedarf" geltend machen. "Es ist in geeigneter Weise zu prüfen, ob den Leistungsberechtigten ein digitales Endgerät von den jeweiligen Schulen, den Schulträgern oder sonstigen Dritten zur Verfügung gestellt wurde oder gestellt werden kann", so die BA in ihrer Weisung. Die Eltern benötigen also eine Bestätigung von der Schule, dass ein Laptop oder Tablet benötigt wird und die Einrichtung keines verleihen kann.

Hintergrund: Zwar sollten Schulen schon Mitte 2020 eine Zuwendung für Leihgeräte erhalten haben, angekommen ist diese bisher aber offenbar nicht überall. Außerdem klagten Schulen, dass sie mit den bewilligten Mitteln nicht allen bedürftigen Kindern helfen könnten. Der Erwerbslosenverein Tacheles hat dazu auf seiner Webseite Musteranträge bereitgestellt.

Vereinssprecher Harald Thomé verweist darauf, dass die Mittel für den Schulbedarf rückwirkend zum 1. Januar 2021 bewilligt werden. Kritisch sieht er die Alterseinschränkung auf unter 25 Jahre und das Ausklammern von Beziehern von Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen. Deshalb beziehe man sich in dem Musterantrag auch auf diese Gruppen. "Darin gehen wir auch auf Bezieher von Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen ein", so Thomé. In einem offenen Brief fordert sein Verein zusammen mit der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) die "Gleichbehandlung aller hilfebedürftigen Gruppen".

Knapp bemessene Leistungen, mehr Hilfesuchende

Trotz vielfach anderslautender Gerüchte erhalten erwachsene Asylsuchende rund 18 Prozent und Kinder rund 13 Prozent weniger Leistungen als Bezieher von Sozialhilfe oder Hartz IV. So bekommt beispielsweise ein Alleinstehender, der eine der letzteren beiden Grundsicherungsarten erhält, seit 1. Januar 446 Euro. Einem Asylbewerber in gleicher Situation werden aber nur 364 Euro zugestanden. Für ein Kind unter sechs Jahren im Bezug von Sozialgeld gibt es 283 Euro, für ein Flüchtlingskind 247 Euro. Kindergeld und etwaige Unterhaltsleistungen werden davon abgezogen.

Dass Asylbewerber weniger Geld erhalten, begründet die Bundesregierung mit Sachleistungen. So stehen Betroffenen in den Sammelunterkünften Bett, Schrank und Sanitäranlagen zur Verfügung, die Ansparbeträge für Möbel fallen somit weg. Auch Strom gibt es als Sachleistung.

Die Zahl der Bedürftigen ist in den letzten Monaten krisenbedingt gestiegen. Für den Januar 2021 meldete die BA gut 5,6 Millionen Menschen in sogenannten Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften, wie Familien auf Amtsdeutsch genannt werden. Darunter befanden sich etwa 1,8 Millionen Kinder. Das waren rund 20.000 mehr als im Dezember und fast 50.000 mehr als vor einem Jahr.

Seit 2003 hat sich die Zahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zudem mehr als verdoppelt. Sie stieg von rund 439.000 auf 1,1 Millionen Betroffene Ende 2019 an. Neuere Daten hat das Statistische Bundesamt bisher nicht veröffentlicht, der Trend zeigt aber weiterhin nach oben. Umgekehrt verhält es sich bei Beziehern von Asylbewerberleistungen. Im Jahr 2015 hatte es hier einen Höchststand mit rund 975.000 Berechtigten gegeben, für Ende 2019 meldete die Statistikbehörde zuletzt noch 385.000 Betroffene.

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