Gesellschaft

Derbent - Weltkulturerbe am Kaspischen Meer

Im Süden von Dagestan, unweit der Grenze zu Aserbaidschan, liegt die Stadt Derbent. Sie liegt malerisch am Kaspischen Meer und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Derbent ist über zweitausend Jahre alt, erste Zeugnisse für Siedlungen werden auf ein Alter von fünftausend Jahren datiert.
Derbent - Weltkulturerbe am Kaspischen Meer© Gert Ewen Ungar

von Gert Ewen Ungar

Von Machatschkala, der Hauptstadt der russischen Republik Dagestan, erreicht man Derbent am besten mit dem Überlandbus. Zudem verkehren zwischen Machatschkala und Derbent Züge. Die Entfernung beträgt rund 130 Kilometer, die Taktung der Busse ist jedoch deutlich enger als die der Züge. Immer wenn ein kleiner Bus, ein Marschrutka voll ist, geht es los.

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Der Bus startet am Stadtrand von Machatschkala. Auf dem Weg nach Derbent begleitet uns der Blick auf große Weinberge. Das mag man in einer islamischen Republik nicht erwarten, doch ist hier in Dagestan nichts von der Dominanz des Religiösen zu spüren, für die andere muslimische Länder bekannt sind.

Zunächst geht es über eine gut ausgebaute, mehrspurige Autobahn, die allerdings schon bald endet. Über eine zweispurige Bundesstraße geht es dann weiter. Die Straße ist holprig, die Stoßdämpfer des kleinen Busses, in dem wir sitzen, sind in die Jahre gekommen.

Allerdings wird augenscheinlich viel dafür getan, die Situation zu verbessern. Neben der Fahrbahn zieht sich eine endlose Baustelle entlang, die andeutet, dass die Zeit der holprigen Straßen auch hier bald vorbei ist.

Russland investiert in großem Maßstab in Infrastruktur. Dafür ist nicht nur die Krim-Brücke und der in kürzester Zeit von Grund auf umgebaute Flughafen in Simferopol ein Zeugnis. Landesweit werden Straßen und Trassen gebaut, die Bahn modernisiert. All dies findet auch im Rahmen der von China ausgehenden Initiative “One Belt - One Road” statt.

Auch wenn Dagestan selbst wohl kein direkter Knotenpunkt auf der neuen Seidenstraße werden wird, das Kaspische Meer ist in die Planung einbezogen. Die Anrainerstaaten werden vom chinesischen Großprojekt profitieren. Und nicht nur das: Die neue Seidenstraße wird den Eurasischen Kontinent prägen. Während sich Russland ganz auf die Entwicklung einstellt, in hohem Maße kooperiert und mitgestaltet, verschläft Deutschland wiedermal die Entwicklung. Obwohl der Hafen von Piräus dank der von Deutschland an Griechenland diktierten Austeritätspolitik privatisiert und in diesem Zusammenhang von der staatlichen chinesischen Reederei COSCO gekauft wurde, obwohl China Duisburg zu einem zentralen Umschlagplatz für auf dem Landweg transportierter Waren aus dem Osten machen wird und dort daher kräftig investiert, steht die Bundesregierung dieser Entwicklung skeptisch bis ablehnend gegenüber - und beweist so erneut ihre Unfähigkeit geopolitische Impulse für Deutschland gewinnbringend zu nutzen. Deutschland verschläft die Möglichkeit, den Umbau der Welt hin zu einer multipolaren Weltordnung aktiv mitzugestalten.

Auf der Fahrt nach Derbent ist zu sehen, wie die großen Infrastrukturinitiativen Russlands auch hier greifen.

Wo allerdings ganz absichtsvoll und kontrolliert kein moderner Straßenbau stattfindet, ist das Stadtzentrum von Derbent. Die Altstadt Derbents ist Weltkulturerbe und steht unter Denkmalschutz. Umgeben von einer alten, bis zu vier Meter dicken Stadtmauer führen mehrere Stadttore ins Innere. Dort befindet sich ein Labyrinth aus kleinen Gassen, in dem man sich verlaufen kann und auch verlaufen sollte, will man den Charme der Stadt tatsächlich entdecken. Alles ist mit dem für die Region typischen gelben Stein errichtet. Die zweigeschossigen Häuser sind eng aneinander gebaut. Im Zentrum der Altstadt befindet sich eine Moschee. Von außen ganz unscheinbar, betritt man das Areal durch ein Tor. Dort findet man sich unmittelbar, noch ein Stück weiter aus der Gegenwart weggetragen, in einer völlig anderen Welt: Eine kleine, idyllische Parkanlage, umbaut mit Gebäuden, die aussehen als stammten sie aus 1001 Nacht.

