Deutschland

Dresdener wettern gegen "Denunzianten-Hotline"

Eine Hotline, damit das Ordnungsamt für Recht und Ordnung sorgen kann. So nennen es die einen. Eine Hotline, um Mitmenschen zu verpetzen und zu denunzieren, nennen es die anderen. In Dresden erregen die Plakate für eine Lärm-Hotline des Ordnungsamtes für Aufsehen. 

Angeblich geht es um Falschparker, laute Partys oder uneinsichtige Hundehalter. Doch nicht wenige vermuten dahinter den Versuch, Corona-Sünder beim Amt anzuschwärzen.

Von einem Verfall in alte Zeiten spricht Holger Zastrow, Chef der FDP-Stadtratsfraktion in Dresden. Gegenüber RT DE sagte er:   

"Zu DDR-Zeiten gab es hier die allmächtige Staatssicherheit, die sich auch darauf stützte, dass es Informanten gab, dass es Anschwärzer gab, dass es Leute gab, die ihren Nachbarn auf die Finger geguckt haben und diese dann angezeigt haben."

Auch viele Dresdener äußern in einer Straßenumfrage ihren Unmut. Eine Passantin sagte gegenüber RT DE:

"Es erinnert mich sehr an DDR-Zeiten. Ich habe auch selber Stasi-Erfahrungen gemacht."

Was die Dresdener Stadtverwaltung zu den Vorwürfen sagt, blieb zunächst ungeklärt. Eine Anfrage von RT DE blieb bis zur Deadline unbeantwortet. Erst am 10. Februar erhielt RT DE ein Antwortschreiben der Stadtverwaltung, welches wir im Wortlaut publizieren:

Das Wesentliche zuerst: Der Gemeindliche Vollzugsdienst (GVD) des Ordnungsamtes der Landeshauptstadt Dresden ist für die Kontrolle und Durchsetzung der vom Stadtrat beschlossenen Regelungen des Zusammenlebens verantwortlich. Zu diesen Regelungen zählen bspw. die Polizeiverordnung aber auch weitere stadtrechtliche Regelwerke zu spezielleren Themen. Verstöße gegen diese Regelungen können nicht nur zu Ärgernissen, sondern auch zu gefährlichen Situationen führen. Beispielhaft sei hier ein
freilaufender Hund auf einem Spielplatz oder eine Kreuzung genannt, die
durch Falschparker derart blockiert wird, dass Schulkinder sie nicht mehr
gefahrlos passieren können. Werden Störungen festgestellt, sollte, wenn
möglich, zunächst versucht werden, ein klärendes Gespräch mit dem
Verursacher zu führen. Das gehört zu den Grundregeln des Zusammenlebens.

Wo dieses nicht möglich ist, können sich Bürgerinnen und Bürger unter der
Rufnummer 488 63 33 an die Führungs- und Einsatzzentrale (FEZ) des
Ordnungsamtes wenden. Da vielen Dresdnern und Dresdnerinnen die seit mehr
als 20 Jahren existierende Nummer nicht immer geläufig ist, sie ihnen aber
in unangenehmen Situationen sehr helfen kann und persönliche Kontakte
aktuell vermieden werden sollen, hat sich die Stadtverwaltung entschieden,
diese nochmals bekanntzumachen. Das Bekanntmachen des richtigen
Ansprechpartners für die Belange der städtischen Ordnung und Sicherheit
soll darüber hinaus auch den Notruf 110 entlasten, denn viele Hinweise
gehen zunächst bei der Polizei ein und werden von dieser anschließend an
den GVD weitergegeben.

Sie plakatieren in Dresden mit der Aufforderung sich an das Ordnungsamt zu
wenden, wenn man in der Nachbarschaft oder sonst irgendwo zu lauten Lärm
wahrnimmt. Was ist die Veranlassung ausgerechnet jetzt damit zu
plakatieren?

