Kirche und Religion in der DDR: Gespräch mit einem Experten
von Hasan Posdnjakow
Manfred Manteuffel war zu DDR-Zeiten Referent für Kirchenfragen in der Stadt Rostock. Dabei handelte es sich sich um eine staatliche Funktion auf Kreisebene. Geboren wurde er in Danzig. In den Wirren des Krieges zog er nach Wismar, wo er auch die Schule besuchte. Er lernte den Beruf des Stahlschiffbauers und war in seiner Jugend in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) aktiv. In den 1950er-Jahren wollte die DDR angesichts der Gründung der NATO und der Wiederbewaffnung der BRD eigene Streitkräfte aufbauen. Also wurde Manteuffel zur Marine abkommandiert. Dort wurde er für die Offiziershochschule geworben. Er war als leitender Ingenieur tätig und nahm an Minenräumarbeiten teil, unter anderem vor Rostock. Danach war er auf Raketenschnellboten tätig. Anschließend studierte er in Greifswald Philosophie, wo er sich intensiv mit Religionsfragen auseinandersetzte. In Rostock zurückgekehrt arbeitete er anschließend als Philosoph bei der Marine. Nach 38 Dienstjahren wurde er seitens des Rostocker Oberbürgermeisters zum Referenten für Kirchenfragen in der Hansestadt berufen.
Die Kirche in der DDR war an sich, das sagte Gysi* als Staatssekretär für Kirchenfragen sehr deutlich, in Europa eine vorbildliche Kirche. Das Verhältnis von Politik, Staat und Kirche funktionierte in der DDR gut", sagt Manteuffel. "Gysi sagte, Staat und Kirche in der DDR müssen zwar getrennt sein, aber miteinander funktionieren. Das hat auch gut funktioniert. Die DDR-Regierung hatte in den Kreisstädten Leute, die für Kirchenfragen zuständig waren, sie nannten sich Referenten für Kirchenfragen."
*Der Vater des späteren Linken-Politikers
Manteuffel pflegte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Er hatte "keine Probleme mit Rostocker Pastoren" – von denen es über 50 gab. Er bemühte sich, sagt er, sicherzustellen, dass die Kirchenvertreter eine enge Beziehung zur Stadt und zum Bezirk hatten. Man traf sich einmal im Monat mit ihnen im Rathaus und unterhielt sich über die Probleme der Stadt. Die Pastoren seien davor immer etwas auf Distanz gegangen. Durch diese regelmäßigen Treffen wurde dies Manteuffel zufolge überwunden. Er nahm auch Außentermine gemeinsam mit Kirchenvertretern wahr. Sie besuchten etwa zusammen die Rostocker Werft oder das dortige Fischkombinat. Ziel solcher Termine sei es gewesen, den Pastoren zu zeigen, wie das Leben der Kirchenmitglieder – in erster Linie Arbeiter – außerhalb der Kirche aussieht.
Besonderen Wert habe man darauf gelegt, dass Staat und Kirche sich nicht anfeindeten, sondern zusammenarbeiteten, wo sich Möglichkeiten boten, etwa in der Frage des Friedens. In anderen sozialistischen Staaten, etwa in Polen und Ungarn, hätte es andere Ansätze gegeben. Manteuffel sei stets für diese Fragen zugänglich gewesen. Man habe aber dennoch darauf geachtet, eine gewisse Distanz zwischen Staat und Kirche zu wahren. Mit den evangelischen Pastoren habe Manteuffel ein gutes Verhältnis gepflegt. Die katholischen Pfarrer hingegen hätten keinen engen Kontakt zum Staat gesucht.
Hasan Posdnjakow: Welche Rolle haben die Religionsgemeinschaften im öffentlichen Leben der DDR gespielt?
Manfred Manteuffel: Es kam darauf an, worum es ging. Der Staat hielt sich aus den kirchlichen Angelegenheiten raus, und die Kirchen wiederum aus dem Staat. Wir in Rostock haben zum Beispiel viel für den Kirchenbau in Rostock getan. Wir hatten aber wenig Geld. Die Westkirchen waren dagegen steinreich. Die haben Zuschüsse gezahlt. Wir haben die Kirchen aber nicht außer Acht gelassen.
H. P.: Welches Verhältnis hatte die Regierungspartei SED zu den Kirchen?
M. M.: Es war sehr differenziert. Im Ostseebezirk hatten wir ein gutes Verhältnis zu den Kirchen und Pastoren. Hier gab es keinen großen Streit. In der DDR insgesamt war das sehr unterschiedlich. Wenn ich mit Leuten zusammenkam, die eine ähnliche Funktion hatten wie ich, da haben sie nur gesagt: "Der Manteuffel muss ja nicht richtig laufen, weil er sich fast mit der Kirche verbrüdert." Ich habe mich nicht mit der Kirche verbrüdert. Wir sind alle unsere eigenen Wege gegangen. Aber im Interesse der DDR haben wir vor allem in Hinblick auf die Frage zu Krieg und Frieden zusammengearbeitet. Das hat uns geeint. Da ließen wir keinen ran. Es gab aber auch Leute, die sagten: "Ich bin Marxist-Leninist und habe mit der Kirche nichts gemeinsam." Das gab es auch. Für mich ist die Bibel eine interessante Geschichte. Das Neue Testament habe ich intensiv verinnerlicht, ohne daran zu glauben. Bei vielen anderen war das aber anders. Sie konnten mit der Bibel nichts anfangen.
H. P.: Wie wirkte sich die Teilnahme von Kirchenvertretern am Kampf gegen die Nazi-Diktatur auf die Beziehungen zwischen der DDR-Führung und den Kirchen nach 1945 aus?
M. M.: Das ist eine komplizierte Frage. Es gab zwischen Kommunisten und der Kirche während der Zeit des Faschismus gute Verhältnisse. Es gab aber auch Negatives, wie den Pakt zwischen dem Vatikan und Hitler. Sonst war das Verhältnis allgemein gesehen jedoch gut. Es gab zum Beispiel Anhänger des lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet wurde, die sehr von den Kommunisten angetan waren. Für sie war der Kommunismus auch ein Ideal, eine Lebensart. In Wismar gab es zum Beispiel einen Vertreter von Bonhoeffer, Robert Lansemann. Er zum Beispiel sagte: "Für mich gilt die Kirche, die Religion, aber ich akzeptiere auch die Marxisten." Er wird noch heute in Wismar sehr verehrt. Es gab aber auch nicht wenige Pastoren, die gegen den Kommunismus waren.
H. P.: Vielen Dank für das Gespräch!
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