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Streeck in Videokonferenz: Nicht nur auf Neuinfektionen konzentrieren

In einer Zoom-Konferenz hat der Virologe Hendrik Streeck Fragen von Journalisten beantwortet. Der Tenor des Interviews: Man solle sich nicht nur auf die "Neuinfektionen" konzentrieren, sondern vermehrt auf die Belegung der Intensivstationen achten.
Streeck in Videokonferenz: Nicht nur auf Neuinfektionen konzentrierenQuelle: www.globallookpress.com © www.imago-images.de

Prof. Hendrik Streeck, Institutsleiter der Virologie am Universitätsklinikum Bonn, hat in einer Zoom-Konferenz die Fragen von Journalisten zur Corona-Krise beantwortet. Der Virologe zählt zu den bekanntesten Kritikern der von Bund und Ländern ergriffenen Maßnahmen. Erst kürzlich warnte Streeck vor den Folgen der Panikmache in Politik und Medien, die die Gesellschaft spalte. Zentrales Thema der Videokonferenz war die steigende Zahl der mutmaßlichen Neuinfektionen.

Streeck stellte schon zu Beginn klar, dass die Situation und auch die Zahl der mutmaßlichen Infektionen nicht mehr mit der Situation im März und April vergleichbar seien. Aber auch wenn man mehr teste, sei die Anzahl der positiv auf Corona Getesteten nicht nur ein Testeffekt. Man solle sich aber nicht nur die Zahl der positiv Getesteten anschauen:

Im Grunde sorge ich mich nicht vor 50 auf 100.000 Jugendlichen in Berlin-Mitte, die sich bei einer Party infiziert haben oder diagnostiziert wurden, wenn sie jung und fit sind und milde Symptome haben. Aber ich sorge mich viel mehr darum, wenn man 30 ältere Menschen mit Corona auf der Intensivstation hat. Aber worauf wir achten, sind nur die 50 Menschen auf 100.000.

Der Virologe schlägt auch vor, dass man den mehr oder weniger willkürlichen Grenzwert von 50 positiv Getesteten nicht mehr nutzen, sondern stattdessen lieber eine Art "Ampelsystem" einführen sollte, dass vier Faktoren beinhalte: Neben der Zahl der positiv Getesteten sollten auch die Anzahl der Tests und die stationäre und intensivmedizinische Belegung in den Krankenhäusern berücksichtigt werden.

Beim Fall Tönnies in Gütersloh habe man gesehen, dass selbst bei 60.000 Tests nur ein verschwindend geringer Anteil an positiv Getesteten eine intensivmedizinische Behandlung brauchte. Anders sehe es aber zum Beispiel aus, wenn es einen Corona-Ausbruch in Altenheimen gebe. Wenn man aber stumpfsinnig auf dem Grenzwert von 50 beharrt, werde es – so Streeck – zumindest zu einem Teil-Lockdown kommen. Deshalb halte er auch Beherbergungsverbote nicht für sinnvoll, da bald viele Städte die 50er-Marke "reißen werden" – vielleicht auch das "beschauliche" Bonn, das nach Aussagen von Streeck "keine Partymetropole ist".

Die neuen Regeln wie Abstand, Hygiene und Alltagsmasken hält Streeck zwar für sinnvoll, allerdings erläutert er, dass es sinnvoller sei, auf Gebote statt auf Verbote zu setzen. Wenn man an die Eigenverantwortung appelliere, habe man einen besseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und könne die Corona-Krise besser bewältigen als durch Zwänge:

Wir kennen das aus dem HIV-Bereich. Nämlich, dass man den Leuten die Schwellen heruntergesetzt hat, Kondome zu benutzen und Kondome bereitgestellt hat, als zu sagen: Ihr dürft keinen Sex mehr haben.

Auf die Frage eines Journalisten, ob man in der Vergangenheit zu oft auf die Virologen und weniger auf andere Experten gehört habe, sagte Streeck, das er schon zu Beginn der Debatte um Schulöffnungen darauf hingewiesen habe, dass Virologen nicht die Antworten haben. Die virologischen Studien zur Weitergabe des Virus durch Kinder und zur Infektiösität seien bis dato relativ schlecht. Man hätte sich eher fragen sollen: Was macht das mit den Kindern? Soziologen, Psychologen und Lehrerverbände wären in dieser Hinsicht sehr viel mehr gefragt. Die Fokussierung auf virologische Studien sei falsch gewesen, man sollte eher eine breite Debatte führen. Es wäre wünschenswert, wenn es etwa wie eine "Pandemie-Gruppe" gäbe, die sich gesellschaftlich und  ganzheitlich damit befasst.

Auf die Frage, ob die von der Politik ergriffenen Maßnahmen verhältnismäßig seien, erwiderte Streeck, dass er dies nicht beantworten könne, dass dies die Aufgabe der Justiz sei, die im Übrigen bereits mehrfach Verbote im Eilverfahren wieder kippte. Dies sei aber keine Angelegenheit der Virologen. Bei einigen Sachen wundere er sich jedoch, da es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Sinn ergebe. Als Beispiel führt er das geplante Alkoholverbot in Berlin ab einer bestimmten Uhrzeit an. Es sei nicht erwiesen, dass es mehr Übertragungen gibt, wenn Leute Alkohol getrunken haben. Es gebe aber Studien, die zeigen, dass die Ansteckungsgefahr geringer ist, wenn man raucht. Wenn man sich allerdings doch ansteckt, erhöht sich bei Rauchern die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs.

Auf die "Gretchenfrage", ob die offiziellen Fallzahlen auch Infektionszahlen seien, erklärte der Virologe, dass dies nicht so einfach zu beantworten sei, da dies auf die Definition des Begriffes "Infektion" hinauslaufe. Theoretisch könnte man zwar auch ein Virus detektieren, das nicht aktiv sei. Dies sei aber unwahrscheinlich. In den meisten Fällen habe das Virus Zellen befallen und vermehre sich, was für ihn die Definition einer Infektion sei. Ob die Infektion relevant sei, ist jedoch eine andere Frage, da zahlreiche Infizierte auch gar keine Symptome zeigen und nur eine geringe Virenlast in sich tragen.

Streeck erklärte auch, dass sich das Virus in Italien zum Beispiel nicht mehr so stark ausbreite, da in kleineren Gemeinden bereits viele ehemals Infizierte lebten. Man könne davon ausgehen, dass es zumindest eine Teilimmunität gebe, denn es gebe bei den Millionen Infizierten weltweit nur einige wenige Fälle, in denen sich Leute erneut infizierten. Auch von anderen Viren des Corona-Typs kenne man eine Immunität, die ein bis zwei Jahre anhält.

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