Es geht, wie oben angeführt, keineswegs nur um Lärm. Da Hinweise über
unzumutbaren Lärm aber sehr häufig eingehen, wurde dies auch plakativ als
Thema aufgegriffen. Bei den meisten Bürgeranrufen geht es um Probleme mit
Falschparkern, zu illegalen Müllablagerungen und ruhestörendem Lärm.
Aktuell geben Bürger darüber hinaus Hinweise zu Verstößen gegen die
Corona-Schutzverordnung.

Von wem konkret, von welcher politischen Partei oder Fraktion ging die
Initiative aus jetzt diese Plakataktion zu starten?

Es handelt sich um eine städtische Plakat-Aktion. Die Kampagne war zeitlich
vom 26. Januar 2021 bis zum 9. Februar 2021 befristet. Die Landehauptstadt
Dresden veröffentlicht im Rhythmus von 14 Tagen City-Light-Plakate zu
verschiedenen städtischen Themen.

Sollte die Initiative durch das Ordnungsamt erfolgt sen: Warum jetzt? Ist
denn ausgerechnet jetzt, in der Zeit des sogenannten Lockdowns, die
Häufigkeit von Lärmbelästigungen gestiegen?

Auch in Zeiten des Lockdowns werden Störungen festgestellt, die sich nicht
in einem  klärenden Gespräch mit dem Verursacher lösen lassen. Wo dieses
nicht möglich ist, können sich Bürgerinnen und Bürger auch in Zeiten des
Notbetriebes unter der Rufnummer 488 63 33 an die Führungs- und
Einsatzzentrale (FEZ) des Ordnungsamtes wenden.

Es gibt Stimmen, die glauben, im Grunde genommen ginge es um etwas anderes: Das Ordnungsamt würde durch die Bekanntgabe dieser Servicenummer zur
Denunziation, zum Anzeigen von Vergehen oder Straftaten gegen die aktuellen
Corona-Vorschriften auffordern. Wie beurteilen Sie das? Können Sie sich
dieser Einschätzung anschließen?

Nein, wir können uns dieser Einschätzung nicht anschließen.

Für das Anzeigen von Delikten und Straftaten oder Ungehörigkeiten ist in
Deutschland normalerweise die Polizei zuständig. Warum sieht sich das
Ordnungsamt veranlasst hier zusätzlich eine Servicenummer einzurichten? Ist
denn der Bedarf so groß, kommt die Polizei mit der Abarbeitung von
Straftaten gegen Ordnungsgesetze nicht mehr nach?

Wie kommen Sie zur Vermutung, dass wir eine Servicenummer für Straftaten
eingerichtet haben? Auch in Dresden ist für Straftaten die Polizei
zuständig. Und für Ordnungswidrigkeiten das Ordnungsamt. Durch das
Bekanntmachen des richtigen Ansprechpartners für die Belange der
städtischen Ordnung und Sicherheit kann eine Entlastung der Notrufnummern
110 erreicht werden, denn viele Hinweise gehen zunächst bei der Polizei ein
und werden von dieser anschließend an den Gemeindlichen Vollzugsdienst
weitergegeben.

Die Telefonnumer ist zwischenzeitlich in ganz Deutschland populär geworden.
Auch Menschen von außerhalb Dresdens rufen zwischenzeitlich beim rundum die Uhr besetzten Ordnungsamt an. 150 Delikte werden täglich gemeldet, steigt
die Zahl jetzt sogar noch?

Es handelt sich um eine Servicenummer für Bürgerinnen und Bürger Dresdens.
Es ist nicht zielführend, wenn Menschen von außerhalb anrufen. Es sei denn,
Sie haben Themen, die Dresden betreffen.

Würden Sie Ihre Plakataktion und die Aufforderung der Bevölkerung
Straftaten, Vergehen, Delikte, Vermutungen, Lärm dem Ordnungsamt
mitzuteilen als Erfolg werten? Ist eine Ausweitung der Aktion geplant?

Es waren neben der Plakataktion von Anfang an keine weiteren Aktionen
geplant.

Mehr zum Thema - Online-Formular für Denunzianten: Stadt Essen verfolgt Rechtsbrecher von Corona-Regeln (Video)

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