Deutschland

Homeschooling in Deutschland: Arme Kinder bleiben auf der Strecke

Geschlossene Schulen: Vielen armen Familien fehlt das Geld für die Technik, die ihre Kinder für digitales Lernen benötigen. Hilfe vom Staat erhalten sie nicht: So lehnen zum Beispiel Jobcenter und Gerichte Beihilfe für Computer ab. Mit teilweise absurden Begründungen.
Homeschooling in Deutschland: Arme Kinder bleiben auf der StreckeQuelle: www.globallookpress.com © face to face

von Susan Bonath

Seit einem Monat sind in Deutschland die Schulen geschlossen, "Homeschooling" ist angesagt. Für die meisten Kinder und Jugendlichen wird dies mindestens bis weit in den Mai hinein so bleiben, denn nur schrittweise sollen die Bildungseinrichtungen wieder öffnen. Darauf einigte sich der Bund am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten der Länder. Was bei all den Diskussionen um die Gesundheitsmaßnahmen jedoch außen vor bleibt: Arme Schüler drohen dabei auf der Strecke zu bleiben. Denn oft verfügen sie gar nicht über die nötige Technik, um am Online-Unterricht teilzunehmen. Hilfe vom Staat gibt es für sie nicht.

So sollen einer Beschlussvorlage des "Corona-Kabinetts" zufolge zunächst die Schüler der Abschlussklassen und die ältesten Jahrgänge der Grundschulen ab dem 4. Mai wieder gemeinsam lernen können. Bis Ende April soll die Kultusminister-Konferenz ein Konzept vorlegen, in welchen Etappen der weitere Unterricht unter besonderen Hygienemaßnahmen wieder aufgenommen wird.

Jobcenter und Gericht lehnen Beihilfe für Computer ab

Die meisten Schüler müssen somit zunächst weiter zu Hause unterrichtet werden. Doch das ist für viele nicht so einfach. Ein Beispiel ist ein Neuntklässler, über den die Tageszeitung (taz) berichtete. Der Jugendliche wächst, wie mehr als eine Million weiterer Kinder im schulpflichtigen Alter, in einer Familie auf, die auf Hartz IV angewiesen ist. Einen Computer besitzt sie nicht.

Sein Vater hatte demnach beim Jobcenter in Mönchengladbach vergeblich versucht, eine Beihilfe dafür zu beantragen. Anschließend scheiterte er Ende März mit einem Eilantrag vor dem Sozialgericht Düsseldorf. Zur Begründung hieß es, der Kläger habe nicht plausibel darlegen können, weshalb die Schule den Fernunterricht zwingend über das Internet durchführen müsse.

"Die setzen voraus, dass wir das alles haben"

Auch in Sachsen-Anhalt offenbaren die Corona-Maßnahmen die soziale Ungleichheit. Sekundarschüler und Gymnasiasten berichteten der Autorin in den vergangenen Tagen von einem "totalen Chaos". Über ein digitales Landeschulportal übermittelten die Fachlehrer ihnen Aufgaben, die sie nach dem Lösen online einschicken müssten. "Manche besitzen höchstens ein Smartphone, damit geht das aber nicht", klagte eine 15-jährige Realschülerin. Sie und andere aus ihrer Klasse müssten nun selbst die Aufgaben ausdrucken und den Betroffenen nach Hause bringen.

Ein 17-jähriger Elftklässler ergänzte im Gespräch:

Die setzen das einfach voraus, dass wir das alles haben.

Und bei der Übermittlung der Aufgaben gehe "alles drunter und drüber". Zudem hätten auch einige Lehrer Probleme im Umgang mit dem Schulportal. "Da ist es schon passiert, dass wir ihnen aus der Ferne helfen mussten", sagte er.

Keine Hilfe für arme Schüler vom Land

Michael Schulz vom Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt bedauerte auf Nachfrage, seine Behörde habe "keine Möglichkeiten, Familien bei der Beschaffung von Technik, Internetzugängen oder ähnlichem zu unterstützen". Einerseits sei der digitale Unterricht jetzt besonders bedeutsam, so Schulz. Andererseits sei den Lehrern aber die soziale Lage ihrer Schützlinge bekannt. Sie müssten und würden sich darauf einrichten. Beide Seiten stünden, so beteuerte er, "in vielfältigster Form miteinander in Kontakt, um sicher zu stellen, dass die Inhalte alle Schüler erreichen und niemand den Anschluss verliert".

Auf nochmalige Nachfrage konkretisierte der Ministeriumssprecher, dass Lehrer ihre Schüler oder deren Eltern etwa telefonisch kontaktierten. "Wenn es nicht anders geht, bringen sie ihnen auch Aufgaben nach Hause“, sagte Schulz und fügte an: "Das ist ja für uns alle Neuland."

Jeder vierte Schüler abgehängt

Der Deutsche Lehrerverband ist da weniger optimistisch. Vor einigen Tagen warnte deren Präsident Heinz-Peter Meidinger, durch die Schulschließungen sei etwa jeder vierte Schüler abgehängt vom Lernen. Betroffen sind seiner Einschätzung nach vor allem die Kinder armer Eltern, darunter viele mit Migrations- oder Fluchthintergrund.

"Die Chancengleichheit bleibt in Zeiten von Schulschließungen und Corona auf der Strecke", warnte auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaften (GEW) Sachsen-Anhalt jüngst in einer Mitteilung. Darin rügt sie: "Es ist zu beobachten, dass sich bestehende soziale Benachteiligungen nun verschärfen." Die GEW fordert finanzielle Hilfen für Schulen und arme Schüler sowie bessere Schulungen für Lehrer.

Der Erwerbslosenverein "Tacheles" startete deshalb am Ostermontag die Kampagne "Schulcomputer sofort!“. In den Hartz-IV-Regelsätzen für Sechs- bis 14-jährige beispielsweise seien gerade einmal 55 Cent für Bildung enthalten, erläutert der Verein dazu auf seiner Webseite. Davon und sowie vom sogenannten Schulbedarfspaket von 150 Euro pro Jahr für sämtliche Lernmaterialien könne sich niemand einen Computer anschaffen, mahnt der Verein.

"Tacheles" ruft im Rahmen der Kampagne Betroffene Familien auf, entsprechende Hilfen für Laptops bei ihren Jobcentern zu beantragen. Bei Ablehnung wäre dann ein Eilantrag beim zuständigen Sozialgericht fällig. Man brauche endlich ein Gesetz, das armen Kindern den materiellen Zugang zu Bildung und Förderung umfassend sichert, so der Verein.

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