Deutschland

Profitquelle Krankenhaus: Ausverkauf des Gesundheitswesens geht auch mit COVID-19 weiter

Privatisieren, schließen, ausdünnen: Der Umbau des staatlich unterfinanzierten deutschen Gesundheitswesens zur marktkonformen Profitquelle nimmt trotz der COVID-19-Pandemie kein Ende. Klinikkonzerne greifen zu, Unrentables wird geschlossen.
Profitquelle Krankenhaus: Ausverkauf des Gesundheitswesens geht auch mit COVID-19 weiterQuelle: www.globallookpress.com © Chris Emil Janssen via www.imago-images.de

Ein Gastbeitrag von Susan Bonath

Protest gegen mögliche Privatisierung in Senftenberg

Kommunale Kliniken stecken in den roten Zahlen, private Krankenhauskonzerne grasen den Markt ab. Auch in der COVID-19-Pandemie gebietet ihnen niemand Einhalt. Im Gegenteil: Wegen zahlreicher Reformen in der Vergangenheit, mit denen die Bundespolitik das Gesundheitswesen der Profitlogik unterworfen hat, geht die Privatisierungs- und Schließungswelle im Eiltempo weiter. Das neueste Beispiel ist das Klinikum Niederlausitz mit Hauptsitz im brandenburgischen Senftenberg. Am Donnerstag soll der Kreistag darüber entscheiden, an wen das Haus geht. Als Käufer stehen der private SANA-Konzern und das Kommunale Krankenhaus Cottbus in den Startlöchern. Die Partei Die Linke ruft zum Protest vor Ort dagegen auf.

Wie die Linkspartei am Sonntag informierte, will sie mit Beschäftigten und Anwohnern am Dienstag, dem 15. Dezember, unter dem Motto "Menschen vor Profite – Nein zur Privatisierung von Krankenhäusern" vor das derzeit noch kommunale Krankenhaus in Senftenberg ziehen. Aus ihrer Sicht ist das Vorgehen des Kreistags Oberspreewald-Lausitz "beispielhaft für den Irrweg der Privatisierungen von Kliniken in Deutschland insgesamt". "Wir fordern ein Gewinnverbot für Krankenhäuser und eine Ersetzung des Systems der Fallpauschalen durch eine bedarfsgerechte Finanzierung", kritisierte die Partei die bundesdeutsche Gesundheitspolitik insgesamt. 

Nur die Rendite zählt

"Seit vielen Jahren wird den Kliniken mit Fallpauschalen und Kostendruck aufgezwungen, die eigene Arbeit an betriebswirtschaftlichen Kriterien statt an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten", mahnte Linksparteichef Bernd Riexinger, der auch auf der Kundgebung sprechen will. Die Folgen – wie zunehmender Pflegenotstand und wachsende Versorgungslücken – seien unter dem Einfluss der Pandemie besonders deutlich spürbar. Die Politik habe daraus bisher nichts gelernt, rügte er und fügte an: "Mitten in der Krise eine Klinik zu privatisieren, beweist wirklich eine unglaubliche Ignoranz."

Das Klinikum Niederlausitz mit seinen beiden Krankenhäusern in Senftenberg und Lauchhammer steckte bereits lange vor Corona in den roten Zahlen. 2018 schrieb es Medienberichten zufolge ein Minus von 4,5 Millionen Euro. Seit 2019 arbeitet das Haus ein "Sanierungskonzept" – von Wirtschaftsprüfern – ab. Zwar rechnet die neue Geschäftsführung bis zum kommenden Jahr mit einem "ausgeglichenen operativen Ergebnis". Dennoch bleibe "die Suche nach einem strategischen Partner aus betriebswirtschaftlichen Aspekten, insbesondere mit Blick auf die gewachsenen Verbindlichkeiten und auf künftige Investitionen, unabdingbar, um den positiven Kurs des Klinikums weiter fortzusetzen", teilte die Klinikleitung im Frühjahr 2020 mit. 

Löhne gedrückt, Stationen geschlossen, Abteilungen ausgegliedert

Wie es häufig nach einer Privatisierung weitergeht, zeigt beispielhaft die Geschichte des ehemaligen Ohre-Klinikums in Haldensleben in der sachsen-anhaltischen Börde. Nachdem der Kreis mehrere Millionen Euro in den Umbau des Hauses gesteckt hatte, verkaufte er es 2006 – gegen den Widerstand tausender Bürger – an den SANA-Konzern. Dem aber war diese Klinik dann doch nicht lukrativ genug, er reichte das Klinikum 2013 weiter an die AMEOS-Gruppe. Die machte dann "Nägel mit Köpfen": Die Gehälter stagnierten, Personal wurde zu schlechteren Konditionen über eine externe Firma eingestellt. Zahlreiche Sparten gliederten die Privatbetreiber aus, darunter sogar die Küche und das Labor. "Unrentable" medizinische Abteilungen verschwanden ganz: So schloss AMEOS zuletzt Kinder- und Frauenstation sowie den Kreißsaal.

Geburtshilfe, Kinder- und Frauenheilkunde bringen hierzulande am wenigsten Profit. Kritiker verweisen seit Jahren auf ein regelrechtes Sterben dieser Bereiche. Besonders in den ländlichen Gebieten gibt es immer weniger Versorgungsangebote für Betroffene. Zwischen 1991 und 2016 wurde die Zahl der Kreißsäle fast halbiert: Von rund 1.200 sank sie auf etwas über 600. Diese Tendenz ist auch während der Pandemie weiter anhaltend. Geschichte sind seit diesem Jahr mittlerweile bundesweit unter anderem die Kinderkliniken in Parchim und Gardelegen, die Gynäkologie in Sebnitz und Kreißsäle in Essen, Rathenow, und Crivitz. Im Kreis Segeberg steht die Lungenklinik Borstel vor dem Aus. Der Asklepios-Konzern kündigte an, die Rehaklinik Seesen zum Jahresende dicht zu machen. Ganze Krankenhäuser schließen derzeit etwa in Mannheim, Losheim und im brandenburgischen Lehnin.

Steuergeld fürs "Austrocknen"?

Wie die medizinische Krankenhausversorgung im ländlichen Raum verschwindet, zeigt ein weiteres aktuelles Beispiel im kleinen ländlichen Havelberg in Sachsen-Anhalt. Zum 1. September dieses Jahres hatte das Privatunternehmen KMG den Betrieb der Klinik trotz monatelanger Proteste eingestellt. Der Konzern will den Standort zu einem Pflegeheim umbauen. Das bringt offenbar mehr Geld ein. Die Menschen stehen vor immer akuter werdenden Versorgungsproblemen.

Wie der Tagesspiegel am 5. Dezember berichtete, soll der Betreiber den Standort gezielt "ausgetrocknet" haben. Dabei sei noch 2016 mit Fördergeldern eine neue Intensivstation errichtet worden, die allerdings niemals mehr genutzt wurde. Trotzdem sei KMG für das Dichtmachen des Hauses vom Staat sogar noch "fürstlich" belohnt worden. Der Linke-Abgeordnete im Magdeburger Landtag, Wulf Gallert, erklärte gegenüber dem Blatt, es seien im Fall Havelberg mehr als sechs Millionen Euro an KMG geflossen – eine Art staatliches Förderprogramm – für das Schließen von Kliniken. Für die Bevölkerung bedeutet dies immer längere Fahrtwege, die im Notfall tödlich sein können. Einen hinreichend dichten Öffentlichen Nahverkehr gibt es in der dünn besiedelten Region ohnehin kaum.

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