Man fühlt sich nicht nur räumlich, man fühlt sich auch zeitlich versetzt. Fast überrascht es, dass der Pförtner auf Russisch fragt, ob er helfen könne. Das bringt unmittelbar zurück, wo man sich befindet: Dieser exotische Ort, der an arabische Märchen erinnert, liegt in Südrussland.

Ich frage nach dem Gebetsraum, den ich mir gerne anschauen möchte. Das Gebäude ist untypisch, der Gebetsraum liegt in einem Seitenflügel. Ein Minarett ist bestenfalls angedeutet. Das liege am Alter, erfahre ich. Die Moschee sei erbaut worden, noch bevor sich der typische Stil entwickelt hätte, wird mir freundlich erklärt. Später lese ich etwas anderes, aber das ist nicht so wichtig. Der Kontakt ist getragen von Wertschätzung und gegenseitiger Sympathie, bei aller offensichtlich vorhandener Unterschiedlichkeit.

Der Gebetsraum ist schlicht, weit entfernt von der beeindruckenden Größe und spirituellen Ausstrahlung des Gebetsraumes der Achmat-Kadyrow-Moschee in Grosny. Einige Gläubige beten, der Ruf des Imams ertönt. Nun strömen mehr Menschen in den Hof und die Moschee. Als strenggläubiger Atheist will ich hier nicht weiter stören und ziehe mich zurück.

Durch die kleinen, verwinkelten Gassen geht es vorbei an Brunnen, an kleinen Läden, an öffentlichen Hamams und Bädern. Ich muss mich entscheiden: entweder hinunter in Richtung Meer oder hinauf zur alten Festung.

Die höher gelegene Festung wurde ebenfalls von den Arabern errichtet. Von hier aus wurde der Seeweg durchs Kaspische Meer kontrolliert. Die Anlage ist sehenswert. Der arabische Einfluss ist unverkennbar. Doch schon allein wegen des Blicks über die Stadt hinaus auf das Meer, ist es es wert, den Hügel zu ersteigen. Bei klarem Wetter schweift der Blick weit übers Kaspische Meer.

In der Festung ist unter anderem ein Museum untergebracht, das einen Eindruck vermittelt, wie das Leben hier ausgesehen haben muss. Die Exponate bezeugen den hohen Entwicklungsstand, der hier schon vor Jahrhunderten herrschte.

Von der alten Festung geht es zu Fuß hinab durch die Innenstadt zum Strand. Das Leben findet hier, wie in südlichen Ländern üblich, auf der Straße statt. Im Zentrum herrscht lebhaftes Treiben, ein sich selbst organisierendes Chaos, so scheint es.

Der Strand ist, obwohl die Saison bereits zu Ende ist, in gutem Zustand, sauber und weitläufig. Das Meer ist noch warm, der Wind ist allerdings schon frisch. Nur wenige baden.

Obwohl ideal gelegen, ist Derbent für den internationalen Tourismus nicht erschlossen. Zwar besucht jedes Jahr im Sommer eine große Zahl russischer Touristen die Stadt, für Touristen aus dem Ausland, insbesondere aus Europa, ist Derbent jedoch noch immer ein Geheimtipp. Und das trotz der langen Geschichte der Stadt, ihres Status als Weltkulturerbe mit all den herausragenden Sehenswürdigkeiten.

Am Strand gibt es eine kleine Bar. Und obwohl Dagestan eine islamische Republik ist, gibt es dort Wein. Er stammt aus der Region und ist im Kaukasus einbekanntes Markenzeichen Dagestans.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Mit dem Marschrutka geht es zurück nach Machatschkala, erneut vorbei an riesigen Baustellen, die jetzt mit Flutlicht beleuchtet sind. Noch immer wird hier gearbeitet. Ein unglaublicher Maschinenpark wird von einem Heer von Arbeitern Tag und Nacht in Betrieb gehalten. In Dagestan geht es zügig in Richtung Zukunft voran, dabei die Geschichte und Tradition bewahrend.

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