Wird der digitale Euro das Bargeld als Zahlungsmittel noch in diesem Jahrzehnt ablösen?

Die Europäische Zentralbank plant die Einführung des digitalen Euro. Vor allem in der Pandemie hat ohnehin das bargeldlose Bezahlen einen Höhenflug erlebt. Doch der scheinbare Fortschritt einer digitalen Währung der EU geht mit Sorgen vor mehr Überwachung und Kontrolle einher.

Binnen eines Jahrzehnts möchte die Europäische Zentralbank (EZB) die Einführung vom "digitalen Euro" als Zahlungsmittel umsetzen. Eine sechsmonatige Testphase soll demnach laut Business Insider bereits für die Mitte des kommenden Jahres geplant sein. Der durch die EZB herausgegebene und garantierte "E-Euro" würde einerseits in Krisenzeiten als sicherer gelten, könnte jedoch andererseits langfristig das Bargeld als Zahlungsmittel ablösen. Bargeld ist das einzige derzeit herausgegebene Zentralbankgeld, welches von allen Bürgern der Eurozone unmittelbar verwendet werden kann und dadurch jedem die gewünschte "Autonomie, den Schutz der Privatsphäre und gesellschaftliche Inklusion" gewährleisten kann. 

Was ist der digitale Euro? 

Bei dem digitalen Zentralbankgeld (CBDC) handelt es sich um ein mehrjähriges Konzept, welches vorsieht, dass physisches Geld in ein elektronisches Zahlungsmittel transferiert wird, um so einem größeren Nutzerkreis zur Verfügung zu stehen. Der E-Euro würde Nutzern binnen Sekunden ermöglichen, über ein sogenanntes Wallet, ein "Portemonnaie" auf ihrem Smartphone Zahlungen abzuwickeln, ohne dass Geschäftsbanken involviert sein müssen. Auch überregionale Zahlungen würden demnach schneller vollzogen werden können. Das digitale Zentralbankgeld wäre im Vergleich zu der Kryptowährung Bitcoin – welche regelmäßig sehr starken Wertschwankungen unterliegt – in seinem Wert an die realen Reserven der Notenbank geknüpft.

Facebooks Diem setzt die EZB unter Druck

Während die Einführung vom digitalen Euro noch bis etwa Mitte des kommenden Jahres auf die Entscheidung der jeweiligen Präsidenten aller 19 Zentralbanken des Euroraums warten muss, möchte der Social-Media-Gigant Facebook mit seiner Kryptowährung Diem (ehemals Libra oder FacebookCoin) bereits im Januar einen Frühstart hinlegen. Die Libra Association, ein in der Schweiz gegründetes Unternehmen, welches den Aufbau der Digitalwährung leitet und überwacht, soll laut der Financial Times zunächst eine Libra-Münze an einen US-Dollar knüpfen wollen. Währungshüter sind besorgt, dass Internetkonzerne wie Facebook oder Amazon schneller digitales Geld zur Verfügung stellen können und somit künftig den Markt dominieren könnten. 

Wie weit ist der E-Yuan? 

Neben Facebook und Amazon sorgen sich die Währungshüter der EZB auch um China. Denn während man im Euroraum mit der Ausarbeitung einer digitalen Währung erst am Anfang steht, befindet sich die Volksrepublik China auch dabei bereits in der Test- und Experimentierphase. Die Schaffung des E-Euro hat somit auch einen geopolitischen Aspekt, nicht zuletzt deshalb, weil die Europäische Union spätestens seit 2019 die Volksrepublik China als System-Rivalen betrachtet. Doch auch für die Wirtschaft ist ein digitaler Euro vorteilhaft oder sogar unabdingbar geworden. 

"Gerade in der aktuell breit geführten Debatte um die digitale Souveränität Europas darf nicht übersehen werden, dass China derzeit in der Entwicklung einer CBDC führend ist. Währungen können in einer digitalen und globalisierten Welt zu einem kompetitiven Wettbewerbsvorteil für Wirtschaftsstandorte führen. Und zwar einerseits durch das Heben von Prozesseffizienzen und andererseits durch neue Geschäftsmodelle, die ermöglicht werden. Die Chancen eines digitalen Euros dürfen daher nicht bloß politisch, sondern müssen auch wirtschaftlich analysiert werden", schreibt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) in einem Infopapier

Könnte der E-Euro das Bargeld restlos ersetzen? 

Der E-Euro "würde Bargeld ergänzen, nicht ersetzen", bekräftigte EZB-Direktor Fabio Panetta Ende November. Dennoch stellt sich die Frage, wie transparent jeder einzelne Bürger für die Notenbanken wird, sollten eines Tages alle Transaktionen digital verarbeitet und gespeichert werden. Eine gewisse Anonymität muss daher gewährleistet werden, damit der E-Euro unter der Bevölkerung überhaupt eine breitere Zustimmung finden kann. Die neue Bargeldstrategie der EZB, am 2. Dezember ohne Pressemitteilung veröffentlicht, bestätigt bereits unumwunden, dass die Notenbank eine digitale Währung parallel zum Bargeld schaffen möchte.

Die minimale Publizität lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob und in welchem Umfang die EZB künftig am Bargeld festhalten möchte oder nicht. Denn der zentrale Vorteil für die EZB wäre es, illegale Zahlungsflüsse mit einem E-Euro leichter nachverfolgen zu können, sprich Geldwäsche abzuschaffen. Wie der Geschäftsführer Florian Wimmer der Blockpit GmbH, eines Herstellers von Software für mehr Transparenz und Vertrauen in einem auf Blockchain-Methoden basierten Finanzmarkt, gegenüber Der Standard bestätigte, gäbe es vor allem deshalb das große Interesse, Bargeld künftig abschaffen zu wollen. 

Zahlreiche Stimmen unter Prominenten, darunter auch der ehemalige Chef der Deutschen Bank, John Cryan, behaupten mittlerweile, dass das Bargeld noch in diesem Jahrzehnt einer digitalen Währung weichen könnte. Auch wenn es sich dabei um einen langwierigen Prozess handeln wird, unterstützt der aufflammende Wettbewerb zwischen der EZB, der Volksrepublik China und der Facebook Inc. diese These. Die EZB wird den Erfolg einer eigenen digitalen Währung nur sichern können, indem sie sich die Bürger der Eurozone als Nutzer dieses E-Euros sichern kann und diese nicht vorher an schnellere Konkurrenten verliert.

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