
Nach Drohungen: "Denkfest" im pfälzischen Landau lädt Verlegerin Susanne Dagen aus – wegen AfD-Nähe

Bereits am 1. Oktober hatte die Ludwigshafener Rheinpfalz berichtet, dass die Dresdner Buchhändlerin und Kommunalpolitikerin Susanne Dagen nicht am "Denkfest" teilnehmen wird, das am 8. und 9. Oktober im pfälzischen Landau stattfinden soll und für das die Verlegerin aus Sachsen bereits eine Zusage erhalten hatte. Die Veranstaltung steht unter dem Motto "Kampfzone Freiheit – Wer hat Angst vor Ambivalenz?" und sollte, so das Kulturnetz Landau, "das Verhältnis von Demokratie, Freiheit und Kultur" untersuchen. Dagen gilt als konservativ, und obwohl sie den Freien Wählern angehört, als AfD-nah, weil sie im Dresdner Stadtrat der AfD-Fraktion beigetreten ist.

Anspruch und Wirklichkeit
Wie die Berliner Zeitung (BLZ) aus dem Gespräch der Rheinpfalz mit Robert Montoto, dem Leiter des Kulturbüros, zitiert, habe sich vor Ort Widerstand gegen den Auftritt Dagens formiert. Montoto hatte erklärt, es habe "Hinweise auf konkrete Aktionen vor Ort" gegeben. Deshalb habe man sich "nach intensiver Beratung" dafür entschieden, "im Interesse der Gesamtveranstaltung und auch der Sicherheit für alle Beteiligten" das Gespräch mit Susanne Dagen aus dem Programm zu nehmen. Die Entscheidung sei den Veranstaltern "nicht leicht gefallen", da das "Denkfest" ja eben um die "grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit" gehe – und darum, auch "umstrittene Positionen zu diskutieren".
Dagen betreibt in Dresden-Loschwitz seit 1995 eine Buchhandlung mit angeschlossenem Verlag, die zweimal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet wurde, sowie das KulturHaus Loschwitz, wo Vorträge, Lesungen und Konzerte stattfinden. An der Organisation einer neuen, konservativ ausgerichteten Buchmesse unter der Bezeichnung "Seitenwechsel" – für Anfang November in Halle an der Saale geplant – ist Dagen ebenfalls beteiligt. Die offenbar kaum verklausulierten Drohungen gegen den Auftritt Susanne Dagens in Landau hatten mindestens einen konkreten Vorläufer: Im Frühjahr 2021 wurde auf Dagens Dresdner Buchhandlung ein Anschlag mit Buttersäure und Feuerwerkskörpern verübt.
Kritik vom PEN Berlin an Ausladung
Nach Bekanntwerden der Ausladung von Susanne Dagen durch die Veranstalter äußerte die Schriftstellervereinigung PEN Berlin deutliche Kritik an deren Entscheidung, worauf die BLZ aufmerksam machte. Unter der Überschrift "Zur Ausladung von Susanne Dagen: Entweder nicht einladen oder aushalten, aber nicht ausladen" heißt es unter anderem:
"Niemand muss Susanne Dagen einladen. Aber wenn ein Veranstalter sich dazu entschließt – im Fall des Mannheimer 'Denkfest' zusammen mit Hamed Abdel-Samad, Meron Mendel, Susan Neiman und vielen anderen – dann darf man erwarten, dass er zu dieser Einladung steht."
Allein die Sorge vor Störungen, gleich von welcher Seite diese ausgehen könnten, dürfe niemals als Begründung dienen, eine Veranstaltung abzusagen. Weiter heißt es in der Stellungnahme:
"Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit gelten nicht nur, wenn es einem in den Kram passt, sondern auch dann, wenn es einem nicht in den Kram passt. Gerade dann."
An den Beginn seiner Fünf-Punkte-Erklärung zur Ausladung von Susanne Dagen stellte der PEN Berlin gleichsam einschränkend und als Distanzierung folgenden ersten Punkt:
"In den USA lässt sich derzeit beobachten, was die lautstarke Forderung von Rechtspopulisten nach Meinungsfreiheit wert ist: keinen Cent. Dasselbe gilt für die AfD. Sie plakatiert zwar 'Zeit für freie Meinung'. Doch viele Einlassungen ihres führenden Personals bis hin zu zahllosen Anträgen ihrer kommunalen Fraktionen lassen keinen Zweifel daran, dass Frau Dagens Partei, wenn sie die Gelegenheit dazu bekäme, alles und jeden canceln würde, der nicht in ihre Streichholzschachtelwelt passt."
In einer aktuellen Erklärung, die das "Denkfest" zu dem Vorgang veröffentlicht hat, heißt es:
"Auf einem Denkfest zum Thema 'Meinungsfreiheit' extreme Positionen zu hören und bei aller Streitbarkeit über Freiheit und Grenzen der Meinung nachzudenken, halten wir für klug und erkenntnisfördernd. Ein zivilisierter Diskurs unter Einbeziehung sehr extremer Positionen, wie er uns idealerweise vorschwebte, ist unter diesen Umständen aber nicht mehr möglich."
Man sehe sich weiterhin der "Idee einer liberalen, auf Respekt und argumentativen Austausch basierenden Diskurskultur verpflichtet". Die Organisatoren kündigen darüber hinaus an, das Scheitern ihrer "Idee von Offenheit, Differenz und Ambivalenz transparent und auf der Bühne des Denkfests zum Thema [zu] machen".
Der Publizist Michael Klonovsky kommentierte die Absage auf Twitter/X mit einem einzigen Satz: "Die Toleranten ziehen blank."
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