"Infektionen, die folgenlos blieben": Virologe Streeck kritisiert wieder deutsche Corona-Politik
Von Corona-Forscher Hendrik Streeck kommt erneut Kritik an überstürzten Corona-Maßnahmen. Seine Ansichten hat er diesmal in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) zusammengefasst.
Zunächst ging es im Gespräch um den Lockdown mit dessen gravierenden Folgen. Nach dem ersten Verbot von Großveranstaltungen im März seien laut Streeck die Infektionszahlen bereits gesunken. "Die weiteren Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen hätte ich dann vom tatsächlichen Verlauf abhängig gemacht, auch um zu sehen, wie die einzelnen Beschränkungen wirken und ob zusätzliche Schritte wirklich nötig sind", sagte der Direktor des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Bonn.
Dafür sei Deutschland "zu schnell in den Lockdown gegangen", weil neben der Sorge um die Kapazität der Krankenhäuser "ein gewisser Druck in der Öffentlichkeit" bestand.
Anfangs seien sich fast alle Virologen mehr oder weniger einig gewesen, dass COVID-19 "nicht bagatellisiert werden sollte, aber auch nicht dramatisiert werden darf". Mit den Bildern aus Bergamo und den USA sowie spezifischen medizinischen Erkenntnissen habe sich die Ansicht geändert. "Derzeit allerdings nähern wir uns wieder der Einschätzung aus der Anfangszeit an", sagte der Professor. Der Grund der sinkenden Risikobewertung sei die enorme Anzahl von Infektionen, die folgenlos blieben.
Derzeit zeigten Studien, dass bis zu 81 Prozent der Infektionen asymptomatisch verliefen. "Es besteht eine Chance, dass wir über den Sommer die Anzahl der Personen mit Teilimmunität erhöhen können", sagte Streeck vor wenigen Tagen. Die Hoffnung auf einen Impfstoff könne sich als trügerisch erweisen. Also solle man sich darauf einstellen, mit dem Virus zu leben.
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"Ich glaube auch weiterhin nicht, dass wir am Ende des Jahres in Deutschland mehr Todesfälle als in anderen Jahren gehabt haben werden", sagte der Mediziner NOZ und wies auf das Durchschnittsalter der Pandemietoten von 81 hin, das eher "oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung" liege. Mancher, den COVID-19 in Deutschland verschone, sterbe stattdessen "an einem anderen Virus oder Bakterium".
Nur warnen und mahnen kann man ja sehr leicht. Im Zweifel ist man als Mahner gesellschaftlich besser aufgehoben", sagte Streeck im Hinblick auf die verschiedenen Positionen zur Pandemie in Wissenschaft und Politik.
"Nicht anders als im Rest der Welt" erwartete Streeck auch in den USA ein Abflachen der Welle. "So schnell hoch ging es dort ja unter anderem deshalb, weil Amerikaner mit Husten und Schnupfen weiter arbeiten gehen. Es gibt dort nicht diese Form der Krankmeldung wie in Deutschland", sagte Streeck, der neun Jahre lang in den USA geforscht hat. In der Folge sei es zu wesentlich mehr Ansteckungen als in Deutschland gekommen.
Auch den Nutzen der von der Bundesregierung angekündigten Corona-App zieht Streeck in Zweifel. Sie käme ein "bisschen spät", sagte er, "zumal man nicht weiß, ob sie überhaupt etwas dazu beitragen kann, in Deutschland eine Pandemie zu kontrollieren".
Angesichts der hohen Kosten stellte Streeck auch die zahlreichen Corona-Tests infrage: "Je nach Labor kommen im besten Fall 59 Euro pro Test auf das Gesundheitssystem zu – bei 400.000 Stück pro Woche bedeutet es eine Stange Geld. Wenn dann noch systematisch gescreened werden soll, wird es noch mehr. Wenn wir nur ein positives Ergebnis auf 100 Tests sehen, fragt sich ja, ob das noch lohnt."
Streeck sieht auch den Einsatz von Atemmasken im Alltag wegen der oft falschen Anwendung skeptisch. "Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen", sagte er. "Das ist ein wunderbarer Nährboden für Bakterien und Pilze."
Mit Blick auf Schulen und Kitas erklärte der Professor, "Kinder sind nicht die großen Virenschleudern". Virologisch sei zur Frage der Öffnung alles gesagt. "Die Entscheidung muss nun politisch getroffen werden. Lehrer jedenfalls haben kein höheres Infektionsrisiko als andere Berufsgruppen, die in vergleichbarer Weise mit Menschen arbeiten."
Nach einer überstandenen COVID-19-Infektion geht der Virologe von einer Immunität von bis zu zwei Jahren aus. Diesen Schluss würden Literaturauswertungen zu Coronaviren am Institut für Virologie der Universität Bonn nahelegen, das er leitet. Auch verschiedene Studien deuteten in diese Richtung.
Heinsberg-Studie
Der Virologe Hendrik Streeck wurde in der Öffentlichkeit durch die sogenannte Heinsberg-Studie bekannt. Die Studie war im Auftrag der NRW-Landesregierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) entstanden, der kurz darauf auf Basis der Studie öffentlichkeitswirksam Lockerungen der Corona-Maßnahmen forderte.
Ein Forscher-Team um Streeck hatte in Gangelt im nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg an der niederländischen Grenze 919 Einwohner in 405 Haushalten befragt und Corona-Tests vorgenommen. In dem Ort hatten sich nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar viele Bürger mit dem neuartigen Virus infiziert.
In seiner Studie stellt Streeck mit weiteren Wissenschaftlern anhand der Sterblichkeitsrate der Infektion, die den Anteil der Todesfälle unter den Infizierten angibt, ein mögliches Hochrechnungsmodell vor. Mit dessen Hilfe sollen Dunkelziffern zur tatsächlichen Infiziertenzahl im Vergleich zu den offiziell erfassten Infizierten errechnet werden können. Demnach dürften sich deutschlandweit etwa 1,8 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben, etwa zehnmal so viele wie das Robert Koch-Institut aufgrund registrierter Fälle aktuell angibt.
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