Gesellschaft

Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft: Medien-Kritik und Rassismus-Vorwürfe gegen DFB-Führung

Mesut Özil tritt aus der Nationalmannschaft zurück. Der Weltmeister zieht damit die Konsequenzen aus der Affäre um die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Die Bilder bereut Özil indes nicht. Er holt zum Rundumschlag aus und attackiert DFB-Chef Grindel scharf.
Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft: Medien-Kritik und Rassismus-Vorwürfe gegen DFB-FührungQuelle: www.globallookpress.com

Mesut Özil hat sein Schweigen gebrochen. Voller Wut und Enttäuschung wehrte sich der Fußball-Weltmeister am Sonntag in einer mehrteiligen Erklärung gegen seine Rolle als WM-Sündenbock in der seit Mai schwelenden Affäre um die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der 29-Jährige verteidigte die Bilder mit dem türkischen Staatschef, bestritt politische Absichten und griff deutsche Medien und Sponsoren-Partner wegen ihres Verhaltens scharf an. Seine dreiteilige Erklärung gipfelte am Abend in massiven Vorwürfen gegen den DFB-Präsidenten und seinem Rücktritt aus der Nationalelf, für die Özil als einer der Lieblingsschüler von Joachim Löw bis zum verkorksten WM-Sommer 2018 insgesamt 92 Länderspiele bestritten hatte.

Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre", schrieb Özil.

Er fühle sich vom Deutschen Fußball-Bund und vor allem dessen Präsident Reinhard Grindel schlecht behandelt.

Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen", betonte Özil an die Adresse von Grindel.

In den Reihen des DFB will Özil fremdenfeindliche Tendenzen erkannt haben. "Leute mit rassistisch diskriminierendem Hintergrund sollten nicht länger im größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler aus Familien verschiedener Herkunft hat", forderte Özil, der viele Millionen Follower über die sozialen Netzwerke erreicht. Vom DFB gab es bis zum Abend keine Reaktion.

Wochenlang wollte sich Özil nicht zu den Fotos mit dem türkischen Staatschef äußern

Auslöser des Wirbels um Özil waren Bilder mit Erdoğan bei einer Veranstaltung im Mai in London. In der Debatte, die vor und während der Weltmeisterschaft in Russland immer schärfer wurde, ging es bald auch um die Integration von Migranten und ihrer Nachkommen und um Fremdenhass. Während sich Nationalspieler İlkay Gündoğan, der sich ebenfalls mit Erdoğan fotografieren ließ, kurz darauf äußerte, hatte Özil über Wochen geschwiegen. Nun verteidigte er wortreich sein Treffen mit Erdoğan und bestritt politische Absichten. 

"Was auch immer der Ausgang der vorangegangenen Wahl gewesen wäre oder auch der Wahl zuvor, ich hätte dieses Foto gemacht", schrieb Özil.

Ein Foto mit Präsident Erdoğan zu machen, hatte für mich nichts mit Politik oder Wahlen zu tun, es war aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes meiner Familie.

"Für mich ist es nicht von Bedeutung gewesen, wer Präsident war, es war von Bedeutung, dass es der Präsident war." Özil verwies auf seine türkischen Wurzeln. Sich nicht mit Erdoğan zu treffen, hätte bedeutet, diese Wurzeln nicht zu respektieren, unabhängig davon, wer Präsident sei. Im Gespräch mit Erdoğan sei es um Fußball gegangen, nicht um Politik. Mit dem türkischen Staatschef habe er sich erstmals bereits im Jahr 2010 getroffen, nachdem dieser zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel das Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei in Berlin besucht habe.

Die Debatte um die Fotos ging jedoch weit über den Fußball hinaus. Die Diskussion um die Integration der Nachkommen von Migranten und um Fremdenhass wurde immer schärfer. "Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren", beschrieb Özil seine Situation und berichtete von Hass-Mails und Drohungen gegen seine Familie und ihn.

Die Diskussion um die Fotos hatte die WM-Vorbereitung der Nationalmannschaft überschattet und war auch während des Turniers in Russland ein Störfaktor. Nach dem erstmaligen Aus der Nationalmannschaft in einer WM-Vorrunde hatten Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Grindel zuletzt gefordert, Özil solle sich öffentlich erklären. Beiden wurde daraufhin vorgeworfen, sie würden den 29-Jährigen zum Sündenbock für das Scheitern machen.

Ex-DFB-Chef Zwanziger sieht Versäumnisse beim Verband

Bei der WM in Russland wurde Özil nach dem 0:1 gegen Mexiko zum Auftakt heftig kritisiert. Im zweiten Gruppenspiel beim 2:1 gegen Schweden ließ Löw ihn erstmals bei einem Turnier auf der Ersatzbank. Gegen Südkorea gehörte Özil dann wieder zur Startelf, konnte trotz einer guten Leistung das 0:2 und das WM-Aus aber nicht verhindern.

