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"Eskalation und Spaltung": Veranstalter der Corona-Demo in Berlin wollen gegen Verbot klagen

Die Entscheidung des Berliner Senats, die für das Wochenende geplanten Proteste gegen Corona-Maßnahmen zu verbieten, löst heftige Reaktionen aus. Die Organisatoren der Corona-Demo wollen gegen das Verbot vor Gericht ziehen. Die Berliner AfD kündigt eine Protestkundgebung gegen das Verbot an.
"Eskalation und Spaltung": Veranstalter der Corona-Demo in Berlin wollen gegen Verbot klagenQuelle: www.globallookpress.com © Marc Vorwerk/SULUPRESS.DE

Die Berliner Versammlungsbehörde hat die für diesen Samstag geplante große Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung und andere Aufzüge verboten. Bei dem zu erwartenden Teilnehmerkreis sei mit Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung zu rechnen, teilte Innensenator Andreas Geisel am Mittwoch mit.

Besondere Auflagen wie zum Beispiel das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung seien bei den angemeldeten Versammlungen nicht ausreichend. Die Versammlungen am 1. August hätten gezeigt, dass die Teilnehmer sich bewusst über Hygieneregeln und entsprechende Auflagen hinweggesetzt hätten.

Am 1. August hatten in Berlin Zehntausende Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Wegen Verstößen gegen Hygieneauflagen wurde die Abschlusskundgebung von der Polizei aufgelöst. Im Anschluss entbrannte ein politischer Streit um den Umgang mit den Protesten.

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An diesem Samstag sollte es nun eine Neuauflage geben. Unter dem Motto "Versammlung für die Freiheit" wollten die Teilnehmer durch Berlin-Mitte ziehen und sich am Nachmittag auf der Straße des 17. Juni versammeln. Bei der Polizei waren für die Demo 17.000 Teilnehmer angegeben. Die folgende Kundgebung wurde von der Stuttgarter Initiative Querdenken 711 angemeldet – mit 22.500 Teilnehmern. 

"Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz", erklärte Senator Geisel zum nun verfügten Verbot. "Wir sind noch mitten in der Pandemie mit steigenden Infektionszahlen. Das kann man nicht leugnen. Wir müssen deshalb zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Wir haben uns für das Leben entschieden."

"Schwurbelt woanders!" – Zustimmung aus Reihen der Senatsparteien

In den Reihen der regierenden rot-rot-grünen Koalition in Berlin fällt das Verbot zumeist auf Verständnis. So hält Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller das Verbot für nachvollziehbar und richtig. Er wies in diesem Zusammenhang auf Verstöße gegen Auflagen in der Vergangenheit hin. Dass Auflagen nicht eingehalten würden, sei nicht nur ein Risiko für die Teilnehmer der Demonstration, sondern auch für viele andere, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch.

Insofern ist es nachvollziehbar und richtig, dass der Innensenator hier mit aller Klarheit reagiert. Und das ist ja auch ein Weg, den wir im Senat gemeinsam so besprochen haben.

Weiter führte Müller dazu aus: "Die Teilnehmer der Demonstration gehen irgendwann nach Hause oder sie gehen an den Arbeitsplatz oder sie fahren mit der U-Bahn." Damit gefährdeten sie wiederum sich und andere, "weil sie vorher Regeln nicht beachtet haben".

Auch der Berliner Bundestagsabgeordnete der Linken, Stefan Liebich, begrüßte die Entscheidung. Auf Twitter schrieb er: "Sehr gut. Schwurbelt woanders! Oder am besten gar nicht." In einem weiteren Tweet führte er dazu aus: "Es wird explizit darauf Bezug genommen, dass die Veranstalter beim letzten Mal die Auflagen ignoriert haben. Und es gab genug Beispiele, wie man auch in der Pandemie vernünftig demonstrieren kann. Ja, zum Demonstrationsrecht, aber nein zur Gefährdung anderer!"

Seine Berliner Parteikollegin Halina Wawzyniak sieht das anders, auch wenn sie "null Sympathie für [die] rechtsoffene Demo am Samstag" habe. "Aber das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit der Begründung einzuschränken, ist nicht überzeugend. Da gibt es mildere Mittel", so die ehemalige Bundestagsabgeordnete.

Die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, begrüßte das Verbot und bezeichnete dieses gegenüber der Berliner Zeitung als "mutig und richtig". Die Grünen würden auch in Pandemie-Zeiten für Versammlungsfreiheit eintreten. "Wenn es aber, wie bei der Anti-Corona-Demo am 1. August, zu massenhaften Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung kommt", müsse alles getan werden, um die Gesundheit der Berliner und Teilnehmer zu schützen. 

