Deutschland

"Das reicht hinten und vorne nicht" - Kritik an Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 23 Cent pro Tag

Hartz-IV-Empfänger sollen ab dem kommenden Jahr mindestens 23 Cent mehr pro Tag bekommen. Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren den Satz als viel zu niedrig, realitätsfern und als Schlag ins Gesicht für Millionen Menschen.
"Das reicht hinten und vorne nicht" -  Kritik an Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 23 Cent pro TagQuelle: www.globallookpress.com © Imago Stock&People/ Global Look Press

Hartz-IV-Empfänger sollen ab dem kommenden Jahr mindestens sieben Euro mehr im Monat bekommen. Der Satz für alleinstehende Erwachsene steigt Anfang Januar 2021 von 432 auf mindestens 439 Euro. Einen entsprechenden Entwurf von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) hat das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin beschlossen. Das Gesetz, mit dem auch die Leistungen für Asylbewerber erhöht werden, muss noch durch Bundestag und Bundesrat.

Die Hartz-IV-Sätze bei Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren sollen deutlich stärker steigen als die der Erwachsenen: Geplant ist eine Erhöhung um mindestens 39 auf 367 Euro im Monat. Keine Steigerung ist zunächst für Kinder im Alter von 6 bis 13 geplant. Das früher als Taschengeld bezeichnete Bargeld für den persönlichen Bedarf für alleinlebende erwachsene Asylbewerber erhöht sich dem Entwurf zufolge von 153 auf 160 Euro im Monat und für jugendliche Asylsuchende von 80 auf 108 Euro.

Die Sätze werden alle fünf Jahre, wenn eine neue sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) vorliegt, neu festgesetzt, was nun der Fall ist. Außerdem werden sie jährlich entlang der Lohn- und Preisentwicklung fortgeschrieben. Dies steht in diesem Jahr für Hartz-IV-Empfänger noch aus und wird voraussichtlich Ende des Monats passieren. Es wird also eine weitere Erhöhung geben, weshalb momentan nur von einem Anstieg um "mindestens" sieben Euro gesprochen werden kann.

Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren die Anpassungen als viel zu niedrig. Der Sozialverband VdK bezeichnet die berechneten Regelbedarfshöhen als "nicht realitätsgerecht". VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte am Mittwoch:

Sieben Euro reichen hinten und vorne nicht. Das sind gerade mal 23 Cent am Tag, die die Menschen mehr in der Tasche haben. Armut bekämpfen wir damit ganz sicher nicht.

Der Paritätische Gesamtverband spricht von einem "unverschämten Kleinrechnen" der Regelsätze. Linken-Chefin Katja Kipping warf Sozialminister Heil vor, eine "aktive Verarmungspolitik" zu betreiben. Der Gesetzentwurf sei ein Schlag ins Gesicht für Millionen Menschen in Deutschland, kritisierte der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven Lehmann. Er forderte eine schrittweise Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes für Erwachsene auf 603 Euro im Monat.

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Das Bundessozialministerium wies die Vorwürfe am Mittwoch als "nicht gerechtfertigt" zurück. Die Berechnungsmethode sei transparent und nachprüfbar, sagte eine Sprecherin.

Nach Ansicht der FDP müsste das Hartz-IV-System einer "Generalrevision" unterzogen werden. Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sagte am Mittwoch: "Der Fokus einer echten Reform müsste auf der schnellen Beendigung des Leistungsbezugs liegen. Mit einer deutlichen Erhöhung der Zuverdienstgrenzen könnten wir den Aufstieg in ein selbstbestimmtes Leben erreichen."

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beziehen rund 5,7 Millionen Menschen in Deutschland die sogenannte "Grundsicherung für Arbeitssuchende", besser bekannt als "Hartz IV" und benannt nach ihrem Urheber, dem früheren VW-Manager Peter Hartz. Er machte die Vorschläge zu Sozialreformen unter Kanzler Gerhard Schröder in den frühen 2000-er Jahren. Diese haben seither zu viel Elend und Kritik geführt – auch wenn Nichtbetroffene gern behaupten, dass auf diesem Weg ein Auskommen durchaus möglich sei.

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(dpa/ rt)

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