Gesellschaft

Kraftwerk in Moskau - Elektronische Musik im Kreml

Es war nicht das erste Konzert, das Kraftwerk in Moskau gaben. Allerdings ist es schon lange her seit dem letzten Konzert. Vor dreizehn Jahren bereits spielten die Pioniere der elektronischen Musik in der russischen Hauptstadt und füllten damals ein Stadion.
Kraftwerk in Moskau - Elektronische Musik im Kreml© Gert Ewen Ungar

von Gerd Ewen Ungar

Dieses Mal war die Location ein bisschen kleiner, hatte jedoch eine wesentlich größere Symbolkraft. Denn dieses Mal gastierte Kraftwerk im Kreml. Die deutsche Band verwirklichte ihre Idee des Gesamtkunstwerks im Zentrum des politischen Moskau, im staatlichen Kremlpalast. Dort also, wo zur Zeiten der Sowjetunion die großen Parteitage der KPdSU stattfanden.

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Der Ort war gut gewählt. Nicht nur passte die klare Architektur des 1961 fertig gestellten Gebäudes zu der klar strukturierten Musik Kraftwerks. Es war auch ein deutliches Zeichen, dass ausgerechnet dann, wenn die Politik sich der Zusammenarbeit und dem Gespräch verweigert, es die Aufgabe der Kunst ist, für Verbindung und Austausch zu sorgen.

Doch auch wenn das aktuelle Konzert eine besondere symbolische Strahlkraft haben mag, so sind Kraftwerk keinesfalls die ersten deutschen Künstler, die im Kreml auftreten. Es mag erstaunen, doch kein anderer deutscher Musiker hat es häufiger auf die Bühne des Kremlpalastes geschafft wie Thomas Anders. Der ehemalige Sänger der Gruppe Modern Talking verfolgt seit geraumer Zeit eine vor allem in Osteuropa sehr erfolgreiche Solokarriere und füllt ihn Russland große Säle.  

Allerdings war auch der Abend mit Kraftwerk selbstverständlich ausverkauft. Die Karten für den 6.000 Plätze umfassenden Konzertsaal waren alle vergriffen. Beworben war die Veranstaltung im Vorfeld unter anderem im Wi-Fi-Netz des öffentlichen Nahverkehrs. Der kostenlose Netzzugang in allen Zügen der Moskauer Metro, in Bussen und Bahnen finanziert sich unter anderem über Werbung. Kraftwerk nutzte diesen exklusiven Werbeplatz für sich. Entsprechend groß war die Nachfrage.

Der Saal füllte sich noch, als das Konzert bereits begann. Mit großem Applaus wurden die ersten Klänge und die vier Musiker begrüßt. Insbesondere Ralf Hütter, Gründer und Mitglied der ersten Stunde, wurde schon beinahe frenetisch von den russischen Fans begrüßt. "Nummern" war das erste Stück, das gespielt wurde. Der Saal zählte mit. Die Atmosphäre war von der ersten Minute an euphorisch. Offensichtlich hat Kraftwerk auch in Russland eine große Fangemeinde.

Ein Novum gegenüber den bisherigen Konzerten ist die Überarbeitung der auf großer Leinwand ablaufenden Clips und Effekte. Sie sind jetzt mit entsprechender Brille in 3D erlebbar. Das verleiht dem Event, das sich immer weiter auf ein perfekt konzipiertes Gesamtkunstwerk zubewegt, eine zusätzliche Qualität.

Zweifellos den Höhepunkt etwa zur Halbzeit bildete auch bei diesem Konzert "Die Roboter". Der Vorhang hatte sich kurz geschlossen, öffnete sich dann wieder und gab den Blick frei auf die wohl vier bekanntesten Automaten der Musikgeschichte. Das Publikum reagierte schon bei den ersten, sehr bekannten Klängen mit Jubel. Die Atmosphäre im Kreml war unglaublich beeindruckend. Es war die Musik, die hier ganz deutlich eine feste Brücke zwischen Deutschland und Russland bildete.

Und auch wenn Kraftwerk mit dem Unfall in Tschernobyl ihre positive Einstellung zur Atomkraft aufgegeben haben und seither zu "Radioaktivität" die Namen der Orte eingeblendet werden, an denen sich nukleare Unfälle ereigneten, wobei die Liste inzwischen noch um den Namen Fukushima noch erweitert werden musste, so passt insgesamt die Vision einer positiven, technischen Zukunft inzwischen besser zu Russland als zu Deutschland. Vergleicht man, so lässt sich zweifellos feststellen, dass man in Russland wesentlich optimistischer in die Zukunft blickt, die durch technische Innovationen und internationale Zusammenarbeit für die Bürger wachsenden Wohlstand und Bequemlichkeit verheißt.

Dass hierzulande der Blick auf die Zukunft durch eine in irritierender Weise fehlgeleitete und ideologisierte Politik in die entgegengesetzte Richtung weist, spürt jeder an sich selbst. Der große technische Aufbruch, für den die elektronische Musik Kraftwerks symbolhaft steht, von diesem Aufbruch ist hier in Deutschland nichts mehr zu spüren. Es überwiegt die Skepsis. Doch in Russland passt das gut zusammen.  

Natürlich ist zu wünschen, dass immer weitere Brücken mittels Kunst und Musik zwischen den beiden Ländern geschlagen werden, über die möglichst viele gehen, damit das hierzulande von offizieller Politik und unterstützt durch den Mainstream gezüchtete Ressentiment gegenüber Russland abgebaut werden kann. Es ist dringend notwendig, denn die Kriegsgefahr wächst durch die westliche Aggression mit jeder Minute. Es ist daher Kraftwerk besonders zu danken, hier einen Akzent gesetzt zu haben, der einen Schritt der Annäherung bedeutet, den zu machen westliche Politiker derzeit nicht bereit sind.

Doch die nächste Gelegenheit für einen Austausch ist schon am Horizont sichtbar und liegt im Bereich des Sports. Es ist die Fußball-WM, die eine Möglichkeit zum weitergehendem Austausch bietet.

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