Gesellschaft

Tot aufgefunden: Berliner Arzt, der wegen Habeck-Karikaturen vor Gericht stand

Erst Anfang dieser Woche hatte der Berliner Arzt noch vor Gericht gestanden – wegen Karikaturen, mit denen er angeblich den früheren Wirtschaftsminister Habeck beleidigt haben soll. Am Freitagnachmittag wurde der Mediziner in seiner Praxis tot aufgefunden. Die Mordkommission ermittelt.
Tot aufgefunden: Berliner Arzt, der wegen Habeck-Karikaturen vor Gericht standQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Jürgen Ritter

Am gestrigen Freitag wurde ein Berliner Arzt in seiner Praxis tot aufgefunden. Es handelt sich dabei um den Mediziner Wolfgang Conzelmann. Der 76-Jährige war im Wedding über viele Jahre bekannt für seine Arbeit mit Suchtkranken, aber auch für sein politisches Engagement und unangepasste Äußerungen. Im Fenster seiner ebenerdigen Praxis, die in einem Ladenlokal untergebracht ist, hatte der Arzt öfters politische Botschaften wie etwa "Demokratie heißt: Fresse halten!" ausgehängt.

Tötungsdelikt

Laut Berliner Zeitung (BLZ) sei nach dem Auffinden der Leiche schnell klar geworden, dass der Mann keines natürlichen Todes gestorben sein könne. Es müsse von einem Fremdverschulden ausgegangen werden, so die Polizei. Der herbeigerufene Notarzt habe nur noch den Tod feststellen können, nachdem Reanimationsversuche erfolglos geblieben waren. In der Nacht zu Sonnabend sei die Leiche in die Gerichtsmedizin gebracht worden. Staatsanwaltschaft und Mordkommission haben die Ermittlungen übernommen.

Wie die B.Z. schreibt, stehe das Tatmotiv noch nicht fest, es könne jedoch zu einem Streit um Drogen gekommen sein. Der Zeitung zufolge war der Gewalttat ein Überfall auf die Arztpraxis vorausgegangen, der dann möglicherweise eskalierte. Die Staatsanwaltschaft habe wegen der noch laufenden Ermittlungen keine Angaben zu den Todesumständen gemacht. Der Täter ist noch flüchtig.

Unangepasst – unbequem

Anfang dieser Woche stand der Berliner Arzt im Mittelpunkt eines Gerichtsverfahrens. Angeklagt wurde Conzelmann wegen angeblicher Beleidigung des früheren Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Conzelmann hatte im Oktober 2022 über die Facebook-Gruppe "Corona Diktatur" eine Karikatur von Habeck verschickt, die die Justizbehörden in die Nähe von NS-Propaganda rückten. Zwar war auf der Zeichnung kein Hakenkreuz zu sehen, dafür jedoch das Logo der "Grünen". Die ursprüngliche Beschriftung ("Ein Volk hilft sich selbst") sei durch die Losung "Frieren für den Endsieg" ersetzt worden. Die Ermittlungen vor drei Jahren gipfelten in einer Razzia in der Arztpraxis, im Zuge derer mehrere Mobiltelefone und Notebooks beschlagnahmt wurden (laut BLZ bereits im Sommer 2022). Conzelmann stellte die Hausdurchsuchung gegenüber der Zeitung in eine Reihe mit diesen "Bademantelaktionen", womit er auf die staatliche Repression in Bayern gegen einen Mann anspielte, der das "Schwachkopf"-Meme von Habeck auf Twitter/X versandt hatte. Der Hausarzt hatte wegen dieser Sache einen Strafbefehl über 3.000 Euro erhalten (30 Tagessätze à 100 Euro), den er nicht akzeptierte, weshalb es zum Prozess kam.

Am 10. Juni, etwa zweieinhalb Jahre später, fand nun die Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten statt. Conzelmann hatte um Solidarität und Unterstützung gebeten. Der Gerichtssaal war tatsächlich voll besetzt, so die BLZ. Erst wenige Tage vor dem Verhandlungstermin habe er seine elektronischen Geräte zurückerhalten, so der Arzt gegenüber der Zeitung.

Staatlicher Angriff auf Grundrechte

Im Laufe des Verfahrens hatte der Allgemeinmediziner geleugnet, die Karikatur gepostet zu haben. Das Gericht hatte angeboten, das Verfahren "wegen Geringfügigkeit der Schuld" einzustellen. Conzelmann habe sich jedoch ungerecht behandelt gefühlt und lange mit seinen Anwälten diskutiert. Am Ende ging der Arzt dann doch auf den Vorschlag des Gerichts ein. In einer längeren persönlichen Stellungnahme vor Gericht sprach Conzelmann zum Abschluss von "Gesinnungsjustiz" und einem Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Der Mediziner war seit 1968 in Berlin tätig und arbeitete viel mit Drogenabhängigen. Seine Praxis nahe dem Leopoldplatz im Stadtteil Wedding sei eine Anlaufstelle für Suchtkranke gewesen. Conzelmann war vor vielen Jahren von den Justizbehörden ins Visier genommen worden, weil er Junkies mit Substituten behandelte, so die BLZ. Allerdings habe ihm keinerlei Fehlverhalten nachgewiesen werden können. Der Zeitung hatte er erklärt:

"Der Staat mag mich nicht."

Schon bei dem früheren Vorgehen der Justiz gegen ihn sei es dem Staat lediglich um Repression gegangen. Conzelmann sei sich sicher gewesen, dass es in dem jüngsten Verfahren nicht anders gewesen sei.

Meldestelle

Der Mediziner war durch seine Online-Aktivitäten ins Visier der Ermittler geraten. Die von ihm betriebene Webseite erinnerte mit ihrer "Optik" den Redakteur der BLZ "an die Anfänge des Internets" – und bot eine Mischung aus linken und alternativen Inhalten: "Ein Labyrinth aus verschwörerischen Ideen", so die Zeitung. Zum Verhängnis wurden Conzelmann seine Facebook-Postings, weil eine Mitarbeiterin des von den Grünen geführten Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg offenbar verschiedenen Posts des Accounts "Jo Frieden" an die "Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet" weiterleitete, angesiedelt bei der Staatsanwaltschaft Göttingen. Conzelmann betonte im Verfahren, nicht er allein, sondern auch weitere Personen hätten Zugang zu diesem Account gehabt.

Erst Anfang dieses Jahres war die Göttinger Zentralstelle in den internationalen Fokus geraten (RT DE berichtete). In einer Dokumentation des US-Senders CBS für die Reihe "60 Minutes" hatten sich drei Göttinger Staatsanwälte über die Folgen einer polizeilichen Hausdurchsuchung amüsiert gezeigt. Die Beschlagnahmung elektronischer Geräte, so erklärten sie, wirke wie eine Strafe – eine "Strafe für Verdächtige", so die BLZ.

In seiner Schlussrede im Gerichtsverfahren berief sich der Mediziner auf die Bibel, Rudi Dutschke und den chinesischen Philosophen Lao Tse. Er prangerte die Verbrechen der Nazis an und regte eine Schweigeminute für die Opfer des Holocaust an – was ihm die Richterin verweigerte. Conzelmann sagte weiter, Deutschland fühle sich inzwischen wie eine Diktatur an. Politiker seien "austauschbare Masken". Er zeigte sich zudem überzeugt, dass er sich im Visier vieler Geheimdienste befinde. Seine Rede vor Gericht beendete Conzelmann mit der Forderung

"Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus."

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