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger fürchtet durch den Rücktritt von Mesut Özil aus der Nationalelf weit mehr als nur sportliche Konsequenzen. Die von Özil auch mit Fremdenfeindlichkeit innerhalb des Verbands begründete Entscheidung sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag", sagte Zwanziger in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Der türkischstämmige Weltmeister "war ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden".

Auch Zwanziger, der in seiner Amtszeit das Thema Integration stark vorangetrieben hatte, sieht Versäumnisse beim DFB.

Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen. Wenn dieser Eindruck entsteht, muss man gegensteuern", sagte er.

Özil sieht "Doppelmoral" in der Berichterstattung 

Auch Medien blieben nicht verschont. Özil warf "bestimmten deutschen Zeitungen" rechte Propaganda vor, "um ihre politischen Interessen voranzutreiben". Er sei enttäuscht über die "Doppelmoral" in der Berichterstattung und verwies auf ein Treffen von Lothar Matthäus mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin. Matthäus habe sich dafür nicht öffentlich erklären müssen und dürfe weiterhin Ehrenspielführer bleiben. "Macht mein türkisches Erbe mich zu einem besseren Ziel?", fragte Özil.

Auch an die Adresse der Sponsoren ging scharfe Kritik. Nach den Bildern mit Erdoğan sei er von einem DFB-Sponsor nachträglich aus Werbekampagnen entfernt worden. Alle weiteren PR-Aktivitäten, für die er eigentlich vorgesehen gewesen war, seien gestrichen worden. "Für sie war es nicht länger gut, mit mir gesehen zu werden. Sie nannten diese Situation 'Krisenmanagement' ", ließ Özil wissen, ohne den Namen des Sponsors konkret zu nennen.

In seiner ehemaligen Schule wurde ein Besuch von ihm abgesagt

In seiner dreiteiligen Erklärung beklagte er auch, dass die Gelsenkirchener Gesamtschule Berger Feld nach den Fotos einen Besuch von ihm abgesagt habe. Die Leiterin von Özils früherer Schule, Maike Selter-Beer, wehrte sich am Sonntag gegen Vorwürfe des nun ehemaligen Fußball-Nationalspielers. "Es hätte einen Termin in den Pfingstferien geben sollen, aber da wären ja auch keine Schüler da gewesen", sagte Selter-Beer der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Özil sei weiterhin an der Schule willkommen. Man sehe ihn als ehemaligen Schüler und Förderer, nicht als politischen Menschen.

Allerdings habe Selter-Beer beim Gespräch mit Özils Anwalt, als es um den Termin im Mai ging, auch erwähnt, dass man in Gelsenkirchen Vorsicht walten lassen müsse wegen der starken Präsenz rechter Parteien. Wie die WAZ aus anderer Quelle jedoch erfahren haben will, gab es sehr wohl auch Terminangebote von Özil vor den Pfingstferien.

Reaktionen auf seinen Rücktritt und Vorwürfe

Während sich der DFB zunächst nicht zu Özils Aussagen äußerte, warteten türkische Regierungspolitiker mit großem Lob auf.

Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen", erklärte Sportminister Mehmet Kasapoglu.

Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe. Erdoğan Sprecher Ibrahim Kalin begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) schreib auf Twitter: "Es ist ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Mesut Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühlt."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, äußerste sich ebenfalls über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Gut, dass sich Özil endlich erklärt. Bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln, müssen sich Nationalspieler Kritik gefallen lassen, wenn sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben. Zugleich darf diese berechtigte Kritik nicht in pauschale Abwertung von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen."

Mehr zum Thema - War es das Russengift? Deutschland scheitert erstmals in der Vorrunde einer Fußball-WM 

Scharfe Kritik an Özil und seiner Generalabrechnung mit dem DFB kam vom Präsidenten des FC Bayern München. 

Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mist-Leistung hinter diesem Foto", sagte Uli Hoeneß in einem Kreis von Reportern vor dem Abflug des Clubs zu einer US-Tour.  

Zuletzt in Russland, als die Nationalmannschaft in der Vorrunde scheiterte, habe "niemand hinterfragt, was der bei der WM für einen Mist gespielt hat", sagte Hoeneß. "Seine 35 Millionen Follower-Boys, die es natürlich in der wirklichen Welt nicht gibt, kümmern sich darum, dass er überragend gespielt hat, wenn er einen Querpass an den Mann bringt."

Der Bayern-Boss sagte zudem: "Die Entwicklung in unserem Land ist eine Katastrophe. Man muss es mal wieder auf das reduzieren, was es ist: Sport. Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren."

(dpa/rt deutsch)

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