Heiko Maas lässt grüne Transatlantik-Scharfmacher abblitzen: Dialog mit Russland wichtig
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat sich heute von Forderungen der Grünen deutlich distanziert, aufgrund der angeblichen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Fall Alexei Nawalny die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen.
Zunächst wiederholte Maas das übliche westliche Narrativ, wonach Russland nach einem "alten Agentenhandbuch" handele, indem es erst vertusche, dann die eigene Verantwortung leugne, durch Desinformation Verwirrung stifte und schließlich "die Opfer zu Tätern" mache. Er sprach von einem russischen Cyberangriff auf den Bundestag, der nie bewiesen wurde, und erwähnte den Mord eines Tschetschenen im sogenannten Kleinen Tiergarten, dessen juristische Aufarbeitung ebenfalls noch aussteht. Maas warf der russischen Regierung vor, Appelle aus dem Westen zu ignorieren und aus seiner Sicht berechtigte Forderungen zur Menschenrechtslage in Russland als Einmischung in innere Angelegenheiten abzuweisen.
Der Außenminister begründete dieses Vorgehen der westlichen Staaten mit der "Einhaltung grundlegender Prinzipien internationalen Rechts", mit "Menschenrechten" und "unseren Werten".
"Deshalb fordern wir nach wie vor von Moskau die unverzügliche Freilassung Alexei Nawalnys und der festgenommenen Demonstranten."
Er sprach von einer "sorgfältig inszenierten Propagandashow und gezielten Provokationen" seitens Moskau im Zusammenhang mit den regierungsfeindlichen Protesten in Russland im Zuge der Verhaftung Nawalnys. Maas erklärte, die russischen Bürger hätten bestimmte Rechte, die ihnen ihre Verfassung garantiere, der russische Staat ihnen aber verweigere. Man müsse sich daher auf der nächsten Außenministerkonferenz der EU-Staaten mit dem Thema beschäftigen.
Forderungen der Grünen, tiefgreifende wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland zu verhängen und die Beziehungen zu Russland drastisch herunterzufahren, widersprach er aber. Mögliche neue Sanktionen müssten, so Maas, jene treffen, die verantwortlich seien für das angeblich repressive Verhalten der russischen Regierung gegen die Demonstranten und nicht die vielen Tausend Mitarbeiter von EU-Unternehmen in Russland. Explizit nannte er auch, dass sich unter diesen EU-Unternehmen viele deutsche befinden.
Der SPD-Politiker kritisierte auch die Forderung, sich von Nord Stream 2 zu verabschieden. Wer das Pipelineprojekt grundsätzlich infrage stellt, müsse auch bedenken, welche geopolitischen Konsequenzen das haben werde und was das für die Einflussmöglichkeiten der EU auf Russland bedeute.
In diesem Zusammenhang verwies er auf die aus seiner Sicht ebenso unrealistische Forderung einer Entkopplung von China. Die Grünen würden, wenn sie ihre Politik umsetzen könnten, Russland und China immer mehr zusammentreiben und förderten damit "den größten wirtschaftlichen, militärischen Verbund, den es gibt". Das könne nicht die Strategie des Westens sein.
Er sprach sich erneut dagegen aus, Russland aus dem Europarat auszuschließen.
"Je schwieriger die Zeiten sind, desto klarer muss unsere Sprache gegenüber Moskau sein. Aber wir haben unser Interesse an einem besseren Verhältnis Europas zu Russland, und wir werden die Dialogbereitschaft weiter aufrechterhalten."
Auch Vertreter anderer Parteien kritisierten die drastischen Forderungen der Grünen. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland stellte fest, dass einige nach 1990 für eine kurze Zeit glaubten, dass eine "Welt mit einer gemeinsamen Wertebasis" bevorstehe. Man wisse heute, dass das ein Irrtum gewesen sei. Russland und China hätten nie vorgehabt, der sogenannten "regelbasierten Multilateralität des Westens" zu folgen oder gar deren Wertebasis anzuerkennen, so Gauland.
Wenn man einen Interessenausgleich mit Russland und China anstrebe, dann müsse man deren "Anderssein auch in der Bewertung menschenrechtlicher Fragen und demokratischer Freiheiten akzeptieren". Man müsse mehr "klassische Staatsraison" betreiben, womit er die Ausrichtung der Außenpolitik auf geopolitische und wirtschaftliche Interessen meinte.
Gauland sagte, dass es richtig gewesen sei, Nawalny in Deutschland zu helfen. Dagegen sei es kontraproduktiv, Russland mit Sanktionen zu belegen oder sonstig zu bestrafen. Es sei richtig, diplomatische Kanäle zu nutzen, um auf Verbesserungen für Nawalny zu drängen.
Der erfahrene Linken-Politiker Gregor Gysi kritisierte die Verhaftung Nawalnys nach seiner Rückreise nach Russland. Auch die Gerichtsentscheidung in seinem Fall kritisierte er.
Er kritisierte jedoch ebenfalls den Vorstoß der Grünen, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Gysi erklärte dazu, dass die Grünen nicht fordern würden, Sanktionen gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dem er schwere Rechtsverstöße vorwarf, oder den Kronprinzen von Saudi-Arabien im Fall des Mordes am Journalisten Jamal Khashoggi zu verhängen. Gysi verwies darauf, dass das Demonstrationsverbot schon vor der Rückreise Nawalnys aufgrund der COVID-19-Pandemie – wie in Deutschland – verhängt wurde.
Die Kritik an der Polizeigewalt halte er für gerechtfertigt. Diese Kritik sei aber auch in Belgien, Frankreich oder in Deutschland gerechtfertigt. Gysi erklärte:
"Vor allem die Grünen leiden an einer Russlandphobie."
Selbst wenn Sputnik V der beste Impfstoff gegen Corona wäre, würden ihn die Grünen daher nicht einführen. Gysi verwies darauf, dass Nawalny rassistische Sprüche getätigt hatte. Er könne auch nicht verstehen, warum die Bundesregierung auf die russischen Rechtshilfegesuche nach der angeblichen Vergiftung Nawalnys nicht eingegangen sei. Anfragen der Linken diesbezüglich habe die Bundesregierung mit Verweis auf Staatsgeheimnisse nicht beantwortet.
"Da die Bundesregierung nicht für russische Staatsgeheimnisse zuständig ist, sondern für deutsche, frage ich: Welche deutschen Staatsgeheimnisse gibt es in Bezug auf den versuchten Mord an Nawalny und die Rechtshilfegesuche Russlands?"
Gysi verärgere, dass sich die Medien nicht für diese Fragen interessieren würden. Nord Stream 2 sei die letzte Brücke von Russland zum übrigen Europa. Diese dürfe man nicht einreißen.
Russland sei noch nie demokratisch gewesen. Humanistische Akte wären aber leichter zu erreichen, so Gysi, wenn man auf Sanktionen verzichte. Die Sanktionspolitik werde nur die Abschottung Russlands fördern.
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