"Deutschland ist ein Hotspot für Geldwäscher". So titelt das Handelsblatt am 24. Januar in Bezug auf einen vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofs. Demnach werden in Deutschland jährlich etwa 100 Milliarden Euro zu legalem Geld gewaschen. Tatorte sind neben dem Finanzsektor Immobiliengeschäfte, der Autohandel und der Kunstmarkt.
Das Problem ist lange bekannt. Ende Juli 2019 äußerte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD):
"Geldwäsche ist in unserem Land ein ernstes Problem. Das müssen wir beseitigen. Vor allem auf dem Immobilienmarkt müssen wir genauer hinschauen."
Er erklärte die Angelegenheit zur Chefsache. Die Bundesregierung werde ein Gesetz beschließen, mit dem Deutschland "international die höchsten Standards beim Kampf gegen Geldwäsche haben wird". Zusätzlich sollte die Financial Intelligence Unit, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, verstärkt werden.
Das Handelsblatt spricht ein deutliches Urteil: "Fast zwei Jahre später ist davon noch nichts zu sehen". In einem als geheime Verschlusssache eingestuften Bericht analysiert der Bundesrechnungshof, dass Bund und Länder weit davon entfernt sind, das Problem in den Griff zu bekommen.
"Es gibt keine wirksame Geldwäscheaufsicht."
In dem Gutachten bezog sich der Bundesrechnungshof primär auf die Bereiche Immobiliengeschäfte, Autohandel und Kunstmarkt. Das Geldwäschevolumen in diesen Bereichen taxiert die Bundesregierung auf bis zu 30 Milliarden Euro im Jahr.
Eine im Auftrag des Bundesfinanzministeriums veröffentlichte Studie geht von jährlich bis zu 28.000 Geldwäsche-Verdachtsfällen außerhalb des Finanzsektors aus. Die wenigsten davon werden gemeldet: 2019 gab es lediglich 1.500 Verdachtsmeldungen.
Der Bundesrechnungshof benennt als Ursache für die geringe Melderate die chaotischen Vorgaben der Zuständigkeiten: "von Ministerien über Ortspolizeibehörden bis hin zu Stadtverwaltungen". Zwar obliege die Überwachung der Meldungen den Bundesländern, die Meldepflicht liegt aber bei Banken, Wirtschaftsprüfern und Immobilienmaklern. Die geringen personellen und finanziellen Ressourcen der Geldwäscheaufsicht stehen "in keinem Verhältnis zur hohen Zahl der beaufsichtigten Verpflichteten".
Als Resultat fasst der Bundesrechnungshof zusammen:
"Die Entdeckungsgefahr bei Verstößen ist gering" und vorgesehene Bußgeldsanktionen seien wegen fehlender Kontrollen der Aufsichtsbehörden "weitgehend wirkungslos".
Daraus müssten Konsequenzen folgen. Zuvorderst müssten die Aufsichtsbehörden mit "auskömmlichen personellen Ressourcen" ausgestattet werden. Die Länderbehörden sollten enger mit der zentralen Financial Intelligence Unit verbunden werden. Wenn das nicht ausreicht, könnten als finale Maßnahmen "die Geldwäscheaufsicht neu geordnet" und "die Aufsicht von den Ländern auf den Bund" übertragen werden.
Das Bargeld im Visier
Zusätzlich fordert der Bundesrechnungshof eine Obergrenze für Barzahlungen von 5.000 Euro. Diese Bargeldhöchstgrenze sei "ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung". Damit werde Steuerhinterziehung erschwert.
"Das Bundesfinanzministerium sollte daher prüfen, ob und in welcher Höhe ein Höchstbetrag bei der Bezahlung mit Bargeld eingeführt werden sollte, zumindest in für Geldwäsche besonders anfälligen Sektoren."
Das Handelsblatt verweist darauf, dass derartige Obergrenzen in anderen EU-Staaten bereits existieren: Italien hat eine Höchstgrenze von 2.999,99 Euro, Frankreich von 1.000 bis 10.000 Euro, je nachdem, ob ein In- oder Ausländer in bar zahlt. In Deutschland scheiterte eine Einführung einer Obergrenze von 2.000 bis 5.000 Euro am Widerstand der Bürger. Das Bundesfinanzministerium ist für eine solche Bargeldobergrenze aufgeschlossen. Derzeit werden noch weitere Erkenntnisse über Kosten und Nutzen gesammelt.
Zustimmung bekommt der Bundesrechnungshof von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die mit einer "Einführung einer Bezahlgrenze mit Bargeld, wie sie in vielen Ländern der Europäischen Union bereits existiert und üblich ist", illegale Geldquellen ("Drogen, Schutzgeld, illegales Glücksspiel und illegale Prostitution") abdrehen möchte. Dies werde jedoch "vom sozialdemokratischen Bundesfinanzminister nicht unterstützt". Das Bundesfinanzministerium "fabuliert", dass "Barzahlungsbeschränkungen für europäische Bürger ein heikles Thema seien und dass die Möglichkeit der Barzahlung als eine Grundfreiheit wahrgenommen werde". Stattdessen müsse man hochsummige Bargeldgeschäfte "konsequent unterbinden"
Frank Buckenhofer, Vorsitzender der GdP – Bezirksgruppe Zoll, erklärt in einer Pressemitteilung:
"Solange Bargeld in Deutschland noch den Stellenwert einer 'heiligen Kuh' hat und sich selbst sozialdemokratische Finanzminister und Kanzlerkandidaten nicht an diese 'heilige Kuh' im Kampf gegen Geldwäsche, Organisierte Kriminalität, Finanzkriminalität und Terrorismusfinanzierung herantrauen, ist es um die Kriminalitätsbekämpfung in Deutschland schlecht bestellt."
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