Deutschland

Teuer und brandgefährlich: "Dringend notwendige Waffentests" im Emsland werden ausgeweitet

Während die ökologischen und gesundheitlichen Folgen des Großbrandes auf einem Waffenübungsplatz 2018 noch unklar sind, beliefen sich dessen Kosten auf acht Millionen Euro. Mitten in der Corona-Krise sagte der Bund weitere 23 Millionen zu – Waffentests seien "dringend notwendig".
Teuer und brandgefährlich: "Dringend notwendige Waffentests" im Emsland werden ausgeweitetQuelle: www.globallookpress.com © Lars-Josef Klemmer/picture alliance/ Global Look Press

Die Bundeswehr will die Waffentests auf dem "größten vollinstrumentierten Versuchsschießplatz Westeuropas" im Emsland ausweiten, der im Jahr 2018 vor allem durch den bis ins All sichtbaren Großbrand internationale Aufmerksamkeit erlangte. In einer Pressemitteilung des Übungsplatzes, der sogenannten Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition 91 (WTD 91), auf dem neben der Bundeswehr auch private Unternehmen Waffen testen, heißt es eingangs:

Das Testen von Waffen und Munition ist für die Bundeswehr dringend notwendig, aber es ist ein im wahrsten Wortsinne brandgefährliches Geschäft.

Damit nimmt die Bundeswehr Bezug auf den Großbrand in einem Moorgebiet in Niedersachsen, der durch Beschuss mit 70-Millimeter-Luft-Boden-Raketen von einem Tiger-Kampfhubschrauber während enormer Trockenheit ausgelöst wurde. Dieser loderte über fünf Wochen, beschäftigte rund 2.000 Einsatzkräfte der Feuerwehr und unzählige hauptamtliche sowie ehrenamtliche Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks und hinterließ großflächige Schäden in dem einzigartigen Ökosystem Hochmoorgebiet, das Teil des Übungsplatzes ist.

Die Kosten schätzte das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) auf rund 7,9 Millionen Euro. Im Januar hatte das Ministerium den sogenannten Moorbrandbericht veröffentlicht und verkündet, dass man durch eine "tief gehende Analyse" der Ursache zu dem Schluss gekommen sei, dass die Ereignisse und "Umstände", die das Ausmaß des Moorbrandes auslösten, vielschichtig und nicht einem singulären Grund zuzuschreiben seien.

Unter anderem gestand das BMVg Defizite in den Bereichen Material, Organisation, Vorbereitung und Ausbildung, Fehleinschätzungen hinsichtlich der Winde und verfehlte oder verspätete Kommunikation ein. Neben der verspäteten Information der Öffentlichkeit – und damit der betroffenen Anwohner – war ein Ärgernis vor allem die anscheinende Verharmlosung der gesundheitlichen Auswirkung durch die Bundeswehr, die behauptet hatte, dass unter anderem der bis nach Bremen merkliche Rauch laut "engmaschig durchgeführten" Untersuchungen unbedenklich ist. Dieser Behauptung widersprach unter anderem der Bundesverband der Lungenärzte deutlich und warnte ausdrücklich vor den Gesundheitsgefahren für Einsatzkräfte und Anwohner, auch im Hinblick auf längerfristige Folgen.

Seither ist nach Angaben des BMVg die materielle Ausstattung der WTD 91 und der Bundeswehrfeuerwehr Meppen verbessert worden. Zu den verbesserten Sicherheitsmaßnahmen, die die Feuergefahr mindern sollen, gehören ein optimiertes Wegenetz, ein Löschwasserteich und zusätzliche Löschtechnik. Außerdem solle es künftig nur Waffentests geben, wenn keine Waldbrandgefahr herrsche: "Ist es zu trocken, wird nicht geschossen", so die neue Losung. Demnach kann sich die Bevölkerung wohl auf einige Schießpausen einstellen.

Erst Mitte April dieses Jahres beschäftigte ein großflächiger Moorbrand im Emsland 200 Einsatzkräfte der Feuerwehr im Landkreis, der durch Dürre entstanden war. Forstwissenschaftler, Naturschützer und Meteorologen sagen noch trockenere Jahre voraus, als es die letzten waren. Die Gebiete (nahe Neubörger) für die ausgeweiteten Schießübungen liegen relativ nahe der Orte, an denen es bereits in diesem April gebrannt hat (Aschendorf und Papenburg).

