Spardiktat selbst während der Pandemie: Kinderarmut verschärft sich weiter
Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, warnte im NDR, dass sich die Kinderarmut durch die COVID-19-Pandemie weiter verschärfen wird. Viele Familien leben in Deutschland bereits am Rande des Existenzminimums und müssen ihr Einkommen durch staatliche Zuschüsse aufstocken, um überhaupt über die Runden zu kommen.
Bereits jetzt Millionen Kinder von Armut betroffen
Hierzulande wachsen laut konservativen Schätzungen rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche – 21,3 Prozent aller unter 18-Jährigen – in Armut auf, wie die Bertelsmann-Stiftung im Juli meldete. Umfassendere Untersuchungen haben bereits vor Jahren weitaus höhere Zahlen festgestellt, der Kinderschutzbund bezifferte dies mit 4,4 Millionen Kindern im Jahr 2018. Unbestritten ist die negative Tendenz und die Langzeitfolgen, sowohl für die Betroffenen als auch für die gesamte Gesellschaft. Denn Kinderarmut ist Bildungsarmut, die wiederum dazu führt, dass aus Kinderarmut oft Arbeitslosigkeit und später auch Altersarmut wird, wie der DKSB seit Langem warnt.
Selbst in Wohlstandsregionen des Landes wie dem Bodenseekreis sind die Schwächsten der Gesellschaft, die eigentlich für die Zukunft stehen, nicht vor Armut gefeit. Gleichzeitig sind, wie auch in anderen Bereichen, die Spendenkasse der Hilfsorganisationen und Stiftungen in diesem Jahr leerer als sonst.
Zu allem Überfluss warnte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass sich das bestehende soziale Gefälle in Deutschland in der Corona-Krise noch vergrößert. Laut DGB-Chef Reiner Hoffmann kämpfen viele Menschen hierzulande mit den Folgen aus unzureichenden Löhnen, die durch Kurzarbeit in diesem Jahr noch verringert wurden, schmerzhaften Einkommenseinbußen und steigenden Wohnkosten.
Soziales Gefälle durch Politik verschärft
Die sogenannte Grundsicherung, das vor nunmehr rund 17 Jahren beschlossene Hartz IV, steht in der Kritik, das sozioökonomische Gefälle zu vertiefen und die Gesellschaft zu spalten. Laut dem Politikwissenschaftler, Armutsforscher und früheren Professor Christoph Butterwegge warHartz IV einer der Höhepunkte der Politik des Sozialabbaus in Deutschland. Die Konsequenzen für die Qualität der parlamentarischen Demokratie würden unterschätzt, während Betroffene, und damit auch Kinder, verächtlich gemacht würden.
Zwar steht die Familie laut Grundgesetz unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. Doch bereits im Jahr vor der Pandemie stellte die National Coalition zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention fest, dass das Recht des Kindes auf ein Aufwachsen in sozialer Sicherheit in Deutschland nicht ausreichend gewährleistet ist – ein "Armutszeugnis für ein reiches Land", so der Kinderschutzbund.
Erst in der vergangenen Woche lehnte derselbe Bundestag, der Milliardenzahlungen für Konzerne zugestimmt hatte, einen von der Partei Die Linke gestellten Antrag einer Corona-Sonderzahlung für ALG-II-Bezieher in Höhe von mindestens 100 Euro ab. Auch die von der Linken geforderte Erhöhung des Kurzarbeitergeldes sowie Schutzmaßnahmen für von Armut betroffene Haushalte, beispielsweise durch Schutz vor Mietvertragskündigungen oder auch vor Zulieferungssperren der Energie- und Wasserversorger, wurde nicht angenommen: Union, SPD und AfD stimmten gegen den Antrag.
Die zugesagten Steigerungen der Hartz-IV-Regelsätze um wenige Euro seien absolut unzureichend, so Linken-Chefin Katja Kipping. So ist für Kinder zwischen sechs und dreizehn Jahren ist ein sogenanntes Plus von lediglich einem Euro vorgesehen. Der Mindestlohn wird auch im kommenden Jahr bei gerade einmal 9,50 Euro pro Stunde liegen, nach einer Steigerung um ganze 15 Cent – womit die Altersarmut für viele seiner Bezieher bereits vorprogrammiert ist.
Bereits im Jahr 2019 hatten 72 Prozent der Arbeitslosengeld-I-Empfänger im Jahresdurchschnitt weniger als die Untergrenze für das sogenannte schuldrechtliche Existenzminimum in Höhe von 1.180 Euro im Monat zur Verfügung, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken zeigt.
Teufelskreis: Konzerne in Bildung und Ernährung
Auch der Bildungssektor leidet unter dem Sparkurs, wie unter anderem Recherchen von Foodwatch zeigen. Da die Bildungseinrichtungen häufig unterfinanziert sind, lassen sie sich notgedrungen von Konzernen kofinanzieren, die wiederum einen vielversprechenden Markt wittern und nutzen. Entsprechend seien zunehmend Werbeagenturen unverblümter auf die "Zielgruppe Schüler" sowie sogar Kindergartenkinder fokussiert.
Denn, so zitiert Foodwatch die auf Schulmarketing spezialisierte Werbeagentur "DSA youngstar": "Kids im Alter zwischen zwei und fünf Jahren sind gleich aus mehreren Gründen eine spannende Zielgruppe: Sie sind die heimlichen Familienoberhäupter, verfügen über eine hohe indirekte Kaufkraft." Solche Werbeagenturen nutzen demnach jede gesetzliche Lücke, um schon in Kindergärten und Schulen die Kleinsten zu ködern und mit Werbemaßnahmen als Langzeitkunden an sich zu binden.
Davon profitieren ausgerechnet Konzerne wie McDonald's, Nestlé oder funny-frisch, während der Staat gleichzeitig bemüht ist, der Fehlernährung von Kindern entgegenzuwirken. Doch die von der Bundesregierung empfohlenen Qualitätsstandards für das Essen in Schulen und Kitas können von vielen Einrichtungen nicht umgesetzt werden. Dabei sind sich Experten einig, dass vorherrschende Krankheiten wie Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Probleme so vermieden werden könnten.
Gerade für Kinder aus benachteiligten Haushalten wäre die Investition in gute Ernährung und Bildung eine sinnvolle Investition, um Langzeitfolgen zu vermeiden. Laut Foodwatch ist es ein "Skandal, dass es ein so reiches Land wie Deutschland nicht schafft, in Schulen und Kindergärten gesunde, ausgewogene Mahlzeiten für Kinder auf den Kantinentisch zu bringen".
Hinsichtlich der Öffnung der Schulen nach den Weihnachtsferien forderte der Präsident des DKSB in NDR Info mehr Planbarkeit. Während absehbar sei, dass sich die Corona-Zahlen bis Mitte Januar nicht grundlegend verbessern, ist die mangelnde Planbarkeit auch ein Versäumnis, da man Entscheidungen frühzeitig hätte treffen sollen, um die Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu sichern, so Hilgers.
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