Auch aus der CDU gibt es Zustimmung für die Untersagung der Protestveranstaltung. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans erklärte dazu:

Wenn in solchen Demonstrationen bewusst gegen die Corona-Auflagen verstoßen wird, wenn bewusst gegen Abstandsregeln verstoßen wird bei diesen Demonstrationen und wenn das dann mit dem Verweis auf wirklich abenteuerliche Verschwörungstheorien als legitimes Widerstandsrecht gekennzeichnet wird, dann ist das unverantwortlich. Und dann müssen auch seitens der Politik die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden", so der CDU-Politiker.

"Verachtung zentraler demokratischer Werte" – Scharfe Kritik am Demoverbot

Aus den Reihen von FDP und AfD wird das Demoverbot hingegen kritisiert. Laut dem fraktionslosen Berliner Abgeordneten Marcel Luthe setze Innensenator Geisel "offenbar immer mehr auf Eskalation und Spaltung, statt verhältnismäßig zu agieren." Der FDP-Politiker wirft dem Berliner Senat vor, mit zweierlei Maß zu messen: Demonstrationen, die erfahrungsgemäß in schweren Straftaten mündeten, würden nicht verboten, während nun eine Demonstration zu einem zentralen politischen Thema untersagt werden soll.

Wer als Regierungsmitglied das politische Neutralitätsgebot nicht beachtet und Demonstranten verächtlich macht, verachtet zentrale demokratische Werte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Willkür vor den Gerichten Bestand hat", kritisiert Luthe.

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen fordert Senator Geisel zum Rücktritt auf. Die Junge Freiheit zitiert ihn mit den Worten:

Ich fordere den unverzüglichen Rücktritt von Andreas Geisel. Als Innensenator Berlins wäre es Geisels Aufgabe, die im Grundgesetz garantierte Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit durchzusetzen. Statt dessen setzt er diese über die ihm untergeordnete Versammlungsbehörde außer Kraft und begrüßt das öffentlich. Ein schwarzer Tag für unsere Demokratie, als Innensenator ist Geisel untragbar geworden.

Der zweite AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla bezeichnet das Verbot als "harten Schlag gegen die Bürger- und Freiheitsrechte in Deutschland". Es handele sich dabei um einen "Kotau des Rechtsstaates vor dem Meinungsdruck der etablierten Parteien", das Grundgesetz werde "mit Füßen getreten".

"Reine Gesinnungssache" – Veranstalter wollen gegen Verbot vor Gericht ziehen 

Während in den sozialen Medien erste Aufrufe aus Unterstützerkreisen der Demo kursieren, das Demoverbot zu missachten, kündigten die Organisatoren der Protestveranstaltung an, rechtliche Mittel gegen das Verbot einlegen zu wollen. Rechtsanwalt Ralf Ludwig, der die Initiative Querdenken 711 vertritt, erklärte dazu:

Wir werden vors Verwaltungsgericht gehen, wir werden natürlich auch im Zweifel das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn nicht bereits auf Ebene des Verwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts dieser Bescheid aufgehoben wird.

Ludwig geht davon aus, dass die für Samstag geplante Versammlung stattfinden wird, da das Verbot eine "reine Gesinnungssache" sei.

In einer Pressemitteilung nahm der Gründer der Initiative, Michael Ballweg, Stellung zum Verbot:

Meine Befürchtung im April 2020, dass im Rahmen der Pandemie die Grundrechte nicht nur temporär eingeschränkt werden, hat sich bestätigt.

Ballweg betont darin, dass es "mehrere sehr gute Kooperationsgespräche mit der Polizei" gegeben habe, "in denen wir insbesondere die Problematik der Hygienekonzepte gut und kooperativ miteinander abgestimmt haben."

Wir haben insbesondere verdeutlicht, dass wir Deeskalationsteams mit psychologisch geschulten Menschen stellen, die zugleich durch ein großes Team an Anwälten unterstützt werden, um die Hygieneregeln einzuhalten.

Dem Berliner Innensenator gehe es offenbar nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, die seine eigene Polizeibehörde nicht teile, "sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer", so Ballweg. 

Die Berliner AfD ruft nun zu einer Kundgebung an diesem Wochenende gegen das Demonstrationsverbot auf. Damit habe der Senat eine Grenze überschritten, erklärte Fraktionschef Georg Pazderski. Man wolle am Samstag um 11 Uhr vor dem Brandenburger Tor für "unseren Rechtsstaat, unsere Grundrechte" demonstrieren, zitiert die Berliner Zeitung den Landesvorsitzenden Nicolaus Fest.

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(rt/dpa)

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