Im Jahr 2018 war die augenscheinlich vorherrschende Trockenheit kein Hinderungsgrund für Raketentests durch Bundeswehr und Airbus. Das BMVg schreibt, die "WTD 91 besitzt hervorragend ausgebildetes, kompetentes sowie engagiertes Personal". Auch werden "Schießkampagnen wie die des Unterstützungshubschraubers (UH) TIGER" samt Personal, Material sowie "Beachtung zwingender Auflagen aufgrund gesetzlicher Schutzaufgaben" lange vorbereitet, in diesem Fall bereits seit Jahresbeginn 2017. Dennoch wurde sehenden Auges in ein knochentrockenes Moor gefeuert, und das, obwohl ausreichende Löschkapazitäten nicht vorhanden waren, zumindest keine funktionierenden.

Die Löscharbeiten wurden 2018 zudem durch Munitionsreste und Blindgänger auf dem Gelände erschwert. Wie viele Munitionsreste sich auf dem Gelände befinden, ist weiter unbekannt.

Klar wird aus der Kommunikation des Verteidigungsministeriums jedoch auch, dass der Waffenübungsplatz WTD 91 für die Bundeswehr unabdingbar ist. Während die Erprobung von Waffen und Munition dem "staatlichen Auftrag zum wirksamen Schutzes der Soldatinnen und Soldaten dient", ist dieses Versuchsgelände mit in der Bundeswehr singulären Fachkompetenzen ausgestattet, darunter Waffen und Waffensystemen für Munition aller Art, Raketen, Drohnen und Lenkflugkörper, optisches und optronisches Gerät zur Aufklärung und Feuerleitung sowie akustisches, meteorologisches und geodätisches Gerät, und es ist die "allein zuständige Stelle für die Qualifikation und sicherheitstechnische Bewertung militärischer Explosivstoffe".

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Die Bundeswehr und das von ihr gekaufte Gerät, darunter Tiger-Kampfhubschrauber, sorgen seit Jahren für wenig schmeichelhafte Schlagzeilen, von Panzern sowie Gewehren, die nicht einsatzbereit und nicht wettertauglich sind, bis hin zu Kampfhubschraubern mit technischen Mängeln, die abstürzen oder aus dem Einsatz zurückgenommen werden müssen; selbst in ausländischen Medien sorgt die unterdurchschnittliche Tauglichkeit von deutschem Militärgerät für Schlagzeilen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Ergebnisse der Waffentests des Verteidigungsministeriums noch mal editiert werden, wenn sie nicht passen, bis hin zu "Änderungen von Kernaussagen und sinnentstellende Änderungen", wie es sich lautSüddeutscher Zeitung wohl im Fall des Pannengewehrs G36 verhielt.

Dennoch betonen das BMVg sowie das Beschaffungsamt der Bundeswehr, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), in der öffentlichen Kommunikation als Grund für die Wiederaufnahme und kontinuierliche Ausweitung der Schießübungen die Sorgfalt bei der Erprobung von Gerät, welche der Sicherheit der Soldaten sowie des Landes dienen soll und deshalb notwendig sei:

Dafür werden auch keine Kosten gescheut. Mitten in der Corona-Krise, wegen der sich die Deutschen laut Bundespräsident Steinmeier auf einen allgemeinen Wohlstandsverlust einstellen müssen, saniert der Bund die Trink- und Löschwasseranlage der Wehrtechnischen Dienststelle in Meppen für 23 Millionen Euro.

Im Sommer soll nahe des Übungsplatzes im Landkreis Emsland die Bigband der Bundeswehr auftreten, womit zwei Jahre nach dem Katastrophenfall ein Versprechen der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eingelöst wird.

Derweil hat RT Deutsch eine Anfrage an die WTD 91 bezüglich der Rolle und Verantwortlichkeit von Airbus, den bleibenden ökologischen Schäden sowie der Rolle externer Berater in der Krisenkommunikation gestellt. Mit der Antwort wird in dieser Woche gerechnet.

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