COVID-19 und die Sinnfrage: CSU-Minister fordert "Abkehr vom traditionellen Kapitalismus"
Während der Corona-Krise ging bislang so manch anderes Thema unter. So etwa der sogenannte Erdüberlastungstag ("Earth Overshoot Day") am vergangenen Sonntag.
Der deutsche Erdüberlastungstag markiert demnach jeweils den Tag im Jahr, an dem weltweit das jährliche globale Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen aufgebraucht wäre, wenn die gesamte Weltbevölkerung so leben würde wie die Menschen in Deutschland. Demzufolge lebte Deutschland ab dem 3. Mai bis zum Ende des Jahres quasi auf Kredit der gesamten Menschheit. Zu diesem Ergebnis kommt das sogenannte "Global Footprint Network", das den Tag jährlich errechnet.
Und auch wenn COVID-19 das alles beherrschende Thema darstellt, ist es doch auch die mit dem Coronavirus einhergehende schwere gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Krise, die nicht ganz neue gesellschaftliche Debatten erneut anstößt.
Noch vor kurzer Zeit galt die unter dem Schlagwort "Kapitalismuskritik" gebündelte Forderung nach einem Umdenken hin zu einer ganzheitlicheren und nachhaltigeren Wirtschaftsordnung noch als realitätsferne Fantasterei "linker Träumer". Im Zuge der Corona-Pandemie schlägt sie nun jedoch offensichtlich auch im politischen Mainstream durch und wird zumindest salonfähig.
Zuletzt war es Entwicklungsminister Gerd Müller, der sich als Kritiker des Strebens nach ewigem Wachstum und maximalem Profit zu Ungunsten von Mensch und Natur offenbarte. Aufgrund der Corona-Krise plädierte Müller für eine Abkehr von den Spielregeln des "traditionellen Kapitalismus".
Der Immer-Weiter-Schneller-Mehr-Kapitalismus der letzten 30 Jahre muss aufhören", erklärte der CSU-Politiker am Montag.
Müller bezeichnete die Corona-Krise in diesem Zusammenhang als einen Weckruf an die Menschheit, mit Natur und Umwelt anders umzugehen.
Die Kapitalismuskritik ist jedoch alles andere als ein neues Phänomen. Auch die handzahmen "Genossen" aus den Reihen der Sozialdemokraten führen die Kritik am vorherrschenden Wirtschaftssystem gerne im Munde – allerdings hinter vorgehaltener Hand. Sie wollten und wollen den Raubtierkapitalismus "reformieren", ihn von innen heraus bekämpfen – und sind mit dem damit einhergehenden Spagat zwischen Anbiederung an den Status quo und der Kritik am System in den Orbit der politischen Beliebigkeit entschwunden.
Doch Corona ebnet den steinigen Weg, den nun ein Minister Müller beschreitet und dabei das "C" im Namen seiner Partei wiedergefunden haben will.
Wenn wir unser Leben in Übereinstimmung mit der Schöpfung leben würden, gäbe es den Erdüberlastungstag nicht. Dann wäre er höchstens am 31. Dezember. Er ist aber bereits am 3. Mai – dann sind theoretisch alle Ressourcen für das Jahr aufgebraucht und wir leben gewissermaßen 'auf Pump'", erklärte Müller.
Zudem sei "ein Auslöser der Corona-Pandemie (...) auch am Raubbau an der Natur, in der Rodung der Regenwälder" zu finden, erläuterte der CSU-Minister überzeugt.
Auch die Kritik an der schönen neuen Welt der sogenannten Globalisierung wurde bis vor kurzer Zeit im politischen und gesellschaftlichen Mainstream noch als rückwärtsgewandtes Denken Ewiggestriger diffamiert und mit entsprechenden Kampfbegriffen belegt.
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Doch auch hier zeigt man sich nun schmerzfrei, weiß doch auch ein Minister Müller offensichtlich den Corona-Zeitgeist bei seinen kritischen Vorstößen auf seiner Seite.
Deswegen müssen wir umdenken und können nicht einfach zur Normalität der Globalisierung zurückkehren", so Müller weiter.
Lebten alle Menschen auf der Welt wie die Deutschen "mit einer ständigen Steigerung des Verpackungsmülls und der bisherigen Art zu wirtschaften, bräuchten wir zwei Erden".
Die Grenzen der Ressourcen sind endlich und wir nehmen uns ein Vielfaches dessen, was uns zusteht. Wir leben nicht über unsere Verhältnisse, sondern über die Verhältnisse der anderen und unserer Kinder und Enkel", sagte Müller. Vor allem die armen Länder litten unter dem deutschen Ressourcenverbrauch – am stärksten durch die Auswirkungen des Klimawandels.
Alles endet für Müller demnach in der "Sinnfrage".
"Jedes einzelne Leben ist nur ein Flügelschlag in der Geschichte des Planeten. Wir tragen Verantwortung für die nächsten Generationen und Verantwortung vor Gott", resümierte der CSU-Politiker.
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