Giffey verzichtet auf Doktortitel – Hat die SPD ein Problem weniger?
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat im lang anhaltenden Streit um Plagiatsvorwürfe Konsequenzen gezogen: Die SPD-Politikerin verzichtet künftig darauf, ihren Doktortitel zu führen. Das gab Giffey am Freitag in einer teils emotionalen Erklärung bekannt. Der Hintergrund für diesen Schritt: In der vergangenen Woche hatte die Freie Universität (FU) Berlin angekündigt, sie wolle das Prüfverfahren um die Doktorarbeit neu aufrollen. Giffey gab zu verstehen, dass sich an ihren politischen Zielen nichts ändere – ihr Können hänge nicht von diesem Titel ab.
Giffey will sich auf dem Landesparteitag zur neuen Vorsitzenden wählen lassen
Die Politikerin ergriff damit gewissermaßen die Flucht nach vorn. Schon Ende November will sie sich auf dem Landesparteitag der Hauptstadt-SPD zusammen mit Fraktionschef Raed Saleh zur neuen Vorsitzenden wählen lassen. Für Dezember wird Giffeys Wahl zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl 2021 erwartet. Viele in der Berliner SPD hoffen auf sie als nächste Regierende Bürgermeisterin. Ihre Entscheidung in Sachen Doktortitel, die Giffey am Freitagnachmittag mitteilte, könnte für die SPD manches einfacher machen.
Auch Bundesfamilienministerin will Giffey bleiben – im vergangenen Jahr hatte sie angekündigt zurückzutreten, falls ihr der Titel nach Plagiatsvorwürfen aberkannt werden sollte. Das Präsidium der Freien Universität Berlin hatte am Freitag vergangener Woche mitgeteilt, die Rüge im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren zu Giffeys Doktorarbeit nach einem neuen Gutachten aufzuheben und neu darüber zu entscheiden. Daraus ergebe sich, dass eine Rüge nur in einem minderschweren Fall zulässig sei. Das aber sei im Schlussbericht des Prüfungsgremiums 2019 zu Giffeys Dissertation nicht dargelegt worden. Deshalb müsse noch einmal geprüft werden.
Ich bin nicht gewillt, meine Dissertation und das damit verbundene nun neu aufgerollte Verfahren weiter zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen zu machen", teilte Giffey schriftlich mit. "Wer ich bin und was ich kann, ist nicht abhängig von diesem Titel. Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht in diesem akademischen Grad begründet."
Ein Sprecher der Freien Universität teilte am Freitag mit, diese habe am Nachmittag das Schreiben von Frau Giffey erhalten und zur Kenntnis genommen. Die FU prüfe nun mögliche Auswirkungen auf das Verfahren. "Die Freie Universität Berlin wird die Öffentlichkeit nach Abschluss der Prüfung über die weiteren Schritte informieren."
Den Titel formal aberkennen könnte nur die Uni selbst
Giffey kann auf das Führen ihres Doktortitels verzichten, aber formal aberkennen könnte ihn nach Einschätzung eines Experten nur die Uni selbst.
Das Verfahren an der Hochschule liefe dann zwar weiter, aber Giffey könnte das Thema der politischen Debatte entziehen", sagte der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne Anfang der Woche der Deutschen Presse-Agentur.
Giffey lässt in ihrer Mitteilung zwischen den Zeilen auch Kritik an der FU erkennen: "Die Universität hat mir im letzten Jahr mitgeteilt, dass eine Entziehung des Doktorgrades nicht als verhältnismäßig bewertet wird", schreibt sie in ihrer Erklärung. "Ich habe auf diesen Entschluss vertraut. Über ein Jahr später kommt sie zu einer anderen Einschätzung."
Zu einer Spitzenkandidatur für den Wahlkampf 2021 äußerte sich Giffey in ihrer Erklärung am Freitag nicht. "Wir gehen fest davon aus, dass sie Spitzenkandidatin wird", sagte der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und Innensenator Andreas Geisel am Freitag. Zu Giffeys Verzicht, den Doktortitel zu führen, sagte er: "Das ist eine kluge und souveräne Entscheidung."
Erleichterung in der Berliner SPD – doch reicht das?
Giffey ist im Landesverband nicht völlig unumstritten. Manche Mitglieder hatten schon Bedenken, als die 42-jährige Ministerin Anfang des Jahres erklärte, zusammen mit Saleh den Landesvorsitz übernehmen zu wollen. Zuvor hatte Noch-Landeschef und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller erklärt, nicht mehr für den Vorsitz zu kandieren.
Für die Mehrheit der Berliner SPD gilt sie allerdings als Hoffnungsträgerin – die Partei dümpelt in Umfragen seit Monaten hinter den Grünen und der CDU und deutlich unter 20 Prozent vor sich hin. Für das Ziel, stärkste Partei zu werden, müsste sie kräftig zulegen.
In der Berliner SPD wird dem Doktortitel wenig Bedeutung beigemessen. Für die Wählerinnen und Wähler spiele keine Rolle, ob Giffey einen Doktortitel habe oder nicht, so die Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF), Susanne Fischer. "Die haben andere Sorgen." Die stellvertretende Landesvorsitzende Iris Spranger teilt diese Einschätzung: "Frau Giffey wird bewertet mit den Themen, die sie setzt." Und das letzte Wort habe schließlich der Wähler.
Opposition fordert gleiche Maßstäbe wie bei Guttenberg
Doch trotz des Verzichts auf das Führen ihres Doktortitels hält die Kritik an Giffey in den Oppositionsparteien aber an. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sagte der Bild, Giffey werde durch dieses Vorgehen nicht erlöst, denn die Frage, ob sie bei der Erstellung der Arbeit geschummelt habe, werde abschließend geklärt werden müssen. Kubicki sagte weiter:
Stellt sich heraus, dass sie getäuscht hat, bleibt ihr nur der Rücktritt.
Es gebe keinen logischen Grund, warum für sie andere Maßstäbe gelten sollten als für Karl-Theodor zu Guttenberg. Im vergangenen Jahr hatte Giffey ihren Rücktritt angekündigt, falls ihr der Titel nach Plagiatsvorwürfen aberkannt werden sollte.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger sagte der Zeitung, Giffey habe bis zum Ende versucht, die Plagiatsaffäre auszusitzen. "Das zeugt weder von Anstand und Moral noch von Einsicht. Wer so heuchlerisch vorgeht, disqualifiziert sich für eine Spitzenkandidatur. Und auch für ein Ministeramt."
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz (CDU) sagte der Zeitung, er sei jetzt sehr gespannt, ob an die SPD-Ministerin die gleichen Maßstäbe angelegt würden wie in den Fällen Guttenberg und Annette Schavan. Beide waren aus dem gleichen Grund zurückgetreten.
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(dpa/rt)
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